In einem Fernsehbericht brachte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) einen Erfurter Gastwirt mit der italienischen Mafia ‚Ndrangheta in Verbindung. Der Gastwirt wehrte sich gegen die Verdachtsberichterstattung und verlangte eine Geldentschädigung sowie den Ersatz seiner Rechtsanwaltskosten.
Im November 2015 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) den Fernsehbericht „Provinz der Bosse – Die Mafia in Mitteldeutschland“, der über die Aktivitäten der italienischen Mafia in Mitteldeutschland informiert, aus. In dem Bericht wurde die Behauptung aufgestellt, dass der Erfurter Gastwirt Mitglied der ‚Ndrangheta – eine der größten Mafiagruppierungen in Deutschland – sei. Zwar wurde der Gastwirt anonymisiert dargestellt, dennoch war er zumindest für einen beschränkten Personenkreis identifizierbar.
Neben der Ausstrahlung im Fernsehen war der Bericht in der Mediathek des MDR abrufbar. Darüber hinaus hatten Dritte die Sendung zeitweise auf YouTube verbreitet.
Der Gastwirt sah sich in seiner Reputation geschädigt und nahm den MDR sowie die beteiligten Journalisten wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch. Des Weiteren verlangte er die Erstattung von Rechtsanwaltskosten aufgrund der vorgerichtlichen Abmahnung.
Landgericht Erfurt sprach dem Gastwirt die Erstattung der Rechtsanwaltskosten zu
Die erstinstanzliche Klage des Gastwirts hatte vor dem Landgericht Erfurt nur teilweise Erfolg. Die Erfurter Richter verurteilten den MDR zur Zahlung der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten. Eine Geldentschädigung wurde dem Gastwirt darüber hinaus hingegen nicht zugesprochen (LG Erfurt, Urteil v. 30.06.2017, Az. 3 O 1118/16).
Sowohl der Gastwirt als auch der MDR legten gegen das Urteil Berufung ein. Die Klage gelangte vor das Thüringer Oberlandesgericht.
OLG Thüringen wies die Klage insgesamt ab
Vor dem Thüringer Oberlandesgericht konnte jedoch lediglich der MDR mit seiner Berufung einen Erfolg verbuchen. Der siebte Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Jena wies die Klage des Gastwirts insgesamt ab.
Der Senat erblickte nach Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalls keine Rechtsgrundlage für die Zubilligung einer Geldentschädigung. Der MDR habe zwar durch seine Verdachtsberichterstattung die Persönlichkeitsrechte des Gastwirts verletzt, die Verletzung sei aber nicht so schwerwiegend, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich sei – so die Richter aus Jena.
Berechtigte Verdachtsberichterstattung
Das Gericht habe hierbei berücksichtigt, dass der Gastwirt zwar anonymisiert, aber dennoch für einen beschränkten Personenkreis identifizierbar dargestellt wurde. Die Behauptung, der Gastwirt gehöre zu der Mafia, sei aber durchgängig nicht als bewiesene Tatsache, sondern lediglich als Verdacht dargestellt worden.
Zu einer solchen Verdachtsberichterstattung sei der MDR auch berechtigt gewesen. In der erforderlichen Abwägung – zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Gastwirts und der Meinungsfreiheit des MDR – habe der Senat weitere Gesichtspunkte einbezogen.
Weiterhin habe der Gastwirt auch keinen Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten, da der MDR die gegenständlichen Kosten nicht zurechenbar verursacht habe. Der Presse entstehe andernfalls ein unkalkulierbares Kostenrisiko. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung ist diesbezüglich noch nicht ergangen, sodass der Senat die Revision gegen sein Urteil zugelassen hat (Thüringer OLG, Urteil v. 21.02.2018, Az. 7 U 471/17).
Quelle: Pressemitteilung Thüringer Oberlandesgericht vom 22.02.2018
Fazit
Der Volltext der Entscheidung lag dem Autor zu dem Zeitpunkt des Verfassens des Artikels nicht vor, sodass eine ausführliche Bewertung des Urteils nicht möglich ist. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass dem Gastwirt kein Geldentschädigungsanspruch durch die Gerichte zugebilligt wurde.
Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt nämlich nur bei Vorliegen strenger Voraussetzungen in Betracht. Diese liegen nur dann vor, wenn Unterlassungs-, ein Berichtigungs- und Gegendarstellungsansprüche nicht mehr ausreichen, um die Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung auszugleichen. Außerdem müssen eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts und ein unabwendbares Bedürfnis nach einer Geldentschädigung vorliegen. Dies wird grundsätzlich bei grober Verletzung des Persönlichkeitsrechts (zB. bei der Veröffentlichung von Nacktbildern oder Aufnahmen, zu denen sich befugt Zutritt zu einem Grundstück verschafft wurde oder Tagebuchaufzeichnungen) angenommen.
Ein prominenter Fall, in welchem dem Geschädigten eine Entschädigung zugesprochen wurde, ist der Fall des Altkanzlers Kohl und der „Kohl-Protokolle“. Das Landgericht Köln sprach dem Altkanzler im Jahr 2017 eine Rekordsumme von einer Million Euro zu.