Auch bloße Rechtsansichten, die ein Unternehmer gegenüber seinen Kunden äußert, können unter bestimmten Voraussetzungen zur Verbrauchertäuschung geeignet sein.
Erforderlich ist hierbei, dass der durchschnittliche Verbraucher die Äußerung als eindeutige und unzweifelhafte Feststellung und nicht lediglich als subjektive Meinungsäusserung versteht.
Im aktuellen Streitfall befasste sich der BGH mit den rechtlich umstrittenen Äußerungen einer Sparkasse bezüglich der Kündigung von Prämiensparverträgen gegenüber ihren Kunden (BGH, Urteil v. 25.04.2019, Az. I ZR 93/17). Ob es sich dabei um verbrauchertäuschende Behauptungen oder zulässige subjektive Rechtsansichten handelte, klärt der folgende Beitrag.
Klage gegen Sparkasse wegen Kündigung von Sparverträgen
Die Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, einer Kreissparkasse, hatten zahlreiche Prämiensparverträge mit Kunden abgeschlossen. Im Jahr 2015 kündigte die Beklagte einige dieser Prämiensparverträge und verwendete dabei folgende Formulierung:
„Bei den bestehenden Verträgen handelt es sich um Einlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Eine Vertragslaufzeit ist nicht vereinbart.“
Die Klägerin, eine Verbraucherzentrale, sah in diesen Äußerungen eine wettbewerbswidrige Irreführung und klagte auf Unterlassung, weil bis zum Ablauf der jeweils vereinbarten Prämienstaffel kein Kündigungsrecht der Beklagten bestanden habe. Durch die fehlerhafte Information werde der Verbraucher möglicherweise davon abgehalten, seine berechtigten Ansprüche, insbesondere das Recht auf die Zahlung von Prämien, durchzusetzen. Er werde daher in die Irre geführt.
Vorheriger Prozessverlauf
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Dessau-Roßlau, Urteil v. 15.11.2016, AZ. 4 O 106/16). Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg (OLG Naumburg, Urteil v. 27.04.2017, AZ. 9 U 90/16).
Entscheidung des BGH
Auch der BGH stufte die Aussage als zulässig ein, weil die Beklagte in den beanstandeten Schreiben eine Rechtsansicht geäußert und keine Angaben im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG gemacht habe.
Nachprüfbare Tatsachenbehauptungen
Irreführende Angaben im Sinne von § 5 UWG können grundsätzlich nur Tatsachenbehauptungen sein, die sich bei einer Überprüfung als eindeutig richtig oder falsch erweisen könnten, etwa die Berufung auf eine eindeutig unwirksame AGB-Klausel oder eine objektiv falsche rechtliche Auskunft (z.B. falsche Auffassung über den Verjährungsbeginn – BGH, Urteil v. 04.05.2017, Az. I ZR 113/16).
Auch Rechtsansichten können irreführend sein
Unter bestimmten Voraussetzungen können zu den zur Täuschung geeigneten Angaben im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 UWG aber auch Meinungsäußerungen zählen. Dieses weite Verständnis ergibt sich aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG erfasst als irreführende Geschäftspraxis sowohl generell unwahre Angaben, in den Fällen der Buchstaben a bis g aber auch alle Geschäftspraktiken, die in irgendeiner Weise zur Täuschung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind. Auch nach dem Schutzzweck des Irreführungsverbots soll jede Handlung eines Unternehmers erfasst werden, die geeignet ist, den Verbraucher in entscheidungserheblicher Weise über seine Rechte zu täuschen.
Entscheidend ist Ansicht des Verbrauchers
Entscheidend ist, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Kunde die Äußerung des Unternehmers unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art und Weise der Äußerung versteht.
Eine Angabe kann zur Täuschung geeignet sein, wenn ein Unternehmer gegenüber Kunden eine Rechtslage behaupte, die tatsächlich nicht bestehe, und der Verbraucher diese Aussage nicht als Äußerung einer subjektiven Rechtsauffassung, sondern als eindeutige Feststellung bewerte.
Ist für einen außenstehenden Verbraucher dagegen erkennbar, dass es sich um eine im Rahmen der Rechtsdurchsetzung oder -verteidigung vertretene Rechtsauffassung geht, fehlt dieser Äußerung erforderliche Eignung zur Täuschung. Eine derartige Äußerung ist grundsätzlich selbst dann nicht wettbewerbswidrig, wenn sie sich als unrichtig erweist.
Subjektive Rechtsansicht ohne Feststellungscharakter
Die von der Klägerin beanstandete Angabe in den Kündigungsschreiben, der Vertrag könne unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden, stelle eine dem Beweis nicht zugängliche subjektive Rechtsansicht dar und ist von § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG nicht erfasst.
Die Beklagte suggeriere nicht, dass diese Einschätzung der ständigen Rechtsprechung entspreche oder einhellige Meinung sei. Ein durchschnittlicher Kunde könne dieser Formulierung nur entnehmen, dass die Beklagte den Vertrag für kündbar halte. Es handelt sich somit um die bloße Äußerung einer umstrittenen Rechtsansicht. Eine zusätzliche Einschränkung wie etwa „nach unserer Rechtsauffassung“ sei dabei nicht erforderlich.
Mithin könne im vorliegenden Fall nicht von einer irreführenden Angabe ausgegangen werden. Den beanstandeten Kündigungsschreiben fehlte die für den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 7 UWG erforderliche Eignung zur Täuschung des Verbrauchers. Somit liege hierin keine Irreführung und daher auch kein Wettbewerbsverstoß vor.
Fazit: Vorsicht bei Kundenkommunikation
Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass es Unternehmen nicht verwehrt werden kann, in konkreten Rechtsstreitigkeiten für sie günstige Rechtsstandpunkte zu vertreten. Ansonsten wäre es für sie kaum möglich, ihre Rechte gegenüber Verbrauchern wahrzunehmen, ohne sich gleichzeitig wettbewerbswidrig zu verhalten. Das Vertreten von Rechtsansichten ist mithin im Interesse einer wirksamen Rechtsdurchsetzung und -verteidigung weitgehend zulässig.
Bei Streitigkeiten bezüglich einzelner Vertragsverhältnisse ist dennoch besondere Vorsicht geboten. Macht ein Unternehmer in Anschreiben an Verbraucher Angaben bzw. Hinweise zur vermeintlichen Rechtslage, müssen diese inhaltlich korrekt sein. Andernfalls drohen kostspielige Abmahnungen wegen unlauterer Geschäftshandlungen.