Das Landgericht Köln (LG Köln, Beschluss v. 17.10.2023, Az. 31 O 271/23) hat auf Antrag von LHR eine einstweilige Verfügung zu Gunsten einer „Löschagentur“ erlassen.
Damit wird einer Anwaltskanzlei untersagt, die Leistungen der Agentur pauschal als „unseriös“ zu bezeichnen und zu behaupten, „die Bewertungslöschung durch Nichtanwälte ist eine illegale Rechtsberatung im Sinne des § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz“.
Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise bis zu 6 Monate Ordnungshaft. Die
Bedrohung LegalTech
Nicht wenige aus der Anwaltschaft sehen in den jungen, aufstrebenden und inzwischen gar nicht mehr so wenigen LegalTech-Unternehmen eine ernsthafte Bedrohung. In Bereichen, wo Anwälte selbst nur einfachste und teils automatisierte Dienstleistungen anbieten, ist diese Sorge durchaus berechtigt. Denn es gibt tatsächlich Bereiche, in denen – anders als in der eigentlichen Anwaltsarbeit, wo jeder Fall anders gelagert ist und individuell rechtlich geprüft werden muss – Prozesse standardisiert werden können und letztlich keine rechtliche Prüfung im Einzelfall mehr erfordern. Hier sind Anwälte tatsächlich ohne weiteres ersetzbar.
„Löschagenturen“ vs. „Löschanwälte“
In den vergangenen Jahren ist eine Branche entstanden, welche Dienstleistungen zur Löschung negativer Bewertungen zu Preisen von weniger als 50 EUR pro beanstandeter Bewertung anbietet. Auf dem Markt stehen sich etwa eine Hand voll Rechtsanwälte (im Folgenden „Löschanwälte“) und zahlreiche LegalTech-Unternehmen (im Folgenden „Löschagenturen“) direkt gegenüber.
Die Löschanwälte versuchen bereits seit mehreren Jahren, die Löschagenturen vollständig vom Markt zu verdrängen. Dies einerseits durch kollusiv geführte Verfügungs- und Klageverfahren sowie „Stellvertreterverfahren“ (dazu demnächst mehr). Doch auch im Rahmen der Bewerbung ihrer eigenen Leistungen stellen die Löschanwälte ihre Kontrahenten in z.T. unsachlicher und damit wettbewerbswidriger Art und Weise dar.
Unlautere Anwaltswerbung, pauschale Vorwürfe
So hatte etwa eine Rechtsanwaltskanzlei, welche ebenfalls mit standardisierten Prozessen negative Bewertungen mit dem Ziel der Löschung beanstandet, Löschagenturen auf ihrer Website zur Bewerbung des eigenen Angebots pauschal als „unseriös“ bezeichnet und behauptet „Die Bewertungslöschung durch Nichtanwälte ist eine illegale Rechtsberatung im Sinne des § 2 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz“.
Diese werblichen Angaben hat das Landgericht Köln in dem oben erwähnten Beschluss verboten. In erfrischender Deutlichkeit hat die 31. Zivilkammer festgestellt, dass das (standardisierte) Beanstanden einer negativen Bewertung keine rechtliche Prüfung im Einzelfall erfordert und damit keine Rechtsdienstleistung darstellt. Die Behauptung der Anwälte, Angebote wie das unserer Mandantin seien illegal, hat das Gericht als eindeutig falsch und unlauter qualifiziert. Auch die Bezeichnung als „unseriös“ hat das Gericht als unlautere Herabsetzung eingestuft.
Der Beschluss ist noch nicht rechts- oder bestandskräftig. Rechtsmittel sind der Gegenseite (Löschanwälte) möglich.
Warum Anwälte LegalTech-Portale nicht fürchten sollten
Der Fall bestätigt die Thesen, die ich schon vor 4 1/2 Jahren bei legal-tech.de hier aufstellen durfte.
Die Erfolgsaussichten des Vorgehens von Anwälten gegen legal tech-Angebote werden in Zukunft weiter sinken. Denn der technologische Fortschritt wird es durch ausgefeilte Algorithmen bis hin zur künstlichen Intelligenz in immer mehr Rechtsgebieten Rechtssuchenden ermöglichen, ihre Rechtsschutzziele schnell, effektiv und kostengünstig zu erreichen. Der so immer einfacher werdende Zugang zum Recht ist offensichtlich ein erstrebenswertes Ziel. Gesetze und Rechtsprechung werden sich daher dementsprechend anpassen.
LegalTech-Portale sind keine Konkurrenz für klassische Kanzleien
Die Anwaltschaft muss diesen Trend jedoch nicht fürchten. Denn es ist davon auszugehen, dass ein Mandat beispielsweise im Bereich der Flugkostenerstattung von einer klassischen Anwaltskanzlei schon seit jeher nicht kostendeckend bearbeitet werden konnte. Wenn diese Mandanten nun die oben beschriebenen Anbieter in Anspruch nehmen, entsteht der Anwaltschaft kein beklagenswerter Verlust.
Eine individuelle rechtliche Beratung und Betreuung wird weiterhin ihre Existenzberechtigung behalten. Wohl verstandene anwaltliche Arbeit fing schon immer erst da an, wo die bloße Sachbearbeitung aufhört.