Wer in dem Impressum einer Webseite eine vom Hauptsitz abweichende Betriebsstätte angibt, muss sich entgegenhalten lassen, dass unter der Adresse ebenfalls Leistungen angeboten und Vertragsangebote entgegengenommen werden (BGH, Urteil v. 16.3.2021, Az. X ZR 9/20).
In dem Fall vor dem Bundesgerichtshof verlangte der Kläger Schadenersatz wegen der Stornierung eines Luftbeförderungsvertrages. Der Kläger buchte zwei Flugtickets auf der Webseite der Beklagten, Air France.
Im Impressum der Webseite hieß es
„Air France in Deutschland: Air France Direktion für Deutschland, Zeil 5, 60613 Frankfurt am Main“
Unter der Überschrift „Firmen Hauptsitze“ machte Air France die Angabe
„Aktiengesellschaft nach französischem Recht mit einem Grundkapital von … Euro“
Später teilte die Beklagte mit, das Ticket sei wegen eines Systemfehlers storniert worden. Der Kläger hielt den Vertrag weiterhin für wirksam und verlangte Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Die Beklagte rügte eine fehlende internationale Zuständigkeit.
Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, die Berufung blieb auch ohne Erfolg, die Revision wurde jedoch zugelassen.
Landgericht international zuständig
Der BGH stellte fest, dass sich eine internationale Zuständigkeit des Landgerichts sich aus Art. 7 Nr. 5 der EU-Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel-Ia-VO) ergebe. Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund von Art. 33 des Montrealer Übereinkommens verneinte der BGH wie auch das Berufungsgericht.
Die Beklagte unterhalte in Frankfurt jedoch eine Zweigniederlassung im Sinne von Art. 7 Abs. 5 Brüssel-Ia-VO. Es liege eine Tätigkeit vor, die es Kunden ermöglicht, Geschäfte mit der Beklagten zu betreiben, ohne sich unmittelbar an das Stammhaus zu wenden. Zudem sei dort mit dem Sitz des Geschäftsführers für Deutschland eine Geschäftsführung vorhanden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich nur um eine unselbständige Betriebsstätte handle, so der BGH.
Landgericht: Kein Gerichtsstand einer Zweigstelle
Das Landgericht hatte die Auffassung vertreten (LG Frankfurt a.M., Urteil v. 24.10.2018, Az. 2-24 O 22/18), dass der Rechtsstreit nicht den Betrieb der Niederlassung betreffe. Unter der im Impressum angegebenen Adresse befinde sich zwar die Angabe eines Geschäftsführers der Beklagten für deren Marketingabteilung in Deutschland. Die dortigen Mitarbeiter seien allerdings nur mit Marketing und nicht mit der Buchung von Flügen befasst. Die deutschsprachige Internetseite der Beklagten werde nicht von der Frankfurter Niederlassung aus betrieben. Die Daten der deutschsprachigen Internetseite der Beklagten befänden sich bei einem externen Provider in Paris. Die Adresse weise nicht den Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes aus. Es bestehe auch kein Rechtsschein für einen Gerichtsstand dieser Zweigniederlassung.
BGH stützt sich auf den EuGH
Der BGH folgte dem nicht. Der Rechtsstreit weise sehr wohl den nach Art. 7 Nr. 5 Brüssel-Ia-VO erforderlichen Bezug zum Betrieb der Zweigniederlassung auf. Nach dem Europäischen Gerichtshof liege ein solcher Bezug vor, wenn der Rechtsstreit Handlungen betrifft, die sich auf den Betrieb der Zweigniederlassung beziehen, oder eine Verpflichtung, die die Zweigniederlassung im Namen des Stammhauses eingegangen und die in dem Vertragsstaat zu erfüllen ist, in dem sich die Zweigniederlassung befindet.
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich jedoch nicht aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 Brüssel-Ia-VO, da diese Vorschriften auf Beförderungsverträge nicht anwendbar seien.
Anschein ausschlaggebend
Der BGH stützt sich in seinem Urteil auf eine EuGH-Entscheidung von 1987 zu der mit Art. 7 Abs. 5 Brüssel-Ia-VO wortgleichen Regelung in Art. 5 Nr. 5 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Nach dieser Norm muss sich eine rechtlich selbständige Gesellschaft, die Geschäfte so abschließt, dass sie als Außenstelle einer anderen Gesellschaft auftritt, an dem so erweckten Anschein festhalten lassen, selbst wenn beide Gesellschaften gesellschaftsrechtlich voneinander unabhängig sind.
Die Zweigniederlassung sei gegenüber Kunden, die Buchungen über die Webseite vorgenommen haben, „als diejenige Stelle aufgetreten, die die Buchungen anbietet, das in der Vornahme einer Buchung liegende Vertragsangebot entgegennimmt und gegebenenfalls dessen Annahme erklärt“. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass die Zweigniederlassung im Impressum der Website als nationale Vertretung für Deutschland bezeichnet werde.
Anbieter = Vertragspartner
Nach der Zwecksetzung des § 5 Abs. 1 Telemediengesetz sei im Geschäftsverkehr die im Impressum angegebene Stelle grundsätzlich als diejenige Stelle anzusehen, die die beworbene Dienstleistung anbietet und die maßgeblichen Vertragserklärungen abgibt oder entgegennimmt. Angaben zum Anbieter könnten ihren Zweck nur dann erfüllen, „wenn der angesprochene Nutzer sich darauf verlassen kann, dass ihm die angegebene Stelle als Anbieter und Vertragspartner gegenübertritt“. Die Verwendung der Toplevel-Domain „.de“ und der deutschen Sprache deute darauf hin, dass sich das Angebot an Interessenten in Deutschland richte. Wenn vor diesem Hintergrund eine Betriebsstätte als „A. in Deutschland“ bezeichnet werde, dürfe ein Kunde dies dahin verstehen, dass diese Betriebsstätte die Buchungen auch anbietet.
Das BGH-Urteil sorgt für mehr Rechtsicherheit für Verbraucher, die über das Internet Verträge mit Unternehmen eingehen, die grenzüberschreitend agieren. Es dürfte die Feststellung und die Wahl des Gerichtsstandes bei Klagen im Bereich des Verbraucherrechts ebenso erleichtern wie die Durchsetzung von EU-Fluggastrechten.