Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist seit dem 1.1.2018 in Kraft. Dieses dient vorrangig der Bekämpfung von sogenanntem „Hate-Speech“-Content im Internet. Darunter fallen offenkundig strafbare Inhalte, wie volksverhetzende oder rassistische Aussagen. Das Gesetz verpflichtet die Betreiber von Plattformen, derartige Veröffentlichungen innerhalb einer bestimmten Frist und unter Androhung von teils hohen Geldstrafen zu löschen. Nach Ansicht zweier FDP-Politiker schränkt das NetzDG so die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit ein.
Das NetzDG zum Schutz gegen strafbare Inhalte im Internet
Das unter dem damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas entworfene Gesetz soll neben „Hate-Speech“-Content auch Fake-News im Internet entgegenwirken. Bei offenkundig strafbaren Inhalten werden die Betreiber von Plattformen im Netz verpflichtet, diese innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Bei Grenzfällen kann diese Frist auf bis zu 7 Tagen verlängert werden. Wird dem nicht rechtzeitig nachgekommen, drohen möglicherweise Geldstrafen bis zu mehreren Millionen Euro. Betroffen hiervon sind primär Seiten, auf denen eine öffentliche Kommunikation zwischen einer Vielzahl von Nutzern stattfindet. Hierunter fallen soziale Netzwerke wie Facebook oder auch öffentliche Foren und Portale. Der Schutzbereich des NetzDG erfasst dabei keine private Individualkommunikation zwischen Einzelpersonen. Zur Anwendbarkeit des Gesetzes auf Messenger-Dienste wie WhatsApp und ähnlichen berichteten wir bereits:
NetzDG erntet harsche Kritik
Das NetzDG hat bereits kurz nach Inkrafttreten teilweise herbe Kritik geerntet. So wird seitens der FDP-Politiker Jimmy Schulz und Manuel Höferlin angenommen, dass die starren Fristen und teils sehr hohen Geldbußen zu überhasteten Löschungen führen. Plattformbetreiber würden grenzwertige Inhalte lieber entfernen, als das Risiko einer Strafzahlung einzugehen. Das könne dazu führen, dass an sich von der Meinungsfreiheit gedeckte Beiträge gesperrt werden. Dieses sogenannte „Overblocking“ führe so zu einer harten Zensur, und damit zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Auch andere Kritiker sehen in dem Gesetz eine Einschränkung des Grundrechts aus Artikel 5. Für eine fundierte Würdigung von Inhalten müsse eine interessengerechte Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht vorgenommen werden. Insbesondere bei der Abgrenzung zwischen zulässiger Satire und bloßer Schmähkritik sei dies der Fall. Angesichts der kurzen Fristen und harten Strafzahlungen werde dies erheblich erschwert.
Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sieht in dem Gesetz eine weitere Gefahr. Die grundsätzlich hoheitliche Aufgabe der Bewertung und Löschung strafbarer Inhalte werde durch das NetzDG auf die privaten Plattformbetreiber abgewälzt.
Bundesregierung verteidigt Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Das Bundesjustizministerium sieht in dem Gesetz keine Übertragung der hoheitlichen Aufgabe zur Überwachung und Entfernung auf die Anbieter. Der Maßstab, was gelöscht werden muss und was nicht, werde nicht von den sozialen Plattformen gesetzt. Diesen legten vielmehr die entsprechenden Straftatbestände fest. Das NetzDG schaffe insofern keine neuen Löschpflichten, sondern stelle die Einhaltung der bereits bestehenden Regulierungen sicher. Die strafrechtliche Verfolgung obliege dabei weiterhin den zuständigen Behörden.
Schulz und Höferlin erheben Klage vor dem Frankfurter Verwaltungsgericht
Die FDP-Politiker Schulz und Höferlin haben nun vor dem VG Frankfurt Klage gegen das Gesetz erhoben. Diese zielt auf die Feststellung ab, dass die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Unternehmen unter Androhung von Strafgeldern keine Löschungen verlangen darf. Hauptargument der Kläger ist dabei die vermeintliche Einschränkung der Meinungsfreiheit durch das auf den festgesetzten Fristen und drakonischen Geldstrafen beruhende „Overblocking“.
Ob die Klage der Politiker tatsächlich Erfolg haben wird ist aktuell noch offen. Dagegen spricht, dass das NetzDG faktisch keine neuartigen Pflichten zur Löschung von Inhalten schafft. Strafbare Beiträge und Aussagen mussten von den Betreibern auch vor Inkrafttreten entfernt werden, die Strafverfolgung ist nach wie vor Aufgabe des Staates. § 1 Abs. 3 des NetzDG verweist auf Vorschriften des StGb, die bereits vor dem 1.1.2018 existierten:
§ 1 Anwendungsbereich
(1) (…)(2) (…)
Außer Spesen nichts gewesen
Auch hinsichtlich der Fristen hat sich nichts grundlegendes verändert. Vor Verabschiedung des NetzDG existierten zwar keine gesetzlich festgelegten Zeiträume, in denen Anbieter strafbare Veröffentlichungen aus dem Netz nehmen mussten. Demnach wurde je nach Einzelfall bewertet, ob ein Betreiber die zu löschen Inhalte rechtzeitig entfernt hatte. Abhängig von Größe der Plattform und Offenkundigkeit der Rechtsverletzung konnten die zulässigen Zeiträume von einigen Stunden bis zu wenigen Tagen reichen.
Die größte Änderung zur vormaligen Rechtslage sind die teils sehr hoch angesetzten Geldbußen. Angesichts dieser ist es durchaus denkbar, dass es vereinzelt zum „Overblocking“ kommen könnte. Betreiber dürften in einigen Fällen anstelle von fundierten Abwägungen eher auf „Nummer sicher gehen“, um Bußgelder zu vermeiden. Insofern könnte die Rechtsprechung zu dem Ergebnis kommen, dass das neue Gesetz die Meinungsfreiheit einschränkt. In jedem Falle halten sich die betroffenen Plattformen wie Facebook und ähnliche aktuell strikt an das NetzDG. Wir berichteten:
Nach Ansicht der Grünen-Politikerin Renate Künast ist eine Klage im konkreten Falle ohnehin der falsche Weg. „Das NetzDG ist zum Ende der vergangenen Legislaturperiode durch den Bundestag gepeitscht worden. Es geht jetzt darum, in einem geordneten Verfahren die Scherben aufzukehren und nicht um mediale Aufmerksamkeit. So bläst die FDP gemeinsam mit der AfD in ein populistisches Horn“.
Bis zu einem finalen Urteil in Frankfurt dürfte noch einige Zeit vergehen. Man darf also gespannt bleiben.