Das LG Essen hat entschieden, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn die Werbung für ein Gewinnspiel keine Angaben zur Ermittlung der Gewinner und Beschränkungen des Teilnehmerkreises enthält. (LG Essen, Urteil v. 02.10.2020, Az. 44 O 6/20)
Die Beklagte, eine Betreiberin von ca. 150 Discount Möbelgeschäften, wurde verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein Gewinnspiel zu bewerben oder bewerben zu lassen ohne bereits bei dessen Ankündigung darauf hinzuweisen, wie die Gewinner ermittelt werden und/oder welche Beschränkungen des Teilnehmerkreises bestehen.
Abmahnung wegen fehlender Mitteilung von Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels
Der Kläger ist ein eingetragener rechtsfähiger Verein, der seit über 40 Jahren unter anderem den Zweck verfolgt, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern und durch Beteiligung an der Rechtsforschung, Aufklärung und Belehrung im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspfleger den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen bzw. den lauteren Wettbewerb zu fördern.
Im September 2019 wurde der Kläger darauf aufmerksam gemacht, dass die Beklagte zweimal ein Gewinnspiel beworben hatte, ohne die nach seiner Ansicht wesentlichen Teilnahmebedingungen mitzuteilen. Der Kläger mahnte die Beklagte ab, weil sie bei der Bewerbung des Gewinnspiels die Teilnahmebedingungen nicht mitgeteilt habe. Er forderte unter Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung und beanspruchte eine Kostenpauschale. Die Beklagte ließ die geltend gemachten Ansprüche durch ihre Prozessbevollmächtigten mit der Begründung ablehnen, es handele sich lediglich um die Ankündigung eines Gewinnspiels, bei der die Teilnahmebedingungen noch nicht genannt werden müssten.
Klage erfolgreich – Unterlassungsanspruch begründet
Daraufhin erhob der Kläger Klage vor dem Landgericht Essen. Mit Erfolg: Das LG Essen entschied, dass ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus§§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 3 Abs. 1 ,5 a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG i.V.m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog folge.
Zur Aktivlegitimation des Klägers führte das Gericht aus, dass diese aus § 8 Abs.3 Nr.2 UWG folge. Anspruchsberechtigt sind danach rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist anhand der Zielsetzung, der Satzung und der tatsächlichen Betätigung des Verbandes zu ermitteln. Ferner sind Verbände nur dann anspruchsberechtigt, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Diese Voraussetzungen liegen laut dem LG Essen bei dem Kläger vor.
Die streitgegenständlichen Werbeanzeigen der Beklagten stellten auch eine wettbewerbswidrige Handlung im Sinne von § 3 Abs. 1, 5, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog dar, so die Richter. Gemäß § 5 Abs. 2 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Informationen vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Eine Information ist wesentlich im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Verbraucher erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers ein erhebliches Gewicht zukommt (BGH, Beschluss v. 15.12.2016 , Az. I ZR 241/15).
Gewinnspiele mit Werbecharakter müssen klar erkennbar sein
Gemäß § 5 Abs. 4 UWG gelten als wesentlich im Sinne von Abs. 2 auch spezialgesetzliche unionsrechtliche Vorschriften betreffende Informationen, die im Bereich der kommerziellen Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing dem Verbraucher nicht vorenthalten werden dürfen. Nach Maßgabe des auch im nicht elektronischen Geschäftsverkehr entsprechend anwendbaren § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG müssen Preisausschreiben oder Gewinnspiele mit Werbecharakter klar als solche erkennbar und die Teilnahmebedingungen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden (BGH, Urteil v. 27 03.07.2017 , Az. I ZR 153/16).
Bei der streitgegenständlichen Anzeige der Beklagten handle es sich um ein Gewinnspiel mit Werbecharakter im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Var. 2 TMG argumentierte das LG, weil der Gewinner durch ein Zufallselement ermittelt werde und die Anzeige dem Absatz der Beklagten zu dienen bestimmt sei. Der Begriff „Teilnahmebedingungen“ des §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG ist weit zu verstehen, sodass nicht nur die Berechtigung der Inanspruchnahme bzw. Teilnahme sondern auch deren Modalitäten angegeben werden müssen. Der Diensteanbieter muss deshalb angeben, welcher Personenkreis die jeweiligen Verkaufsförderungsmaßnahmen in Anspruch nehmen kann bzw. zur Teilnahme berechtigt ist und anhand welcher Kriterien wie beispielsweise Wohnort, Alter oder Beruf dies zu beurteilen ist. Diese Informationen müssen bereits in der Werbung selbst angegeben sein (BGH, Urteil v. 30.04.2009 , Az. I ZR 66/07).
