Gibt es eine Helmpflicht beim Wintersport? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an, wo. Ein Überblick über die Helmpflicht im Wintersport:
Die „10 FIS-Verhaltensregeln für Skifahrer und Snowboardfahrer“, die weltweit gelten, enthalten keine ausdrückliche Regelung zum Tragen eines Helms. Die Regeln stammen aus dem Jahr 1969, als das Tragen von Helmen, auch im Straßenverkehr, insgesamt noch weniger verbreitet war. Wer also ohne Sturzhelm auf der Piste unterwegs ist und sich eine Kopfverletzung zuzieht begeht also freiverantwortliche Selbstschädigung.
Helme senken Verletzungsrisiko, laut FIS-Regeln nicht verpflichtend
Laut TÜV-Verband betrafen von 38.000 schweren Verletzungen bei Ski- und Snowboardfahrern in der Saison 2019/2020 11 Prozent aller Verletzungen den Kopfbereich. Helme schützen nicht nur vor Gehirnerschütterungen und Schädelfrakturen, sondern auch vor Schnittverletzungen. Nach einer Studie kanadischer Wissenschaftler, die im Canadian Medical Association Journal veröffentlicht wurde, können Skihelme die Gefahr einer Kopfverletzung um mehr als ein Drittel reduzieren. Hingegen erhöhen der Studie zufolge Helme nicht die Gefahr einer Nackenverletzung. Eine andere, in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Wilderness & Environmental Medicine veröffentlichte Studie stellte fest, dass Skihelme das Risiko einer Kopfverletzung senken, jedoch nicht das Risiko einer traumatischen Hirnverletzung. Fest steht aber auch, dass Helme nur einen Teilschutz darstellen können und keine Verletzungen an anderen Körperteilen verhindern.
Laut TÜV-Verband gibt es in Deutschland, der Schweiz und Frankreich keine Helmpflicht. Eine Helmpflicht für Kinder und Jugendliche gibt es außerdem in Polen, Kroatien und Slowenien. In Österreich müssten Kinder bis zum 15. Lebensjahr in vielen Skigebieten einen Helm benutzen. Die Helmpflicht wird jedoch nicht wie in Italien kontrolliert.
Sonderregeln mit Geldstrafe in Italien
Anders als in Deutschland besteht in Italien eine generelle Helmpflicht für Minderjährige, also für Menschen unter 18 Jahren. Die Helmpflicht ist im italienischen Pistengesetz 363 geregelt. Fährt man in Italien ohne Helm, kann ein Bußgeld fällig werden. Außerdem droht der Entzug des Skipasses. Die Einhaltung der Helmpflicht wird durch Carabinieri, die in den Skigebieten unterwegs sind, kontrolliert.
Auch in Schweden, Norwegen, den USA und Kanada besteht keine Helmpflicht. In Schweden werden jedoch Kinder ohne Helm nicht im Skilift mitgenommen.
Verbreitetes Helmtragen in Österreich
In Österreich hat neben den FIS-Regeln der Pisten-Ordnungs-Entwurf (POE) des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit Geltung. Der POE enthält ebenso wenig eine ausdrückliche Helmpflicht, trifft jedoch eine Regelung zur Skiausrüstung. Unter Punkt „2. Skiausrüstung“ heißt es: „Der Skifahrer hat sich so auszurüsten, dass er andere nicht mehr als gewöhnlich gefährdet.“ Hieraus lässt sich nicht direkt herauslesen, dass ein Skifahrer einen Helm tragen muss, da der POE hier von einer Gefährdung Dritter spricht. Doch können, wenn zwei Wintersportlern, die am Kopf zusammenstoßen, weniger schwere Verletzungen entstehen, wenn einer oder beide einen Helm tragen. Solange keine entsprechende Helmpflicht besteht, die man vernachlässigen könnte, führt das Nichttragen eines Helmes in Österreich jedoch nicht per se zu einem höheren zivilrechtlichen Haftungsrisiko im Falle eines Unfalls.
Einer Studie der Universität Innsbruck zufolge ist der Helmanteil auf Österreichs Skipisten stark angestiegen und betrug bereits im Jahr 2011 über 60 Prozent. Die Studie fand auch heraus, dass Helme besonders unter erfahrenen Skifahrern weiter verbreitet sind. Hingegen sind gerade unerfahrene Skifahrer häufiger von Verletzungen betroffen.
Kein höheres Mitverschulden ohne Helm
Eine andere Frage als Schäden, die bei Dritten verursacht werden, sind eigene Schäden, die durch das Nichttragen eines Helmes überhaupt erst in dem Ausmaß möglich werden beziehungsweise schwerwiegender ausfallen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Fall entschieden, dass ein Geschädigter Snowboardfahrer, der ohne Helm gegen einen nicht aufprallgedämpften Flutlichtmast geriet, sich verletzte und dabei mit 1,15 bis 2,05 Promille alkoholisiert war, ein Mitverschulden von 75 Prozent trifft (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2009, Az. 5 U 72/09). Das OLG Stuttgart war der Auffassung, der Snowboarder habe den Aufprall „durch einen Verstoß gegen FIS-Regel 2 mitverursacht“. Der Snowboarder habe ständig auf Sicht fahren, seine Fahrtgeschwindigkeit den örtlichen Gegebenheiten anpassen und Hindernisse einkalkulieren müssen. Dass es beim Tragen eines Helms möglicherweise nicht zu den entstandenen Verletzungen gekommen wäre, sei jedoch „nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung“, befand das OLG Stuttgart, da „auf Skipisten keine Pflicht zum Tragen eines Helmes“ bestehe.
Ob ein Skifahrer, der mit einem anderen kollidiert und sich verletzt, sich jedoch generell ein Mitverschulden anrechnen lassen muss, wenn er ohne Helm unterwegs war, ist gerichtlich noch nicht abschließend geklärt.