Seit Jahren gehen die Verbraucherschützer der Deutschen Umwelthilfe e.V hart gegen Verstöße in Industrie und Handel vor und stehen für die eigene Abmahnpraxis stark in der Kritik.
Der BGH hat nun mit einem Urteil vom 4. Juli 2019 die Klagebefugnis des Vereins bestätigt. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sei nicht festzustellen (BGH, Urteil v. 4. Juli 2019, Az. I ZR 149/18). Auslöser war ein Rechtsstreit mit einem Autohändler aus dem Raum Stuttgart, der Verbraucher in einer Werbung unzureichend über Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen eines Neuwagens informiert hatte.
DHU mahnt Autohändler wegen wettbewerbswidriger Werbung ab
Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DHU), ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1 UKlaG eingetragener Verbraucherverband, hatte gegen ein Autohaus, das auf seiner Internetseite ein Neufahrzeug bewarb, geklagt.
Für Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen wurde auf einen im Autohaus ausliegenden Leitfaden verwiesen. Die Klägerin sah in der Werbung auf der Internetseite einen Verstoß gegen die Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen (Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung). Nach erfolgloser Abmahnung nahm die Klägerin den Autohändler auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagte hielt die Klage für rechtsmissbräuchlich und für unbegründet. Er unterstellte der Umwelthilfe Gewinnerzielungsabsichten und eine unzulässige Querfinanzierung.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Stuttgart, Urteil v. 13.12.2016 – 41 O 31/16 KfH). Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (OLG Stuttgart, Urteil v. 2.08.2018, Az. 2 U 165/16). Der BGH sah indes keine Anhaltspunkte gegen ein rechtsmissbräuchliches Verhalten i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG und wies die Revision des Autohändlers zurück.
Einzelheiten zum Fall und bisherigen Verfahrensgang finden sich hier:
Klagebefugnis der Deutschen Umwelthilfe e.V.
Das Gericht stellte in seinem Leitsatz indessen fest: Die Eintragung in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG hat für die Klagebefugnis konstitutive Wirkung. Ein Unterlassungsanspruch, der einer qualifizierten Einrichtung – wie dem Verbraucherverein – in einem solchen Fall gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 sowie § 7 Abs. 1 Satz 2 UWG zusteht, kann sich auf alle Verbraucher beziehen.
Wann ist eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung rechtsmissbräuchlich?
Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG bezeichneten Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Zu den rechtsmissbräuchlichen Abmahnverfahren haben wir bereits in den folgenden Beiträgen berichtet:
- KG Berlin: Zwei getrennte Verfügungsverfahren innerhalb der Dringlichkeitsfrist sind rechtsmissbräuchlich
- LG Frankfurt: Amazons Vorgehen gegen professionelle Kundenrezensionen ist rechtsmissbräuchlich
- 200 Abmahnungen bei 6.000 € Gewinn = Rechtsmissbrauch
Anderweitige Verwendung der erzielten Überschüsse
Überschüsse aus einer Marktverfolgungstätigkeit und ihre Verwendung für andere Zwecke, als die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen im Verbraucherinteresse, seien solange kein Indiz für eine rechtmissbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen, wie der Verbraucherschutz durch Marktüberwachung als Verbandszweck nicht lediglich dazu dient, Einnahmen zu erzielen und damit Projekte zu finanzieren, die nicht dem Verbraucherschutz durch die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen dienen.
Massenhafte Rechtsverstöße rechtfertigen massenhafte Abmahnungen
Solange nicht weitere Umstände hinzutreten, könnten auch allein die Zahl von Abmahnungen und Unterlassungsklagen sowie damit erzielte Überschüsse den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht begründen, so der BGH in der Urteilsbegründung. Sonst wäre die Klägerin gezwungen, ihre Marktüberwachung nach einer bestimmten Anzahl von Abmahnungen oder erwirkter Vertragsstrafen einzustellen, sobald sie ihre darauf entfallenen Kosten gedeckt hätte.
Eine Vielzahl von Verstößen gegen eine dem Verbraucherschutz dienende Kennzeichnungs- oder Informationspflicht, setze zur effektiven Durchsetzung von Verbraucherinteressen eine damit korrespondierende Vielzahl von Abmahnungen und – soweit keine Unterlassungserklärungen abgegeben werden – gerichtlicher Verfahren voraus.
Höhe der Geschäftsführervergütung
Eine den Verdacht des Rechtsmissbrauchs begründende Gewinnerzielungsabsicht folge auch nicht aus der Höhe Geschäftsführergehälter. Diese machten nur einen Bruchteil der jährlichen Gesamtaufwendungen der Klägerin aus. Damit sei ausgeschlossen, dass der primäre Zweck des Vereins darin liegt, „Einnahmen für Personalkosten zu generieren und nicht Verbraucherinteressen zu verfolgen“.
Umstrittene Spenden von Toyota an die DUH
Der BGH äußerte sich auch zu den umstrittenen Spenden des Autoherstellers Toyota an die Deutsche Umwelthilfe. Nach den Feststellungen des BGH gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass es dadurch zu einer „unsachlichen Ungleichbehandlung“ des Herstellers geführt hat.
Fazit
Wie die Entscheidung des BGH zeigt, kann der Verband nun seine Abmahnpraxis fortsetzen. Händler müssen daher weiter mit der harten Linie der DUH rechnen, wenn sie gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen. Die Hürden, die die Gerichte für die Annahme des Rechtsmissbrauchs und somit der Rechtswidrigkeit einer Abmahnung, sind somit sehr hoch.
Ob ein beanstandetes Verhalten eines Verbraucherverbands bei der Anspruchsverfolgung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 8 Abs. 4 Satz 1 UWG) oder unter dem Gesichtspunkt der Klagebefugnis (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG) zu prüfen ist, richte sich danach, ob der Vorwurf auf das Vorgehen im konkreten Fall zielt oder auf die allgemeine Ausnutzung der durch die Eintragung nach § 4 Abs. 2 UKlaG erworbenen Rechtsposition.