Derjenige, der eine Abmahnung erhält, von der sich später herausstellt, dass sie unberechtigt war, kann grundsätzlich die Erstattung die ihm eventuell entstandenen Anwaltskosten nicht verlangen.
Eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme gehört grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko und die durch sie verursachten Kosten sind regelmäßig nur dann erstattungsfähig, wenn zwischen den Parteien eine rechtliche Sonderverbindung besteht, innerhalb derer eine Partie Pflichten verletzt hätte. Das hat zum Beispiel das Landgericht Köln in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 an einem wettbewerbsrechtlichen Fall noch einmal erläutert (LG Köln, Urteil v. 10.10.2012, Az. 28 O 551/11). Wir berichteten.
Unberechtigte urheberrechtliche Abmahnungen können zum Bumerang werden
Seit dem Jahr 2013 gibt es von diesem Grundsatz unter anderem im Urheberrecht eine Ausnahme. Nach § 97a Abs. 4 UrhG kann nämlich der Abgemahnte, soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen. Grundlage dafür ist das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken – auch Anti-Abzocke-Gesetz genannt – vom 01.10.2013. Unsere Praktikantin Danya He hatte 2014 darüber berichtet.
Diese – unter Fachleuten nach wie vor umstrittene – Regelung wurde nun einem Onlinehändler zum Verhängnis. Dieser hatte festgestellt, dass ein Konkurrent eine Bilddatei zur Illustration eines Angebots verwendete, die er „erstellt“ hatte. Es handelte sich dabei aber nicht um ein herkömmliches Lichtbild, sondern um einen Scan bzw. eine 2-dimensionale Reproduktion einer Produktverpackung.
Der Abmahnung nebst Schadensersatzforderung folgte die Klage vor dem Landgericht München I, nachdem die Beklagte darauf nicht reagierte. Die Beklagte verteidigte sich nicht nur gegen die geltend gemachten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, sondern erhob ihrerseits Widerklage. Sie forderte die Kosten ihres Rechtsanwalts, die durch die außergerichtliche Beratung in Gestalt eines Skype-Gesprächs entstanden waren, deren Ergebnis der Rat war, die Abmahnung schlicht unbeantwortet zu lassen.
Das Gericht erteilte der Klägerin daraufhin einen ausführlichen Hinweis dahingehend, dass er gedenke, die Klage abzuweisen und legte den Beteiligten einen Vergleich und die Rücknahme der jeweiligen Klagen nahe.
Ein bloßer Scan oder 2-dimensionale Reproduktion begründet keinen Lichtbildschutz
Der Richter folgte dabei der Ansicht der Beklagten und Widerklägerin, dass es sich bei dem angeblichen Lichtbild um eine bloße technische Reproduktion handele, die das Mindestmaß an persönlicher, geistiger Leistung nicht erreiche und daher keinen Lichtbildschutz genieße. Selbst, wenn die Reproduktion fotografischer Natur gewesen sei, komme ihr dennoch kein Schutz zu, da dafür erforderlich sei, dass diese einen erheblichen Aufwand erfordert habe und nicht lediglich auf maschinellen Wege entstanden sei.
Die Klägerin nahm daraufhin ihre Klage zurück. Die Widerklägerin bestand jedoch auf eine richterliche Entscheidung.
Der Abmahner muss die Kosten des Abgemahnten tragen
Das Landgericht München hat die Widerbeklagte sodann zum Ersatz der Rechtsberatungskosten auf Basis des von der Klägerin in ihrer Abmahnung angebenen Streitwerts in Höhe von 7.500,00 EUR verurteilt, da diese notwendig gewesen und auch in der Höhe nicht zu beanstanden seien (LG München I, Urteil v. 27.7.2015, Az. 7 O 20941/14, nicht rechtskräftig).
Eine schriftliche Zurückweisung der Ansprüche ist dafür nicht erforderlich
Dies galt im vorliegenden Fall trotz der der Tatsache, dass der Rechtsanwalt des abgemahnten Unternehmens nicht nach außen tätig geworden war, sondern das Ergebnis des Beratungsauftrags lediglich in dem Rat bestand, die Abmahnung unbeantwortet zu lassen.
Entgegen einem landläufigen Irrglauben muss der Erstattungspflichtige aber natürlich auch dann für die Kosten des Anwalts aufkommen, der die Beratung lediglich mündlich erteilt. Einer schriftlichen Zurückweisung der Ansprüche bedarf es nicht. Oft ist es sogar ratsam, auf eine Abmahnung gar nicht zu reagieren. Es kommt nicht selten vor, dass erst eine solche Antwort den vermeintlichen Anspruch durch unnötigen oder unbedachten Vortrag schlüssig macht.
Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Beklagte und Widerklägerin vertreten.