Informationen über Teilnahmebedingungen sind rechtzeitig zu erteilen
Da § 6 Abs. 1 TMG eine „informierte“ geschäftliche Entscheidung des Kunden ermöglichen will, ist die Information so rechtzeitig zu erteilen, dass ein durchschnittlich informierter, (situationsadäquat) aufmerksamer und verständiger Kunde diese Informationen bei seiner Entscheidung über die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahmen berücksichtigen kann.
Die Beklagte hat in den Werbebeilagen im September 2019 mit dem „Mega Gewinnspiel“ bzw. dem „Jahrhundert- Jubiläum K Gewinnspiel“ geworben, ohne dass darauf hingewiesen worden ist, wie der Gewinn ermittelt wird und welche Beschränkungen des Teilnehmerkreises bestehen. Hierzu heißt es in dem einen Prospekt lediglich „Alle Infos und Teilnahmebedingungen zum Gewinnspiel finden Sie auf den Teilnahmekarten in Ihrer S1-Filiale“ und in dem anderen Prospekt lediglich „Alle Infos und Teilnahmebedingungen zum Gewinnspiel finden Sie in Ihrer S1-Filiale und unter www.S1.gewinnspiel/50jahre.de„.
Das LG Essen entschied: Entgegen der Auffassung der Beklagten sei dies nicht ausreichend. Dies gelte zum einen hinsichtlich der fehlenden Beschränkungen des Teilnehmerkreises schon hinsichtlich der Angabe zur Altersbeschränkung. Soweit die Beklagte meint, der durchschnittlich informierte und adäquat aufmerksame Verbraucher wisse, dass Kinder und Jugendliche nicht an Gewinnspielen teilnehmen dürfen, könne dem nicht gefolgt werden.
Der Kläger weise zu Recht darauf hin, dass Kinder und Jugendliche nicht per se von Glücksspielen ausgeschlossen sind, sondern gemäß § 6 Abs. 2 JSchG an Spielen mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit auf Volksfesten, Schützenfest, Jahrmärkten, Spezialmärkten und ähnlichen Veranstaltungen und nur, wenn der Gewinn in Waren von geringem Wert besteht, teilnehmen nehmen dürfen. Gerade vor diesem Hintergrund müssen Einschränkungen hinsichtlich der Teilnahmemöglichkeit aufgrund des Alters angegeben werden und zwar schon in der Werbung selbst. (vgl. BGH, Urteil v. 10.01.2008 , Az. I ZR 196/05.)
Insbesondere betonte das LG Essen, dass Entsprechendes auch hinsichtlich der Mitteilung in der Werbung gelte, wie der Gewinn ermittelt wird. Der Verbraucher benötige die Informationen, um die geschäftliche Entscheidung zu treffen, an dem Gewinnspiel teilzunehmen. Bereits die Entscheidung des Verbrauchers, das Möbelhaus der Beklagten aufzusuchen, sei eine geschäftliche Entscheidung im Sinne von Paragraf vom § 5a Abs. 2 UWG.
Spürbare Beeinträchtigung gem. § 3a UWG
Das Vorenthalten der Information sei nach Ansicht des Gerichts auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Denn es mache für den Verbraucher einen erheblichen Unterschied, ob und wie er teilnehmen kann und wie der Gewinner ermittelt wird. Das Vorenthalten sei damit geeignet, den Verbraucher zum Besuch des Geschäftes der Beklagten zu veranlassen, wovon er in Kenntnis der Teilnahmebedingungen sonst abgesehen hätte. Aus diesem Grund seien die Verstöße auch spürbar im Sinne von § 3a UWG.
Die Beklagte könne den Kläger nicht darauf verweisen, der Hinweis auf die Internetseite, mit welchem die notwendigen Informationen aufgefunden werden könnten, sei ausreichend. Der Verweis auf ein anderes Medium setzt nach § 5a Abs. 5 UWG voraus, dass das gewählte Kommunikationsmittel räumliche oder zeitliche Beschränkungen aufweist. Daran fehle es aber bei einem mehrseitigen Prospekt, wie den hier vorliegenden. Die Teilnahmebedingungen müssten daher bereits in der Werbung angegeben werden, stellte das LG abschließend fest.