Der Anbieter eines Produkts auf Amazon haftet nicht für Kundenbewertungen, selbst wenn diese an sich irreführend sind.
Solange der Produktanbieter sie nicht veranlasst hat, trifft ihn auch keine Pflicht, sie zu verhindern.
So scheidet ein Verstoß gegen das UWG aus. Das geht aus einer neueren Entscheidung des BGH hervor (BGH, Urteil v. 20.2.2020 , Az. I ZR 193/18).
Amazon weist Produkten Kundenbewertungen zu
Für jedes auf der Online-Handelsplattform befindliche Produkt wird über die EAN (European Article Number) eine diesem Produkt zugewiesene ASIN (Amazon-Standard-Identifikationsnummer) generiert, die sicherstellen soll, dass beim Aufruf eines bestimmten Produkts die Angebote sämtlicher Anbieter dieses Produkts angezeigt werden. Bewerten sodann die Kunden das Produkt, weist Amazon ohne weitere Prüfung die Bewertungen dem unter dem entsprechenden ASIN geführten Produkt zu. So sind unter einem Produkt sämtliche Kundenbewertungen sichtbar, ohne etwa zu differenzieren, von welchem Verkäufer es jeweils angeboten wird.
Kinesiologie-Tapes zur Schmerztherapie lösten den Streit aus
Die Beklagte vertreibt Kinesiologie-Tapes. In der Vergangenheit hatte sie ihre Produkte damit beworben, sie seien schmerzlindernd. Diese Eigenschaft war dennoch nicht medizinisch bewiesen, weshalb sie schon im Jahre 2013 gegenüber dem Kläger, einem eingetragenen Wettbewerbsverein, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte.
2017 erschienen unter dem Online-Angebot der Beklagten Kundenrezensionen, die die streitgegenständlichen Kinesiologie-Tapes als zur Schmerzbehandlung geeignet bewerteten. Unter anderem „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain…“, „Schnell lässt der Schmerz nach“, „Linderung der Schmerzen ist spürbar“, „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“ und „Schmerzen lindern“ waren dort zu sehen.
Irreführende Kundenrezensionen gelten nicht zwingend als Werbung des Anbieters
Der Wettbewerbsverein klagte sodann auf Zahlung der Vertragsstrafe und Unterlassung. Die Kundenrezensionen habe sich die Beklagte zu eigen gemacht, sie hätte auf deren Löschung hinwirken müssen. Einen Anspruch machte sie aus §§ 8 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG geltend. Das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens (HWG) verbietet nämlich die Werbung mit Äußerungen Dritter, wenn diese in irreführender Weise erfolgen.
Dennoch blieb die Klage in allen Instanzen erfolglos. Die Kundenrezensionen enthielten zwar medizinisch unbewiesene Aussagen und seien damit irreführend. Geworben hatte die Beklagte dennoch damit nicht. Um sich eine werbende Aussage eines Dritten zu eigen zu machen, bedarf es mehr als das bloße Nichtlöschen auf einer Plattform wie Amazon. Die Beklagte habe weder die Verantwortung für die Richtigkeit der Bewertungen übernommen, noch diese veranlasst; auch räumlich erschienen die Kundenbewertungen getrennt von den jeweiligen Verkäuferangeboten und seien deshalb nur Amazon zuzurechnen.
Auch treffe die Beklagte keine Rechtspflicht aus § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG, die Rezensionen zu verhindern. Denn das Angebot auf Amazon begründe keine Garantenstellung des Verkäufers.
Die Meinungs- und Informationsfreiheit der Kunden war ausschlaggebend für das Verfahren
Bei der rechtlichen Prüfung, ob die Beklagte gegen das UWG verstoßen hatte, war ausschlaggebend, dass die Abgabe und der Austausch von Kundenbewertungen auf Online-Marktplätzen von dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt sind. Dadurch, dass durch die betreffenden Produkte keine nachweisliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit ausgeht, war keine Abwägung mit diesem Rechtsgut vonnöten.