Die Gegendarstellung als Reputationsfalle

Die Gegendarstellung gilt als probates Mittel gegen falsche Tatsachenbehauptungen – schnell, rechtlich klar und im Gleichgewicht mit dem ursprünglichen Eingriff.

Doch in der digitalen Sphäre verkehrt sich ihre Wirkung oft ins Gegenteil.

Nicht juristisch, aber faktisch: Sie verhilft der ursprünglichen Behauptung zu neuer Sichtbarkeit – und bindet den Namen des Betroffenen dauerhaft an den Vorwurf.

Juristisch sinnvoll – algorithmisch riskant

Das Gegendarstellungsrecht ermöglicht dem Betroffenen, bei einer wahrheitswidrigen Tatsachenbehauptung seine Sichtweise zu veröffentlichen – etwa in einem Online-Artikel oder Fernsehbeitrag. Aus Sicht der Dogmatik ein Gleichgewicht der Meinungen, aus Sicht der digitalen Mechanik jedoch ein verstärkender Resonanzraum für das Ursprungsnarrativ.

Suchmaschinen wie Google gewichten Inhalte nach Kombination von Namen und Schlagworten, Verlinkung und semantischer Nähe. Eine Gegendarstellung, die etwa lautet:

„Herr X stellt klar, dass die gegen ihn im Artikel erhobenen Vorwürfe des Betrugs falsch sind“

führt dazu, dass Suchmaschinen Name und Vorwurf dauerhaft verbinden, selbst wenn der Vorwurf unwahr ist.

Beispiel aus der Beratungspraxis (anonymisiert)

Ein Mandant, Geschäftsführer einer bekannten Beteiligungsgesellschaft, ließ sich erfolgreich gegen einen Artikel auf einem Finanzblog zur Wehr setzen. In dem Beitrag wurde angedeutet, er habe „kundennahe Geschäftsmodelle zur persönlichen Bereicherung“ genutzt – ein klar rufschädigender Kontext. Der Verlag bot an, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen, was formal korrekt war.

Doch nach Veröffentlichung stellte sich heraus:

Die strategische Lehre

Nicht jede Gegendarstellung ist hilfreich. In bestimmten Konstellationen kann es klüger sein, auf andere Instrumente zurückzugreifen:

Handlungsempfehlung für Mandanten

Fazit

Die Gegendarstellung bleibt ein wertvolles Instrument – aber im digitalen Raum ist sie kein Automatismus, sondern ein Risikoinstrument. Mandanten sollten gemeinsam mit spezialisierten Kanzleien prüfen, ob, wie und wo sie eingesetzt wird. Denn ein juristischer Erfolg darf kein digitaler Reputationsverlust sein.

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