Am 16.04.2019 entschied das Landgericht Münster: Apple muss den Erben eines verstorbenen iCloud-Nutzers Zugang zu den Inhalten gewähren, die der Verstorbene zu Lebzeiten in die iCloud hochgeladen hat. Apple hatte zuvor eine Anfrage der Erben abgelehnt, Einsicht in das Benutzerkonto des Verstorbenen zu erhalten.
Nachdem die Erben eines Familienvaters herausgefunden hatten, dass dieser einen Account bei dem Datenspeicherungsdienst von Apple unterhielt, baten sie die Firma um Einsicht in die iCloud und die darin gespeicherten Daten des Verstorbenen. Die Apple-Tochtergesellschaft Apple Distribution International UCL verweigerte jedoch die Anfrage, weswegen ein Miterbe des Verstorbenen Klage beim Landgericht Münster einreichte.
Bereits im vergangenen Juli hatte der Bundesgerichtshof ein wegweisendes Urteil bezüglich des Zugangsrechts von Erben zu einem Facebook-Konto gefällt. Der BGH hatte den Erben das Recht zuerkannt, Einblick in das Facebook-Konto verlangen zu können. Nun entschied das Landgericht, entsprechend dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass Apple den Erben des verstorbenen Familienvaters Einsicht in das vollständige Benutzerkonto des Erblassers in der iCloud und den darin vorgehaltenen Inhalten des Erblassers gewähren muss (LG Münster, Urteil v. 16.4.2019, Az. 014 O 565/18).
Dem Anspruch steht auch das postmortale Persönlichkeitsrecht nicht entgegen
Laut Gericht bestehe für die Erben ein Anspruch auf Zugangsgewährung aus § 1922 BGB in Verbindung mit dem Nutzungsvertrag mit Apple. Denn ein Zugangsgewährungsanspruch aus dem Nutzungsvertrag sei nach § 1922 BGB vererblich und ihm stünden weder das postmortale Persönlichkeitsrecht noch andere Rechte entgegen. Allerdings handelt es sich bei dem Urteil des Landgerichts nur um ein Versäumnisurteil, gegen das Apple innerhalb eines Monats Einspruch einlegen könnte.
In dem oben genanntem BGH-Urteil, auf das sich das Landgericht bezog, hatte es sich um die Frage gedreht, ob Erben ein Recht auf den Zugang zum Benutzerkonto des Erblassers bei Facebook haben. Die Eltern eines fünfzehnjährigen Mädchens hatten den Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter begehrt, um eventuelle Suizitgedanken als Ursache für den Tod ausschließen zu können. Hierzu berichteten wir bereits im Beitrag:
BGB: Digitaler Nachlass ist wie analoger Nachlass zu behandeln
Der Bundesgerichtshof hatte hier zugunsten der Erben geurteilt und erkannte diesen ein Zugangsrecht zum Facebook-Konto zu. Digitale Daten seien genauso zu behandeln, wie Briefe oder Tagebücher. Denn diese würden ebenfalls an die Erben vererbt, obgleich es sich dabei um höchstpersönliche Inhalte handle (BGH, Urteil v. 12.7.2018, Az. III ZR 183/17).
Nachdem Facebook sodann lediglich ein 14.000 Seiten PDF übermittelte, verhängte das Berliner Landgericht auf Antrag der Eltern ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 EUR gegen das soziale Netzwerk. Facebook sei seiner Verpflichtung nicht in ausreichender Form nachgekommen.
Ähnlichkeiten zwischen beiden Fällen
Wie Apple auf das Urteil des Landgerichts Münster reagieren und ob es den Erben den Zugang zu den Inhalten in der iCloud alsbald gewähren wird, bleibt abzuwarten. Der vorliegende Sachverhalt weist in jedem Fall Ähnlichkeiten zu dem Fall auf, der vor dem Bundesgerichtshof entschieden wurde. In beiden Fällen ging es um die Frage, ob digitale und unter Umständen höchstpersönliche Inhalte vererbbar sind.
Jedoch hatte es sich bei dem Facebook-Fall maßgeblich darum gedreht, ob durch die Einsichtnahme der Erben eine Verletzung der Chatpartner aufgrund des Fernmeldegeheinisses vorliegen könnte. Im Unterschied zu Facebook ist die iCloud aber kein sozieles Chatmedium, sondern lediglich ein Onlinespeicherdienst, bei dem Inhalte und Daten gespeichert werden können. Jedoch könnte die Frage auch hier relevant werden, wenn man beachtet, dass auch in einer Cloud Chatverläufe von Facebook, WhatsApp und Co. gespeichert werden können.
Fazit
Letzendlich spielt dies jedoch nur eine zweitrangige Rolle: Zum einen legte der BGH ohnehin fest, dass das Fernmeldegeheimnis nicht vor der Kenntnisnahme der Erben des Benutzerkontos schütze. Zum anderen kann schon der oben beschriebene Vergleich mit analogem Briefverkehr auf hiesigen Fall übertragen werden. Bei der konsequnten Berücksichtigung dieses Arguments, könnte man wohl auch hier darauf abstellen, dass alleine die Höchstpersönlichkeit von Inhalten noch kein Hindernis für die Möglichkeit der Vererbung darstellt.
Doch auch wenn als Argument herangeführt werden könnte, dass die Vererbbarkeit lediglich von dem Speichermedium bzw. der Verkörperung und somit vom Zufall abhängen würde, wenn auf Papier gedruckte Dokumente vererbbar wären, hochgeladene digitale Inhalte jedoch nicht, ist an dieser Rechtsprechung Kritik zu üben: Auch wenn eine gewisse Ungleichbehandlung zwischen analogen und digitalen Kommunikationsmedien vorläge, hätte man den Vorteil digitaler Konten, nämlich dass man sie tatsächlich sperren und Dritten den Zugang verwehren kann, nutzen können, um das Fernmeldegeheimnis zu stärken. Schließlich war der Verstorbene Adressat der Nachricht und nicht die Erben.