Einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs nach ist es wettbewerbsrechtlich zulässig, Textilien als „Cotton“ zu betiteln.
Die englische Bezeichnung für „Baumwolle“ sei ausreichend im gängigen Sprachgebrauch etabliert, als dass der Verbraucher diese auch so versteht. Insofern enthalte der Unternehmer diesem keinerlei wesentlichen Informationen hinsichtlich eines entsprechenden Kleidungsstücks vor.
Allerdings gelte dies nicht für die Angabe „Acrylic“ als Beschreibung für „Acrylfaser“ (BGH, Urteil v. 31.10.2018, Az. I ZR 73/17).
Was draufsteht, muss auch drin sein – und so verstanden werden
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kennt eine Vielzahl von Vorschriften, die primär den Verbraucher schützen sollen. Besonders soll dieser so vor „irreführenden geschäftlichen Handlungen“ durch Unternehmer bewahrt werden.
Grundsätzlich ist eine geschäftliche Handlung dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben, oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über bestimmte Eigenschaften enthält. Hierunter fallen unter anderem die Art, die Zusammensetzung, die Beschaffenheit oder auch die geographische Herkunft des Produkts. Vereinfacht gesagt: Schreibt ein Unternehmer seinen Erzeugnissen (beispielsweise im Rahmen von Werbung) falsche Eigenschaften zu, oder sind die Angaben anderweitig irreführend, verstößt dies gegen das UWG.
Damit eine derartige Handlung tatsächlich unlauter wird, muss diese allerdings die „Spürbarkeitsschwelle“ (oder auch „Bagatellschwelle“) des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb überschreiten. Die entsprechende Vorschrift findet sich in § 3 a) UWG. Hier heißt es:
„Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.“
Wann eine unlautere Handlung diese Grenze hinter sich lässt, richtet sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei sind die Interessen aller Beteiligten, sowie das Gewicht der Handlung für das Wettbewerbsgeschehen zu berücksichtigen.
Weiche Baumwolle stets spürbar – oder etwa nicht?
Der Bundesgerichtshof hat nun in einem aktuellen Urteil entschieden, dass im Falle der Bezeichnung hauseigener Textilien als „Cotton“ durch den Unternehmer eben jene Schwelle nicht erreicht werde, wohl aber bei der Nutzung von „Acrylic“ (BGH, Urteil v. 31.10.2018, Az. I ZR 73/17).
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Klage eines Herstellers von Sportartikeln gegen einen konkurrierenden Ausrüster. Dieses verkaufte deutschlandweit Jogginghosen, deren textile Zusammensetzung auf den Verpackungen und Etiketten mit „52 % Cotton, 40 % Polyester, 8 % Acrylic“ angegeben war.
Nach Ansicht der Klägerseite lag hierin ein klarer Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht, denn: Wann im Falle von Angaben zu Textilien eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, orientiert sich unter anderem an der Textilkennzeichnungsverordnung als Marktverhaltensregelung (TextilKennzVO). Diese typisch deutsch klingende Vorschrift beinhaltet genaue Vorgaben bezüglich der korrekten Titulierung der Zusammensetzung von Kleidungsstücken und sonstigen Stoff- und Faserprodukten aller Art. Tatsächlich sind hier allerdings weder „Acrylic“ noch „Cotton“ als zulässige Bezeichnungen gelistet.
Einen Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel nahmen die Richter in Karlsruhe insofern zunächst an. Fraglich war aber, ob die unlautere Handlung auch tatsächlich „spürbar“ im Sinne des § 3 a) UWG war.
Hinsichtlich der Bezeichnung „Cotton“ wurde dies im Ergebnis verneint. Der in der Verwendung des Begriffes liegende Verstoß erreiche die Schwelle nicht, weil der angesprochene Durchschnittsverbraucher ihn ohne Weiteres als „Baumwolle“ verstehe und ihm insoweit keine wesentliche Angabe vorenthalten werde. Der BGH ging dabei davon aus, dass „Cotton“ bereits zu geläufig und in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen sei, um irreführend zu sein.
Nicht so allerdings im Falle von „Acrylic“. Der Verkehr verbinde hiermit gerade nicht direkt und zweifelsfrei den Begriff „Acrylfaser“.
Fazit
Die Spürbarkeitsschwelle des § 3 a) UWG dient als Generalklausel dem Zweck, angesichts der Dynamik des Wettbewerbs Flexibilität in der Rechtsprechung wahren zu können. Bereits Josef Kohler, bedeutender Jurist des späten 19. Jahrhunderts auf dem Gebiet des Urheber- und Markenrechts, erkannte:
„Die Unredlichkeit ist ein Proteus, der sich in tausend Formen flüchtet und gerade die gesetzlich verpönten Gestalten vermeidet, um in unzähligen Verkleidungen dem loyalen Verkehr die Früchte seiner redlichen Bemühungen abzujagen.“
Und an eine solche dedizierte Einzelfallbetrachtung haben sich die Karlsruher Richter auch gehalten. Die Bezeichnung „Cotton“ dürfte durchaus seitens des Durchschnittskunden ohne Weiteres als „Baumwolle“ aufgefasst werden, „Acrylic“ hingegen stellt eine weitaus weniger geläufige Umschreibung für „Acrylfaser“ dar, die ihrerseits Verbrauchern nicht geläufig ist.
Grundsätzlich sind die Vorgaben der TextilKennzVO hinsichtlich der Angaben zur Zusammensetzung von entsprechenden Erzeugnissen jedoch relativ streng. Weniger „etablierte“ Bezeichnungen sollten daher vermieden werden. Wird ein Terminus verwendet, der sich nicht in der Verordnung wiederfindet, muss der Unternehmer beweisen, dass der Verbraucher einen solche auch nicht benötigt. Dass dies mitunter schwierig werden kann, zeigt der Fall auch: Hinsichtlich der Angabe „Acrylic“ wurde ein Verstoß gegen das UWG, wie dargestellt, angenommen.