Der Senat hat der Google Inc. damit erstmals verboten, Nutzer über einen Hinweis am Ende der Suchergebnisseite auf ein bereits gelöschtes Suchergebnis in der Datenbank „LumenDatabase“ zu lenken (OLG München, Beschluss v. 7.6.2017, Az. 18 W 826/17).
Bei einer Zuwiderhandlung droht den Verantwortlichen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft.
Das Gericht hat einen Streitwert von 50.000,00 € festgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und kann im Wege der Widerspruchs angegriffen werden. Zusätzlich könnte Google die Antragstellerin zur Erhebung der Hauptsacheklage zwingen.
„Lumen“ – ein zweifelhaftes Projekt der Harvard University
Hintergrund der Entscheidung ist eine rechtlich bedenkliche Geschäftspolitik Googles. Danach werden rechtswidrige Google-Suchergebnisse zwar nicht mehr – unmittelbar – über Google, jedoch über einen Service namens „Lumen“ weiterhin über den folgenden Hinweis erreichbar gemacht. Dieser erscheint der unter den verbleibenden Suchergebnissen, wenn die betroffene Suchkombination eingegeben wird:
Nach einem Klick auf den Link gelangt der Suchende zu „Lumen“ – einem Projekt des „Berkman Klein Center for Internet & Society“, Harvard University. Dort sind dann gegebenfalls weitere Informationen über das Löschungsersuchen abrufbar. In einzelnen Fällen führt das zu der absurden Situation, dass Google ein Suchergebnis zwar von seiner Seite entfernt, gleichzeitig aber durch den Link zu „Lumen“ dafür sorgt, dass dies dort – einen Klick entfernt – doch weiterhin erreichbar ist.
Google löschte den Link zwar, er war auf Lumen jedoch weiterhin sichtbar
Im vorliegenden Fall hatte die Antragstellerin die Entfernung eines Suchergebnisses aus dem Index vor dem Landgericht München I erstreiten müssen, nachdem sich Google zunächst außergerichtlich geweigert hatte, der Bitte nachzukommen. Google entfernte das Ergebnis später zwar, blendete jedoch diesbezüglich einen Hinweis der oben ersichtlichen Art ein. Interessierte Suchende konnten so auf der Webseite LumenDatabase.org den Link, der von Google entfernt worden war, weiterhin zur Kenntnis nehmen.
Skurrile Transparenzbemühungen
Den Hinweis auf diesen Missstand beantwortete Google mit einem seiner berühmten-berüchtigten – vom Einzelfall losgelösten – Textbausteinen und betonte das Tranzparenzgebot, welches man sich gegenüber den Nutzern verpflichtet fühle. Außerdem könne man – falls die Veröffentlichung bei Lumen als störend empfunden werde – , die ursprüngliche Bitte gegenüber Google auf Entfernung einfach wieder zurücknehmen. Dann verschwinde auch der Hinweis auf Lumen wieder. Google blende die rechtsverletzenden Inhalte aber natürlich wieder ein:
„Wir verstehen Ihre Bedenken. Für Google hat Transparenz gegenüber unseren Nutzern jedoch höchste Priorität, weshalb wir die Nutzer auch über entfernte Inhalte aus unseren Suchergebnissen informieren. Dieses Transparenzgebot umfasst ebenfalls das Senden von Entfernungsanfragen an Lumen. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter http://googleblog.blogspot.com/2012/03/our-approach-to-free-expression-and.html. Bestimmte personenbezogene Daten wie Ihre Telefonnummer und E-Mail-Adresse werden aus den Meldungen gelöscht, bevor sie online veröffentlicht werden.
Wenn wir eine Suchergebnisseite zeigen, von der Inhalte entfernt wurden, informieren wir die Nutzer der Suche über die Entfernungsmaßnahme und stellen einen Link zu der Meldung bereit, die auf der Website von Lumen veröffentlicht wurde. Falls in den Google-Suchergebnissen nicht mehr auf diese Meldung verwiesen werden soll, können Sie Ihre ursprüngliche Meldung zurückziehen. In diesem Fall haben wir die Möglichkeit, die zuvor von unseren Ergebnisseiten entfernten Inhalte wieder einzustellen und Lumen über Ihre Entscheidung, die Meldung zu widerrufen, zu informieren.“
OLG München erlässt einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung, mit Begründung
Diese geradezu kafkaeske Situation wollte die Antragstellerin verständlicherweise nicht hinnehmen. Sie beantragte daher eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht München I.
Nachdem das Landgericht München I den Antrag auf einstweilige Verfügung noch zurückgewiesen hatte, erließ das Oberlandesgericht München die einstweilige Verfügung nach einer sofortigen Beschwerde nicht nur unverzüglich, sondern auch mit einer ausführlichen Begründung.
Das Oberlandesgericht war mit der Antragstellerin der Auffassung, dass deutsches Recht anwendbar ist, das Suchergebnis bzw. das „Snippet“ zusammen mit der verlinkten Internetseite eine unwahre und rufschädigende Tatsachenbehauptung enthielt und Google auch für die weitere Zugänglichachung des Links auf www.lumendatabase.org wegen der Verletzung von Prüfungspflichten dafür jedenfalls als mittelbarer Störer hafte.
Bezüglich der Einzelheiten der Entscheidung und deren Beweggründe verweisen wir auf die sorgfältige Begründung des OLG München, der nichts hinzuzufügen ist.
Fazit:
Es ist zu hoffen, dass Google die Entscheidung zum Anlass nimmt, nicht nur Verantwortung für die bei sich gelisteten Suchergebnisse zu übernehmen, sondern es darüber hinaus unterlässt, die Rechtsverletzung durch den Hinweis auf Webseiten Dritter, auf denen der Link sichtbar gemacht bliebt, zu perpetuieren.
Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Antragstellerin vertreten.