Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 27.10. 2011 entschieden, dass die DENIC, eine Genossenschaft, die die Domainnamen mit der Top-Level-Domain „.de“ vergibt, in Fällen eindeutigen Missbrauchs dazu verpflichtet ist, Domainnamen zu löschen.
Was geschehen war:
Der Freistaat Bayern hatte die DENIC verklagt, bestimmte Registrierungen unter der Top-Level-Domain „.de“ zu löschen. Bei diesen sechs streitgegenständlichen Domainnamen handelte es sich jeweils um solche Registrierungen, die aus dem Wort „regierung“ und dem Namen jeweils einer der Regierungsbezirke des Freistaats Bayern gebildet wurden („regierung-oberfranken.de“). Alle vom Rechtsstreit betroffenen Domainnamen waren von Unternehmen mit Sitz in Panama bei der DENIC angemeldet worden.
Der Freistaat Bayern hat sein Staatsgebiet in sieben Regierungsbezirke eingeteilt und dementsprechend auch verschiedene Domeinnamen angemeldet, die den Domainnamen der Unternehmen aus Panama zum Verwechseln ähnlich sind(„regierung.oberfranken.bayern.de“). Die Anmeldungen aus Panama mit eindeutigem Bezug zum Freistaat wollte man sich dementsprechend nicht so einfach gefallen lassen. Und da die DENIC einer entsprechenden Aufforderung zur Löschung der Domains nicht nachkam, wurde Klage eingereicht.
Sowohl das für die Klage aufgrund des Sitzes der DENIC in Frankfurt am Main zuständige Landgericht als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gaben der Klage des Freistaates Bayern statt.
In der Folgezeit wurden die streitgegenständlichen Domainnamen gelöscht und für den Freistaat Bayern registriert. Und obwohl der Freistaat Bayern sein Ziel voll erreicht hatte, die DENIC aus rechtlicher Sicht kapituliert und die Domains gelöscht hatte und auch von den Unternehmen in Panama keine Gegenwehr mehr zu erwarten war, mündete der gesamte Rechtsstreit aufgrund einer prozessualen Regelung doch noch in einem höchstrichterlichen Urteil. Der Freistaat Bayern erkärte den Rechtstreit nach der Löschung der Domainnamen durch die DENIC für erledigt. Da sich die DENIC als Beklagte dieser Erledigungserklärung aber nicht anschloß, musste nach den Vorgaben der Zivilprozessordnung darüber entschieden werden, ob die Klage ursprünglich begründet war.
Mit seinem Urteilsspruch vom 27.10.2011 entschied der Bundesgerichtshof, dass die Klage gegen die DENIC von Anfang an begründet war und die DENIC dementsprechend die gesamten, nicht unerheblichen Kosten des Rechtsstreits tragen muss.
Im Ergebnis ist das Urteil eine Bestätigung einer vorherigen Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahre 2001. Mit Urteil vom 17.05.2001 hatte der Bundesgerichtshof in der „ambiente.de“-Entscheidung festgestellt, dass die DENIC, die die Registrierungen der Domainnamen ohne Gewinnerzielungsabsichten vornimmt, keine Prüfungspflichten bei der Registrierung treffen, da diese nach einem automatisierten Verfahren vorgenommen werden und allein nach Prioritätsaspekten erfolgen.
Das Urteil stellte weiterhin klar, dass die DENIC selbst in dem Fall, in dem sie auf eine mögliche Rechtsverletzung hingewiesen wird, nur äußerst eingeschränkte Prüfungspflichten obliegen. So besteht für die DENIC nach einem solchen Hinweis nur in dem Fall eine Löschungspflicht des Domainnamens, in dem die Rechtsverletzung offenkundig und für die DENIC ohne weiteres feststellbar ist.
Zu dieser eigenen, konkreten und dennoch undeutlichen Vorgabe hat der Budnesgerichtshof in seinem aktuellen Urteil nunmehr einen Sachverhalt gefunden: Bei den streitgegenständlichen Domainnamen, auf deren Verletzung der Freistaat Bayern die DENIC hingewiesen hatte, handelt es sich um offizielle Bezeichnungen der Regierungen bayerischer Regierungsbezirke, welche grundsätzlich auch nur von den betroffenen staatlichen Stellen genutzt werden.
Aufgrund eines entsprechenden Hinweises kann nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs auch ein Sachbearbeiter der DENIC, dessen Verhalten sich die DENIC zurechnen lassen muss, ohne weiteres erkennen, dass eine Anmeldung durch private Unternehmen in Panama eindeutig missbräuchlich ist. Besondere namensrechtliche Kenntnisse seien für diese offenkundige Erkenntnis nicht erforderlich, weshalb die DENIC die streitgegenständlichen Domainnamen bereits unmittelbar nach dem Hinweis durch den Freistaat Bayern hätte löschen müssen.
Dass die Bayern es mit ihren ureigenen Bezeichnungen sehr ernst nehmen und sich eine Nutzung durch unbefugte Dritte niemals gefallen lassen würden, haben wir bereits an anderer Stelle berichtet. (ha)