Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die mit dem Anti-Abmahn-Gesetz erfolgte Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes nicht jegliche unlautere Handlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst. Dies gelte vielmehr nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten (LG Hamburg, Beschluss v. 13.9.2021, Az. 327 O 184/21).
Das im November 2020 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs, auch „Anti-Abmahn-Gesetz“ genannt, führte zu Neuerungen, was die außergerichtliche Verfolgung von Rechtsansprüchen betrifft. Durch das Gesetz, durch welches Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geändert wurden, wurde auch der sogenannte fliegende Gerichtsstand eingeschränkt. Zuvor konnten bestimmte Rechtsverstöße, insbesondere solche, die Informationspflichten auf Webseiten betreffen, vor jedem beliebigen Gericht in Deutschland verfolgt werden – ganz egal, wo der Gegner seinen Sitz hat.
Im Rahmen der Reform wurde der § 14 UWG so gefasst, dass für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten das Gericht zuständig ist, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat zuständig ist und außerdem das Gericht, in dessen Bezirk die Zuwiderhandlung begangen wurde. Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 gilt dies nach dem Wortlaut jedoch nicht für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“.
Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten
Das Landgericht Hamburg entschied nun, dass die Begrenzung des fliegenden Gerichtsstands in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG nicht jegliche unlautere Handlung im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfasst. Die Vorschrift müsse vielmehr in Übereinstimmung mit § 13 IV Nr. 1 UWG in dem Sinne verstanden werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt.
Nicht sämtliche online begangene Rechtsverstöße erfasst
In dem Fall, den das Landgericht Hamburg zu entscheiden hatte, sei zwar die streitgegenständliche, von dem Kläger als Lauterkeitsrechtsverletzung gerügte Handlung ausschließlich im Internet erfolgt. Auch habe der Beklagte seinen Sitz nicht im Bezirk des angerufenen Landgerichts Hamburg. Unter den von § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG erfassten Zuwiderhandlungen seien „nach dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung allerdings nicht sämtliche online begangenen Rechtsverstöße zu verstehen“. Insbesondere seien Verstöße, „die tatbestandlich keinen bestimmten Verbreitungsweg voraussetzen und deren Verletzung über eher formale und leicht oder gar automatisiert festzustellende Verstöße hinausgehen“, nicht vom Ausschlusstatbestand des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG umfasst (vgl. LG Frankfurt a. M., Urteil v. 11.5.2021, Az. 3-06 O 14/21; LG Düsseldorf, Urteil v. 21.5.2021, Az. 38 O 3/21).
Sinn und Zweck: Missbrauchsfälle erfassen
In seinen Entscheidungsgründen führt das LG Hamburg weiter aus, dass die Einschränkung des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung in § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG auf einer Linie mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG liege. Deshalb müsse § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG in dem Sinne gelesen werden, dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gelte. Dies entspreche nicht nur dem erklärten Willen des Gesetzgebers, sondern folge auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den §§ 13 Abs. 4 Nr. 1, 13a Abs. 2 UWG. Zudem entspreche dies dem Sinn und Zweck der genannten Regelungen, die Missbrauchsfälle erfassen sollen.
Auch das OLG Frankfurt geht in einer neuen Entscheidung (OLG Frankfurt, Beschluss v. 8.10.2021, Az. 6 W 83/21) wie das LG Hamburg in seinem Beschluss davon aus, dass § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG so gelesen werden muss, „dass die Einschränkung des Tatortgerichtsstands nur bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten gilt“. Begründet wird dies ebenfalls unter anderem „mit dem Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 13 Abs. 4 Nr. 1 UWG und dem Vertragsstrafenausschluss nach § 13a Abs. 2 UWG“.
Jedenfalls ist die Rechtsprechung weiter uneinheitlich und die Problematik, die womöglich noch den Bundesgerichtshof beschäftigen wird, bleibt spannend.