Einem aktuellen Urteil des BGH nach dürfen Marken nicht wegen vermeintlichen Verfalls aus dem Markenregister gelöscht werden, wenn die betroffenen Marke noch für spezielle Waren genutzt wird. Diese Nutzung entfaltet nach Ansicht der Richter rechtserhaltende Wirkung auch hinsichtlich ähnlicher Waren der gleichen Kategorie.
Nadelstiche und Spitzen vor dem BGH
Ausgangspunkt des Karlsruher Urteils war die inzwischen schon über mehrere Jahre gehende Auseinandersetzung zweiter Unternehmen aus der Pharmabranche, die über die markenrechtliche Eintragung spezieller Injektionsspritzen streiten. Nachdem eine der beiden Firmen bereits 2012 die medizinischen Geräte unter der Bezeichnung „INJEX“ beim deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) hatte eintragen und veröffentlichen lassen, wehrte sich die Konkurrenz, welche vergleichbare Produkte unter der Marke „INJEKT“ vertreibt, gegen jene Eintragung. Das Verfahren mündete schließlich in einer Markenlöschungsklage vor dem Bundespatentgericht. Allerdings ohne Erfolg: Die Richter sahen in den beiden Bezeichnungen keine ausreichende Verwechslungsgefahr (BPatG, Beschluss v. 1.3.2019, Az. 28 W (pat) 29/16).
Von der Spezialität zum Oberbegriff
Jener Beschluss wurde nun dem Bundesgerichtshof vorgelegt, welcher diesen wiederum im Ergebnis an das Bundespatentgericht zurückwieß. Unter anderem wurde hier das Vorbringen eruriert, die strittige Marke sei inzwischen verfallen (BGH, Beschluss v. 6.2.2020, Az. I ZB 21/19). Wann eine Marke im Einzelnen verfallen, und damit aus dem Register zu löschen ist, regelt § 49 Markengesetz (MarkenG). Hier heißt es:
(1) Die Eintragung einer Marke wird auf Antrag für verfallen erklärt und gelöscht, wenn die Marke nach dem Tag, ab dem kein Widerspruch mehr gegen sie möglich ist, innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht gemäß § 26 benutzt worden ist. Der Verfall einer Marke kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn nach Ende dieses Zeitraums und vor Stellung des Antrags auf Erklärung des Verfalls eine Benutzung der Marke gemäß § 26 begonnen oder wieder aufgenommen worden ist.
Dem hielten die Richter in Karlsruhe jedoch Folgendes entgegen: Wird die Marke für einen speziellen Gegenstand (hier eine besondere Form der Injektionsspritzen) verwendet, entfaltet diese Verwendung rechtserhaltende Wirkung hinsichtlich vergleichbarer Waren, und damit faktisch auch für einen – nicht zu weit gefassten – Warenoberbegriff (hier Spritzen zu bestimmten medizinischen Zwecken):
Die für das Löschungsverfahren im Interesse der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Markeninhabers entwickelte Rechtsprechung zur Einschränkung von Oberbegriffen gilt nicht für das Markenverletzungsverfahren. Ist die Marke für einen weiten Warenoberbegriff eingetragen, ist sie in diesem Verfahren so zu behandeln, als sei sie nur für die konkret benutzten Waren registriert. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass der Schutz der Marke lediglich für das konkret vertriebene Einzelprodukt mit sämtlichen individuellen Eigenschaften (hier die speziellen Spritzen) besteht. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auch auf gleichartige Waren.
Die hier genannte entwickelte Rechtsprechung zu den Oberbegriffen lautet – verkürzt und hier in Bezug auf Arzneimittel – folgendermaßen:
Wird die ältere Marke lediglich für einen Teil der Waren, für die sie eingetragen ist, benutzt, so gilt sie zur Beurteilung der Warenähnlichkeit im Kollisionsfall lediglich für diesen Teil als eingetragen. Gibt es für die mit der Marke versehenen Arzneimittel verschiedener Anwendungsgebiete keinen gemeinsamen speziellen Begriff, kommt für die Beurteilung der Warenähnlichkeit im Kollisionsfall nur das jeweilige Mittel mit seinem Anwendungsbereich in Betracht (BGH, Urteil v. 29.6.2006, Az. I ZR 110/03).
Aus diesem Grund wurde die Marke nach Ansicht der Richter auch weiterhin gemäß § 26 MarkenG benutzt und war nicht verfallen, weswegen letztlich auch keine Löschung aus dem Markenregister vorgenommen wurde.
Fazit
Das Urteil besagt also, dass die Benutzung einer Marke für einen spezifischen Gegenstand auch den Schutz dieser Marke auf vergleichbare Waren erweitert. Einem etwaigen Verfall der Gesamtmarke wird also durch die Verwendung der Marke für ein spezielles Produkt auch im Hinblick anderer Erzeugnisse vorweggenommen. Um sich grundsätzlich vor dem Missbrauch der eigenen Marke durch die Konkurrenz zu schützen, sollte diese stets beim DPMA eingetragen werden. Weitere Informationen zum Schutz der eigenen Marke finden Sie außerdem hier: