Im Wahljahr 2021 bediente sich Bild TV umfangreich bei einer Wahlsendung der Öffentlich-Rechtlichen. War das rechtmäßig? Nein, entschied nun das Kammergericht Berlin – dies war nicht vom Zitatrecht gedeckt (KG Berlin, Urteil v. 21.09.2022, Az. 24 U 9/22).
Bild TV hatte ohne vorherige Absprache Teile des Fernsehprogramms von ARD und ZDF am Abend der Bundestagswahl übernommen. Es ging um einen Live-Ausschnitt, welcher die ARD-Wahlprognose und die erste Hochrechnung zur Bundestagswahl enthielt, sowie um ein Interview mit dem damaligen CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Die verwendeten Teile wurden am 26. September 2021 zeitgleich zur Ausstrahlung in der ARD auf Bild TV in der Sendung „Bild Live Spezial: Wahl 2021. Es geht um Deutschland!“ gezeigt. Zuschauer konnten dies auch über einen Livestream auf Youtube verfolgen.
Einstweilige Verfügung gegen Bild TV
Die ARD ging deshalb rechtlich gegen Bild TV vor und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Bild TV. Das Landgericht Berlin gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in erster Instanz statt (LG Berlin, Urteil v. 09.12.2021, Az. 16 O 297/21). Es untersagte Bild, das Livesignal der Wahlberichterstattung der ARD ganz oder teilweise im Rahmen einer eigenen Sendung weiterzusenden und die eigene Sendung mit der auf diese Weise eingebauten Wahlberichterstattung durch einen Livestream auf Youtube öffentlich zugänglich zu machen. Bild gegen dagegen erfolglos in Berufung.
Kein Wettbewerbsverstoß, aber Komplettübernahme unzulässig
Das Kammergericht entschied, dass Bild TV das Interview mit dem CDU-Generalsekretär jedoch in Teilen verwenden dürfte. Insofern bewertete das Gericht die Übernahme des ARD-Interviews mit Ziemiak nicht als urheberrechtswidriges Verhalten und sah in der Bild-TV-Berichterstattung auch keinen Verstoß gegen Wettbewerbsrecht. Das Gericht störte sich jedoch an einer Übernahme des Interviews in seiner Gänze. Dies wertete das Gericht als eine Verletzung der Leistungsschutzrechte der ARD. Es sei, so das Kammergerichtsurteil, für Bild TV zumutbar gewesen, das Interview stattdessen auszuwerten und über Kernaussagen zu berichten.
Relevanz für Trend Voice-Over
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin ist bislang unveröffentlicht. Sie ist insofern bedeutend, als sie sich auch auf die Berichterstattung von (öffentlich-rechtlichen) Fernsehsendern in anderen Bereichen wie Fußball-Großereignissen übertragen lässt. Sie hat auch Relevanz für Voice-Overs auf Youtube, in denen urheberrechtlich geschützte Inhalte anderer Medien, oft über lange Strecken, unbearbeitet übernommen werden. Die Richter des Kammergerichts Berlin haben einer ARD als einer Art Bedienladen für kostenfreien Content eine klare Absage erteilt. Gegen die Entscheidung des Kammergerichts im Eilverfahren stehen keiner Partei weitere Rechtsmittel offen.