Insbesondere die Story über Mesut Özil ist jedoch bestenfalls misslungen.
Bereits im Juli 2016 lag der SPIEGEL mit seinem „Ärztepranger“ daneben
Bereits Juli 2016 hatte der SPIEGEL unter der Überschrift „Pharmalohn für Ärzte: Vielen Dank für die Millionen!“ eine Interaktive Datenbank mit den Namen von mehr als 20.000 Ärzten zusammengetragen, die im letzten Jahr Geld von der Pharmaindustrie erhalten hatten. Was sich nach seriösem Investigativjournalismus anhörte, war jedoch nicht nur rechtlich fragwürdig (Stichwort: Datenschutz der genannten Ärzte) sondern hatte auch nur einen geringen Informationsgehalt, geschweige denn echten Enthüllungscharakter. Wir berichteten.
Denn die genannten Ärzte hatten – was der SPIEGEL eher beiläufig erwähnte – freiwillig an einer von der Pharmaindustrie im Rahmen von Transparenzbemühungen selbst initiierten Umfrage teilgenommen. Es war daher davon auszugehen, dass ohnehin nur solche Ärzte auf der Liste stehen, die nur geringe Beträge erhalten und deswegen auch kein Problem damit hatten, in einer solchen Liste aufzutauchen. Die Datenbank war somit so aussagekräftig, wie es eine Umfrage unter SPIEGEL-Autoren zu der Frage wäre, wann sie das letzte Mal wohl eine richtig schlechte Story veröffentlicht haben.
Die Unterlagen aus #footballeaks unterliegen dem Steuergeheimnis und sind gestohlene Dokumente
Auch bei der aktuellen Berichterstattung des SPIEGEL zu den vermeintlich schmutzigen Geschäften aus der Welt des Fußballs handelt es sich – vorsichtig ausgedrückt – nicht um eine journalistische Glanzleistung. Jedenfalls, was die „Enthüllungen“ zu den Steuervorgängen des Fußballers Mesut Özil angeht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nicht um rechtmäßig erlangte Informationen, sondern um einen von der „Enthüllungsplattform“ Football Leaks dem SPIEGEL zur Verfügung gestellten Datensatz von 1,9 Terabyte, handelt. „Das entspricht dem Datenumfang von 500.000 Bibeln“, betont der SPIEGEL stolz, während die Journalisten überhaupt nicht zu interessieren scheint, dass die Informationen aus einem Hackerangriff auf die spanische Steuerkanzlei Senn Ferrero im April 2016 stammen und somit gestohlen wurden. Zudem unterliegen die Erkenntnisse dem Steuergeheimnis als besondere Form des Datenschutzes.
Mesut Özil hat sich völlig korrekt verhalten
Bei der Lektüre des „Enthüllungsberichts“ zu Mesut Özil sucht man zudem die Pointe vergeblich.
Bei Football Leaks soll es nach eigener Definiton des SPIEGELS um das „Aufdecken illegaler Zahlungen an Spielerberater und Investoren ebenso auf wie die Versuche, Millionen an der Steuer vorbei zu schmuggeln dank Offshore-Geschäften“ gehen.
Allein: Diesbezüglich hat sich Mesut Özil nichts vorzuwerfen. Er hat weder mittels Offshore-Firmen, noch auf andere Weise versucht, Gelder am Fiskus vorbeizuschleusen oder Einnahmen zu verschleiern. Im Gegenteil. Die Hinweise auf die brav in Deutschland gegründete Özil Marketing GmbH mit Sitz in Düsseldorf und die deutsche Anwaltskanzlei aus Mülheim an der Ruhr klingen geradezu kleinbürgerlich.
Ein Fehlverhalten behauptet der SPIEGEL noch nicht einmal, sondern breitet lediglich genüsslich Inhalt vertraulicher und, wie im Bereich betont wird, sogar geheimer Dokumente aus, die von völlig normalen Vorgängen zeugen, die insbesondere dann entstehen, wenn der Fiskus mehrerer unterschiedlicher Länder, im Fall Özils offenbar Deutschland, Großbritannien und Spanien Steuern einfordert.
Ein SPIEGEL-Redakteur kann sich offenbar nicht vorstellen, dass es zwangsläufig zu Konflikten kommt, wenn 3 Steuerrechtsregime und die damit korrespondierenden Ansprüche unter einen Hut gebracht werden müssen.
Es geht um Nachzahlungen und einen Vergleichsvertrag mit seinem Vater
Höhepunkt der Story: Eine Nachzahlung in Höhe von 2 Millionen Euro wegen der Einschätzung der spanischen Steuerbehörden, dass Zahlungen Real Madrids an seine Berater Özil steuerrerechtlich als geldwerter Vorteil als Einkommen zur Last fallen sollen. Der Betrag klingt hoch, ist aber natürlich im Verhältnis gesehen nichts besonderes. Dann soll es einen „Geheimvertrag“ über eine Abfindung in Höhe von 8,1 Millionen Euro mit seinem Vater geben. Der Betrag relativiert sich ebenfalls, wenn man bedenkt, dass dieser offenbar für 5 Jahre Geschäftsführertätigkeit in der Özil Marketing GmbH geschlossen wurde.
Berichterstattung erfordert überwiegendes Informationsinteresse
Ausnahmsweise kann eine – zutreffende – Berichterstattung auch über rechtswidrig erlangte Dokumente zulässig sein, wenn es sich bei den Betroffenen um bekannte, in der Öffentlichkeit stehende Personen handelt und daran ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht. In anderen Fällen hat die Berichterstattung dazu zu unterbleiben.
Ob die Berichterstattung über die Steuerakte von Mesut Özil zulässig ist, darf vor diesem Hintergrund bezweifelt werden. Denn Mesut Özil ist zwar ein bekannter Fußballer, der viel Geld verdient. An der Offenlegung von bei internationalen Sachverhalten völlig normalen Konflikten mit den unterschiedlichen Behörden, wie sie bei jedem anderen Steuerschuldner in einer ähnlichen Situation vorkommen können, besteht ersichtlich kein überwiegendes Informationsinteresse. Insbesondere gibt es von den vom SPIEGEL thematisierten „schmutzigen Geschäften“ jedenfalls bei Özil keine Spur.
UPDATE: Spiegel Online hat den Beitrag mittlerweile aus rechtlichen Gründen von seiner Seite entfernt.