Das „Notice and Taktdown“-Verfahren gibt es auch in Deutschland
Es geht um das in Grundzügen auch Deutschland praktizierte Verfahren, mit dem Bereitsteller fremder Inhalte (Host-Provider) vom Rechteinhaber auf Rechtsverletzungen auf der jeweiligen Plattform (z.B. eBay, Facebook, Google oder eben auch YouTube) aufmerksam gemacht und damit haftungsbegründend in Kenntnis gesetzt werden können.
Ähnlich wie in dem von der deutschen Rechtssprechung entwickelten Modell der Störerhaftung, ist auch in den USA nach dem 1998 von Bill Clinton in Kraft gesetzten DMCA (Digital Millennium Copyright Act) unter Section 512(c) Safe Harbor Provision geregelt, dass Service-Provider wegen Urheberrechtsverletzungen dann nicht haften, wenn sie – vereinfacht gesagt – keine Kenntnis von der Rechtsverletzung haben und im Falle der Kenntniserlangung das betreffende Material unverzüglich entfernen.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Inkenntnissetzung durch den Rechteinhaber ist die Bestätigung gem. Section 512(c) 3.A.(v), dass diese in gutem Glauben an die mangelnde Berechtigung bzw. die Rechtswidrigkeit der Nutzung erfolgt.
eBay hat dieses Verfahren als US-amerikanisches Unternehmen zum Beispiel im Rahmen seines „VeRI-Programms“ entsprechend den Vorgaben des DMCA auch in Deutschland umgesetzt.
Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke kann unter „fair use“ zulässig sein
Das US-amerikanische Berufungsgericht für den 9. Gerichtsbezirk hat nun entschieden, dass zu dieser Nutzungsberechtigung auch die dem US-Amerikanischen Recht eigene „fair use“-Regelung zählt und Rechteinhaber diese bei ihren Meldungen berücksichtigen müssen.
Danach kann die Wiedergabe urheberrechtlich geschützten Materials zum Zwecke der Kritik, der Stellungnahme, der Berichterstattung, der Bildung und der Wissenschaft ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Urhebers zulässig sein. Ob eine Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials angemessen ist oder nicht, ist im Einzelfall abzuwägen. Eine gute Einführung zu „fair use“ gibt Wikipedia.
Mutter wehrte sich gegen Löschung eines Kindervideos: Lenz vs. Universal Music
In dem vom Gericht behandelten Fall ging es um einen Sachverhalt, wie er seit der Existenz der Videoplattform YouTube täglich millionenfach passiert: Nutzer laden selbstgemachte Videos hoch, die mit ihrer Lieblingsmusik hinterlegt sind. Hier hatte eine Mutter — Stephanie Lenz — ein Video ihrer Kinder hochgeladen, in dem diese in der Küche spielen und zum Lied Let’s Go Crazy von Prince singen und tanzen. An einer Stelle im Video fragt die Mutter ihren 13 Monate alten Sohn, wie er die Musik finde, worauf dieser im Takt auf und ab wippt und ein Plüschtier hochhält. Währenddessen ist im Hintergrund deutlich die Musik von Prince zu hören. Das Video kann hier angesehen werden.
Universal Music, das Unternehmen, das die Rechte von Prince verwaltete, meldete das Video als rechtsverletzend an YouTube im Rahmen einer „Takedown Notification“, hatte aber vorher nicht explizit geprüft, ob die konkrete Verwendung unter „fair use“ zulässig sein könnte. YouTube löschte das Video daraufhin.
Rechteinhaber schulden Schadensersatz bei unberechtigter Löschung
Die Mutter wehrte sich gegen die Löschung und erreichte, dass das Video wiederhergestellt wurde. Zusätzlich reichte sie eine Klage gem. Section 512(f) gegen Universal Music wegen falscher Angaben in der Löschungsaufforderung gegen YouTube ein. Danach kann derjenige, der von einer unberechtigten Löschung betroffen ist, vom Rechteinhaber Schadensersatz und Erstattung seiner Anwaltskosten verlangen (Eine Idee übrigens, die der deutsche Gesetzgeber ähnlich in § 97a Abs. 4 UrhG umgesetzt hat. Dort ist geregelt, dass der wegen einer vermeintlichen Urheberrechtsverletzung unberechtigt Abgemahnte Schadensersatz verlangen kann.)
Nachdem die erste Instanz die Klage abgewiesen hatte, entschied das Berufungsgericht, dass der Rechteinhaber vor der Löschungsmitteilung mit Hinblick auf seinen „guten Glauben“ an die Rechtsverletzung sorgfältig prüfen müsse, ob die betreffende Nutzung unter „fair use“ fallen könnte. Ein Jury müsse dann im Ernstfall prüfen, ob die Prüfungsbemühungen ausreichend waren oder nicht, um den „guten Glauben“ herzustellen.
Kein Schadensersatz: Universal Music handelte nicht grob fahrlässig
Im Ergebnis hatte die Klage der Mutter dennoch keinen Erfolg, da das Gericht der Meinung war, dass ein lediglich leicht fahrlässige Fehleinschätzung des Rechtsinhabers der Frage, ob ein Fall des „fair use“ vorliegen könnte, nicht ausreicht, um den „guten Glauben“ zu erschüttern. Frau Lenz habe nicht darlegen können, dass Universal Music seine Prüfpflichten grob fahrlässig verletzt hatte. Interessanterweise musste das Gericht keine Feststellungen zur Frage der „fair use“ als solche treffen.
Das Gericht gibt den Rechteinhaber auch eine Anleitung mit, wie bei der Prüfung rechtsverletzenden Materials vorgegangen werden sollte, um den Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden. Während keine intensive Prüfung durchgeführt werden müsse, spreche aber viel dafür, dass neben automatischen Filtersystemen auch eine manuelle Prüfung notwendig sein könne.
Was hat das mit dem eBay-VeRI-Programm zu tun?
Auch in Deutschland sind die Betroffenen den Löschungen vermeintlich rechtswidriger Veröffentlichungen nicht schutzlos ausgeliefert. In unserer Beratungspraxis geht es weniger um Privatpersonen, die sich gegen Löschungen wehren möchten, sondern um Onlinehändler, sie sich ungerechtfertigten Sperrungen ihrer Angebote auf eBay, Amazon etc. ausgesetzt sehen.
Bereits 2013 haben wir eine anzeigende Firma – einen, nach eigenen Angaben, registrierten „Hersteller, Distributor und Erstinverkehrbringer“ des im Ausland ansässigen Markeninhabers – wegen Behinderungswettbewerbs bzw. eines Eingriffs in den ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb in Anspruch genommen und eine einstweilige Verfügung gegen sie erwirkt. Das angerufene Landgericht Bremen gab der Antragsgegnerin auf,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
gegenüber dem Betreiber der Internetplattform eBay wörtlich oder sinngemäß, insbesondere im Rahmen des von eBay bereitgestellten Verifizierten Rechteinhaber-Programms (VeRI) zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, dass der Antragsteller durch seine auf eBay eingestellten Angebote die Wort-/Bildmarke […] verletze und/oder solche Behauptungen Dritter an den bezeichneten Empfänger weiterzuleiten, wie dies insbesondere in Bezug auf das aus Anlage ASt1 ersichtliche Angebot des Antragstellers geschehen ist.
Details können hier nachgelesen werden.
(la)