Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt liegt zwar bereits ein paar Jahre zurück, dennoch ist sie – nach wie vor – von Relevanz für den Versandhandel. Vor allem die Frage, ob sich der Händler bei einem Altersverfikationssystem eine fehlende Identitätsüberprüfung seitens des Zustellers zurechnen lassen muss, hatte das Oberlandesgericht zu entscheiden.
Beide Parteien des Rechtsstreits – im Folgenden Antragsteller und Antragsgegner – verkaufen auf einer Handelsplattform im Internet Film-DVDs sowie Computerspiele. Der Antragsteller bestellte beim Antragsgegner eine Film-DVD, die mit einer Alterskennzeichnung „FSK ab 12 freigegeben“ versehen sein sollte. Doch wies die vom Antragsgegner verkaufte Film-DVD weder auf der Vorderseite des Covers, noch auf der Cellophanhülle die entsprechende FSK-Freigabe auf.
Außerdem bestellte der Antragsteller ein Computerspiel ohne Jugendfreigabe – folglich mit einer Alterskennzeichnung „USK ab 18“ beim Antragsgegner auf Amazon. Der Antragsteller gab als Versandadresse die Adresse seines Geschäfts an und nutzte einen Fantasienamen, der seinem Accountnamen auf der Handelsplattform entsprach. Als das Computerspiel einem Mitarbeiter der Antragstellerin ausgehändigt wurde, versäumte der Zusteller, die Identität und das Alter des Empfängers zu überprüfen.
Der Antragsteller erblickte in dem Verhalten des Antragsgegners einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Nach Ansicht des Antragstellers müsse der Antragsgegner zum einen dafür Sorge tragen, dass die von ihm verkauften Film-DVDs eine entsprechende Alterskennzeichnung aufweisen und zum anderen sicherstellen, dass bei Computerspielen ohne Jugendfreigabe kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolgt.
Wo ist die FSK-Kennzeichnung anzubringen?
Hinsichtlich der von dem Antragsgegner verkauften Film-DVD ohne der entsprechenden Alterskennzeichnung „FSK ab 12 freigegeben“ wiesen die Frankfurter Richter darauf hin, dass nach § 12 Abs. 2 JuSchG das Zeichen mit der Altersfreigabe auf der Frontseite der Hülle links unten auf einer Fläche von 1.200 Quadratmillimetern anzubringen sei.
In dem vorliegenden Fall könne es allerdings dahinstehen, ob mit „Hülle“ nur das eigentliche DVD-Cover gemeint sei, oder ob auch die Anbringung der Alterskennzeichnung auf der Vorderseite der Cellophanfolie, die vor dem ersten Gebrauch entfernt werde, den Anforderungen des § 12 Abs. 2 JuSchG genüge. Denn der Antragsteller habe in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass seinem Unterlassungsbegehren genüge getan sei, wenn sich die FSK-Kennzeichnung an der vom Gesetz vorgesehenen Stelle auf der Cellophanhülle befinde.
Des Weiteren stellte das Oberlandesgericht klar, dass § 12 Abs. 2 JuSchG eine Marktverhaltensregel sei. Verstöße gegen § 12 Abs. 2 JuSchG können so mithilfe des Wettbewerbsrechts von der Konkurrenz geahndet werden. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung, Bildträger zu liefern, die nicht auf der Frontseite der Hülle die entsprechende Alterskennzeichnung aufweisen – so die Frankfurter Richter.
Händler müssen sich das Verhalten des Zustellers zurechnen lassen
Im Hinblick auf das verkaufte Computerspiel ohne Jugendfreigabe entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass der Antragsteller gegen den Antragsgegner einen Anspruch darauf habe, es zu unterlassen, dass Bildträger, die mit „keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet seien, im Versandhandel anzubieten, ohne das sichergestellt sei, dass der Versand nicht an Kinder oder Jugendliche erfolge.
Zur Begründung führte das Gericht zunächst § 12 Abs. 3 Nr. 2 JuSchG an. Nach dieser Norm sei der Versandhandel von Bildträgern, die mit „keine Jugendfreigabe“ gekennzeichnet seien, grundsätzlich unzulässig. Ein Versandhandel im Sinne des Jugendschutzgesetzes liege allerdings nur vor, wenn es sowohl am persönlichen Kontakt als auch an Vorkehrungen zur sicheren Vermeidung des Versands an Minderjährige fehle.
Der Antragsgegner habe keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, um sicherzustellen, dass kein Versand an Kinder und Jugendliche erfolge. Ein den Anforderungen genügendes Altersverifikationssystem setze zum einen eine zuverlässige Altersverifikation vor dem Versand der Medien voraus. Zum anderen müsse auch sichergestellt werden, dass die abgesandte Ware nicht von Minderjährigen in Empfang genommen wird. Weder vor noch nach dem Versand durch den Antragsgegner habe eine Altersverifikation stattgefunden.
Eine Altersverifikation vor dem Versand könne nicht erfolgt sein, da der Antragsteller einen Fantasienamen angegeben habe. Die bloße Alterskontrolle der Person, welche die Sendung vom Zusteller entgegennehme, reiche als Altersverifikation nicht aus. Es müsse vielmehr sichergestellt werden, dass eine Sendung gar nicht erst auf den Weg gebracht werde, wenn als Empfänger erkennbar keine natürliche Person, sondern eine Fantasiebezeichnung angegeben sei.
Weiterhin führte das Gericht aus, dass es nicht genüge, allein auf die Kompetenz des Postzustellers zu vertrauen, die Sendung in diesem Fall an der Haustüre zurückzuhalten. Die fehlende Altersüberprüfung seitens des Zustellers müsse sich der Antragsgegner nach § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen.
Darüber hinaus seien die Beschränkungen des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien als Marktverhaltensregelungen zu qualifizieren (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 07.09.2014, Az. 6 U 54/14).
Fazit
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt überrascht nicht, denn bereits im Jahr 2007 forderte der BGH in einer Entscheidung ein zweistufiges Altersverifikationssystem (BGH, Urteil v. 12.07.2007, Az. I ZR 18/04). Wer sich an die Vorgaben des BGH hält, befindet sich bei dem Versand von Bildträgern ohne Jugendfreigabe auf der sicheren Seite.
Wer dies nicht tut, riskiert – wie in dem vorliegenden Fall – Abmahnungen der Konkurrenz. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften des Jugendschutzgesetzes „kinderleicht“ mithilfe eines Testkaufs nachgewiesen werden kann.
Neu an der Entscheidung ist, dass sich der Händler, der das entsprechende Bildmaterial ohne Jugendfreigabe versendet, eine mangelnde Altersüberprüfung des Zustellers zurechnen lassen muss. Umso wichtiger ist es, bereits vor dem Versand entsprechende Vorkehrungen – wie das Postidentverfahren – zu treffen.
Wer sich unsicher ist, ob das eigene Altersverifikationssystem den Anforderungen der Gerichte genügt, kann sich dazu in unserem Beitrag
informieren.