Immer wieder berichten wir über Fälle unlauterer Werbung von „Anlegerschutzkanzleien“ oder anderer Medien, die sich – tatsächlich oder nur vorgeblich – dem Verbraucherschutz verschrieben haben.
Kapitalanlagerecht ist für geschäftstüchtige Anwälte ein lukratives Feld.
Aufgrund der oft hohen Investitionssummen existieren dementsprechend zahlreiche potentielle Mandanten, deren “Betreuung” aufgrund der Vergleichbarkeit der Fälle keine individuell abgestimmte anwaltliche Arbeit im Einzelfall erfordert, sondern oft mithilfe von vorgefertigten Schreiben und Klageschriften “geleistet” werden kann. Hinzukommt, dass viele Anleger eine Rechtsschutzversicherung haben, die die Kosten der anwaltlichen Beratung – unabhängig von deren Erfolg – übernehmen.
Aktuelles Urteil: „Anlegerschutzanwalt“ nannte falsches Unternehmen in Mandantenwerbung
In einem mittlerweile seit über 2 Jahren andauernden Verfahren hatte eine uns bereits aus zahlreichen anderen Fällen bekannte Anlegerschutzkanzlei “zurückschlagen” wollen und vor einem Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen eine unserer Mandanten aufgrund einer vermeintlich fehlerhaften Pressemitteilung erwirkt. In der von der Kanzlei ihrerseits eilig abgesetzten Pressemitteilung (Mandantenwerbung) benannte man dann aber aus Versehen nicht unsere Mandantin, sondern ein anderes Unternehmen, das mit dieser Falschbehauptung natürlich nicht einverstanden war.
Die nach erfolgloser Abmahnung beantragte einstweilige Verfügung wegen unlauterer, da herabsetzender Werbung, erließ das Landgericht abermals umgehend (LG Hamburg, Beschluss v. 2.6.2016, Az. 312 O 247/16). Bei Zuwiderhandlung droht der Kanzlei ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Streitwert wurde mit 20.000 EUR festgesetzt. Wir berichteten hier:
Anwalt weigert sich, Abschlusserklärung abzugeben
Da die Anlegerschutzkanzlei sich weigerte, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen, wurde ein Hauptsacheverfahren notwendig. Das Landgericht Hamburg verurteilte die Kanzlei und auch die dort tätigen Anwälte persönlich sowohl zur Unterlassung als auch zur Zahlung der Kosten des Abmahn- und Abschlussschreibens (LG Hamburg, Urteil v. 28.8.2018, Az. 312 O 410/16).
Bewusst oder zweifelsfrei unwahre Behauptungen unterfallen nicht der Meinungsfreiheit
Das Gericht war auch nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und demnach auch nach Anhörung der Gegenseite mit der Klägerin der Auffassung, dass die Aussage, dass eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin erlassen worden sei, rechtswidrig war.
Das Gericht betont, dass vom Grundrecht der Meinungsfreiheit zwar Werturteile und Tatsachenbehauptungen geschützt seien, soweit sie meinungsbezogen sind. Bewusst unwahre Tatsachen oder Tatsachen, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung zweifelsfrei feststeht, fielen aber nicht unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz.
Bei Zuwiderhandlung droht der Kanzlei und den betreffenden Anwälten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Streitwert wurde mit 20.000,00 € festgesetzt.
Rechtsanwalt Arno Lampmann von der Kanzlei LHR:
“Man kann es nicht oft genug sagen: Manchmal gibt es gute Gründe, an den Erfolgsaussichten eines Investments zu zweifeln. Diese müssen noch nicht einmal in einem bösen Willen des Anbieters liegen. Eine anwaltliche Beratung ist daher oft ein empfehlenswerter Schritt. Die Hartnäckigkeit, mit der bestimmte Kanzleien unter Missachtung gesetzlicher Vorschriften Werbung um Mandate betreiben, zeigt allerdings auch, wie lukrativ das Geschäftsfeld „Anlegerschutz” ist. Der Anwalt verdient die Gebühren nämlich unabhängig vom Ergebnis der von ihm durchgeführten „Beratung“, die häufig zudem von Rechtsschutzversicherungen übernommen werden. Umso erfreulicher ist es, dass die Gerichte die Belange der betroffenen Unternehmen ernst nehmen, und rechtswidrige Maßnahmen umgehend unterbinden.“