Wer in der Öffentlichkeit steht und sein „Privatleben“ öffentlich erörtert, muss damit rechnen, dass sich ebendiese dann auch weiterhin dafür interessiert.
Das Recht am eigenen Bild soll zwar die Privatsphäre des Einzelnen maßgeblich schützen, jedoch ist diese rechtlich deutlich enger gefasst, als man dies landläufig annehmen könnte.
„Wer Bettina liebt, der schiebt!“
Nach seinem Rücktritt rückte „Altbundespräsident“ Christian Wulff erneut in den Medienfokus, als die Trennung von seiner Frau Bettina Wulff bekannt wurde. Knapp zwei Jahre später gab er per Pressemitteilung bekannt, dass das Paar wieder zusammenlebe.
Diese Geschehnisse sorgten für ein erneutes mediales Interesse an seiner Person, sodass einige Tage nach der Pressemitteilung ein Artikel im „People“-Magazin veröffentlicht wurde, der das Paar an ihrem Auto zeigte. Wenige Tage später veröffentlichte derselbe Verlag in seinem Magazin „Neue Post“ einen Artikel mit dem Titel „Nach der Versöhnung – Christian Wulff – Wer Bettina liebt, der schiebt!“. Der Artikel war mit einem Foto versehen, das den „Altbundespräsidenten“ mit seiner Frau zeigte. Auf dem Foto war er beim Schieben eines vollen Einkaufswagens zu sehen.
Durch die Bilder in der Zeitschrift „Neue Post“ sah sich Christian Wulff in seinem Recht am eigenen Bild verletzt und klagte auf Unterlassung. Das Landgericht Köln gab der Klage statt. Die Berufung des Zeitungsverlages vor dem Oberlandesgericht Köln war erfolglos, da auch der Senat eine rechtswidrige Beeinträchtigung der Privatsphäre annahm. Der Bundesgerichtshof hatte jetzt in der Revision erneut über die Rechtsfragen zu entscheiden.
Das Recht am eigenen Bild
Das Recht am eigenen Bild folgt aus § 22 Satz 1 KunstUrhG. Danach dürfen Bildnisse nur mit der Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Eine Ausnahme besteht nach § 23 Absatz 1 Nr. 1 KunstUrhG für Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Die Zeitgeschichte umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, wobei der Bundesgerichtshof nicht die Qualität der Presse beurteilen darf. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichts für Menschenrechte muss zudem immer eine Abwägung widerstrebender Interessen und Grundrechte vorgenommen werden.
Die Grenze der Berichterstattung über die Zeitgeschichte ist ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten § 23 Absatz 2 KunstUrhG, zum Beispiel ein Eingriff in seine Privatsphäre. Die Privatsphäre schützt den Lebensbereich des Einzelnen, dessen Darstellung als unschicklich gilt. Eine Darstellung ist insbesondere unschicklich, wenn sie nachteilige Reaktionen der Außenwelt nach sich ziehen kann. Von der Privatsphäre abzugrenzen ist die Sozialsphäre, die nur in absoluten Ausnahmefällen ein berechtigtes Interesse begründet. Bei der Sozialsphäre liegt immer eine Interaktion mit der Außenwelt vor, die nicht mehr auf rein persönlichen Beziehungen beruht.
Kein berechtigtes Interesse des „Altbundespräsidenten“
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts Köln auf, da er die Veröffentlichung der Bilder als rechtens erachtete (BGH, Urteil v. 6.2.2018, Az. VI ZR 76/17). Die Richter ordneten die Bilder, die Christian Wulff beim Einkaufen zeigen, der Zeitgeschichte zugeordnet. Die Pressefreiheit der Beklagten habe in diesem Fall Vorrang vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des „Altbundespräsidenten“.
Auch ein berechtigtes Interesse von Herrn Wulff stehe der Veröffentlichung nicht entgegen, da lediglich die Sozialsphäre betroffen sei. Ein Einkauf in einem öffentlichen Supermarkt sei nämlich maßgeblich von einer Interaktion mit der Außenwelt geprägt, die nicht auf rein persönlichen Beziehungen beruhe. Das Bild zeige keine Situation, die eine negative Reaktion der Außenwelt nach sich ziehen könne. Im Gesamtbild mit dem Artikel werde der Altbundespräsident als fürsorgender Familienvater in einer Alltagssituation dargestellt.
Insbesondere berücksichtigten die Richter auch, dass Christian Wulff weiterhin gesellschaftlichen und politischen Interessen nachkommt. Sein Amt wirke auch nach seinem Rücktritt weiterhin fort und führe zu einem öffentlichen Interesse an seiner Person. Zudem habe er sein Ehe- und Familienleben immer wieder selbst öffentlich zum Thema gemacht und sich somit mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt.
Privatsphäre ist nicht gleich „Privatleben“
Die Entscheidung verdeutlicht einmal wieder, dass die rechtliche Privatsphäre wesentlich enger gefasst ist, als es der allgemeine Sprachgebrauch suggeriert. Wer „privat“ einkauft, bewegt sich rechtlich in der Sozialsphäre und nicht, wie man annehmen könnte, in seiner Privatsphäre.
Auch „Promis“ haben natürlich grundsätzlich eine Privatsphäre. Allerdings muss immer genau darauf geachtet werden, welche „privaten“ Informationen man öffentlich erörtert. Gerade als Person des öffentlichen Lebens ist Vorsicht geboten. Wer sein „Privatleben“ öffentlich macht, darf sich auch nicht wundern, wenn Medien ebenfalls ein gesteigertes Interesse an diesem entwickeln. Wer der Öffentlichkeit einmal Einblicke in einen bestimmten Bereich gewährt hat, kann diese Selbstöffnung später auch nicht wieder rückgängig machen.