Das Landgericht Frankfurt hat wieder einmal einer Softwarehändlerin und ihrem Geschäftsführer mit Beschluss vom 18.4.2018 (LG Frankfurt, Beschluss v. 18.4.2018, Az. 3-06 O 33/18) eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten verboten.
Der Händler hatte „gebrauchte“ Software bei eBay mit der Überschrift
„Microsoft Office 2016 2013 Professional Plus ORIGINAL MS Pro Key 1PC „
beworben. Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Der Streitwert wurde mit 35.000 € angesetzt.
Die Entscheidung ist als Beschlussverfügung ohne Gründe ergangen und noch nicht rechtskräftig.
Das Landgericht Frankfurt ist der Argumentation der Antragstellerin in der Antragsschrift gefolgt, dass es sich dabei um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten und damit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht handelte.
Die Anpreisung von Selbstverständlichkeiten ist insbesondere auf den bekannten Verkaufsplattformen nicht auszumerzen. Die Gericht müssen sich seit Jahren immer wieder damit befassen. Das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Hamm waren bis vor einigen Jahren noch anderer Meinung. Erst 2012 erbarmte sich das Landgericht Frankfurt und setzte dem „Garantiewahn“ ein Ende:
Seitdem ergingen einige Entscheidungen ähnlichen Inhalts:
- LG Frankfurt: „Echtheitsgarantie“ auch bei Software unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten
- LG Frankfurt, die Zweite: „Echtheitsgarantie“ auch bei Software unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten
Werbung mit Selbstverständlichkeiten – Was ist das?
Bei der so genannten Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelt es sich um einen besondere Art der wettbewerbsrechtlichen Irreführung. Das Besondere daran ist, dass es sich dabei grundsätzlich um eine Werbung mit zutreffenden Tatsachen handelt. Eine solche Werbung ist – selbstverständlich – grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Das ist dann anders, wenn das angesprochene Publikum annimmt, dass mit der Werbung tatsächlich ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung oder den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um eine gesetzlich vorgeschriebene oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt.
Ausnahmsweise ist demnach die Mitteilung zutreffender, wahrer Umstände unzulässig, wenn der Verbraucher den Eindruck gewinnt, ihm werde etwas Besonderes geboten. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass für die Annahme einer irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten nicht eine hervorgehobene Darstellung notwendig ist (BGH, Urteil v. 19. März 2014, Az. I ZR 185/12). Wir berichteten.
Was ist gegen den Hinweis „ORIGINAL“ einzuwenden?
Es schlicht selbstverständlich, dass angebotene Ware „original“ zu sein hat. Diese Selbstverständlichkeit stellten die Antragsgegner an mehreren Stellen ihres Angebots als etwas Besonderes heraus. Das Publikum nimmt so an, die Waren hätten einen Vorzug gegenüber anderen Waren gleicher Gattung oder Konkurrenzangeboten, während es sich doch in Wahrheit um Merkmale handelt, die das Produkt des Werbenden gegenüber anderen nicht auszeichnet, da es ansonsten ohnehin nicht verkehrsfähig und dessen Angebot damit rechtswidrig wäre.
Wäre diese Art von Werbung zulässig, bestünde Gefahr, dass sich ein regelrechtes Wettrennen um das gesetzestreueste bzw. „garantiert echteste“ Produkt entwickelte. Händler, die nicht jedes mögliche Problem bezüglich der Kaufsache publikumswirksam ausschlössen, würden Zweifel über die Rechtmäßigkeit ihrer Angebote beim Käufer wecken. Jedes Marken-T-Shirt wäre dann „garantiert kein Plagiat“, wertvolle Uhren immer „100% echt“ und Schmuck „nicht gefälscht“ und „selbstverständlich nicht aus Katzengold“. Händler könnten außerdem auf die Idee kommen, damit zu werden, dass sie bestimmt auch keine Betrüger seien und Kunden die Ware trotz Vorkasse „garantiert“ erhalten.
Der Zusatz „selbstverständlich“ hilft selbstverständlich nicht
Einige Händler versuchen, das Verbot mit dem Zusatz “selbstverständlich” zu umgehen und schreiben dann Sätze wie
„Selbstverständlich sind alle unsere Produkte orignal.“
Das funktioniert jedoch in der Regel nicht, da der Verbraucher die „selbstverständlichen“ Vorzüge des Produkts in einer konkreten Werbung nicht der Produktgattung im allgemeinen, sondern speziell den von den Antragsgegnern angebotenen Produkten zuschreiben wird. Damit steht dann aber wieder der unzutreffende Eindruck eines Vorzugs des eigenen Angebotes gegenüber des anderer Händler im Raum.
Die Antragsgegnerin war selbst durch Abmahnungen aufgefallen
Schließlich ist interessant, dass die – in sehr überschaubarem Umfang auf dem Markt tätige -Antragsgegnerin der Antragstellerin durch die Versendung von Abmahnungen ausgerechnet wegen angeblich fehlerhafter Gestaltung des Impressums und der Widerrufsbelehrung und wegen der verweltlich fehlerhaften Bereithalten des Links auf die berühmt-berüchtigte OS-Plattform überhaupt erst aufgefallen war, diese also Konkurrenten wegen angeblicher Rechtsverstöße angeschrieben und Unterlassungserklärungen und Zahlungen verlangt hatte, während sie wettbewerbsrechtliche Vorschriften selbst nicht einhielt.
Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Antragstellerin vertreten.