Er bezieht dort zum Beispiel immer wieder Stellung gegen rechten Populismus und Hetze gegen Minderheiten oder Flüchtlinge – ohne in der ihm eigenen Art mit der Verwendung zahlreicher Satzzeichen – wie zum Beispiel dem Ausrufezeichen – zu geizen. Die ein oder andere Nachricht veröffentlicht er – und das räumt er freimütig ein – auch gerne einmal in angetrunkenem Zustand. Schweiger geht dabei nicht gerade zimperlich vor. Trotzdem oder gerade deswegen verfolgen über 1,4 Millionen Menschen seine Mitteilungen auf Facebook.
„hey schnuffi…! date!? nur wir beide?!“
Erst im September 2017 veröffentlichte Til Schweiger die folgende private Nachricht einer Dame aus dem Saarland über den Facebook-Messenger an ihn nebst vollständigem Namen und Profilbild:
Anlass der Mitteilung war eine angebliche Ankündigung Schweigers (die dieser bestreitet), er werde im Falle eines Einzugs der AfD in den Bundestag Deutschland verlassen.
Die Nachricht der Saarländerin zeugt von einem Mangel an Wertschätzung, der sich nicht unmittelbar erschließt. Der Vorwurf des mangelhaften Demokratieverständnisses gegenüber Herrn Schweiger hätte unseres Erachtens näher erläutert werden dürfen. Zudem scheint bei ihm nicht der Wortschatz das Problem zu sein, sondern doch vielmehr, diesen verständlich zu artikulieren.
Obwohl die Maßnahme Schweigers die – wohlgemerkt private, an einen bestimmten Empfänger gerichtete – Nachricht einfach zu veröffentlichen, gegen das Persönlichkeitsrecht der Dame verstößt und damit unzulässig ist, wies das Landgericht Saarbrücken einen Verfügungsantrag, mit dem Schweiger die Veröffentlichung verboten werden sollte, überraschenderweise ab (LG Saarbrücken, Urteil v. 23.11.2017, Az. 4 O 328/17, hier als PDF abrufbar).
Warum die – ausführlich begründete – Entscheidung des Gerichts falsch sein dürfte, haben wir in unserem Beitrag „Til Schweiger gewinnt Streit um Facebook-Nachricht vor dem LG Saarbrücken“ erläutert.
Gerade aufgrund der Tatsache, dass dieser differenziert diskutiert wird, eignet sich der Sachverhalt als instruktiver Musterfall, um daran die Reichweite und Grenzen des Persönlichkeitsrechts insbesondere in den neuen Medien zu erläutern.
„Jens Maier, du bist ein widerlicher Drecksack!“
Erst gestern hat Til Schweiger nun seiner Übungsreihe für Medienrechtinteressierte einen weiteren Fall hinzugefügt. Er postete die folgende Statusmeldung mit dem Kommentar
„Jens Maier, du bist ein widerlicher Drecksack!“:
Auch hier stellt sich auch hier die Frage nach der Rechtmäßigkeit der öffentlichen Äußerung. Durfte der AfD-Abgeordnete Jens Maier als „widerlicher Drecksack“ tituliert werden?
„Widerlicher Drecksack“ – Zulässige Meinungsäusserung oder Schmähkritik?
Um feststellen zu können, ob es sich bei einer Äußerung um eine zulässige Meinungsäußerung oder um eine unzulässige Schmähkritik handelt, darf diese nicht isoliert betrachtet, sondern muss im Zusammenhang mit ihrem Kontext bewertet werden.
Den Begriff der „Schmähkritik“ hat der Bundesgerichtshof erstmals in der so genannten „Höllenfeuer“-Entscheidung verwendet (BGH NJW 1066, 1617, 1619), ohne diesen dort zu erläutern. Anerkannt ist es nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass eine Schmähkritik nicht schon in einer überzogenen, ungerechtfertigten oder gar ausfälligen Kritik liegt. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll. Damit setzt die Rechtsprechung die Grenzen der Schmähkritik sehr hoch an. Gerade aufgrund der die Meinungsfreiheit verdrängenden Wirkung der Schmähkritik ist diese eng auszulegen.
Anlass des Schweigerschen Facebook-Posts
Hintergrund des neuerlichen Facebookangriffs ist ein Interview, das über den Twitter-Account des AfD-Politikers und Richters Jens Maier (der schon öfter wegen rechtsradikaler Parolen aufgefallen ist) geteilt worden war. Darin hatte sich Noah Becker geäußert, Berlin sei im Vergleich zu London oder Paris eine „weiße Stadt“. Er selbst sei dort wegen seiner „braunen Hautfarbe attackiert worden“.
Über das Profil @JensMaierAfD wurde darauf die folgende Meldung abgesetzt:
„Dem kleinen Halbneger scheint einfach zu wenig Beachtung geschenkt worden zu sein, anders lässt sich sein Verhalten nicht erklären“,
Diese rassistische Verunglimpfung wurde kurze Zeit später gelöscht. Später hieß es, der Tweet sei nicht von Jens Maier selbst, sondern von einem Mitarbeiter abgesetzt worden.
Die Bezeichnung „widerlicher Drecksack“ steht somit nicht isoliert im Raum, sondern stellt eine Reaktion auf einen provokanten und rassistischen Angriff des Herrn Maier dar. Dieser richtete sich zwar nicht gegen Herrn Schweiger selbst, sondern gegen Noah Becker, so dass ihm weder das zivilrechtliche Recht zum Gegenschlag, noch das strafrechtliche Notwehrrecht zur Seite steht. Allerdings handelt es sich dabei um eine herabsetzende Äußerung, die von Herrn Maier (oder von einem mit den Twitter-Zugangsdaten ausgestatteten Mitarbeiter) ganz bewusst über den mit dem Kürzel „AfD“ versehenen Twitter-Account und somit mit einer ganz bestimmten Intention veröffentlicht wurde.
Im konkreten Fall ist der „widerliche Drecksack“ erlaubt
Die Bezeichnung „widerlicher Drecksack“, ist vor diesem Hintergrund keine Diffamierung der Person, sondern stellt vielmehr eine zwar überspitzte, jedoch noch akzteptable sachliche Kritik dar. Nämlich daran, dass Herr Maier bzw. die AfD mittlerweile gar keinen Hehl mehr daraus machen, dass sie menschenverachtende, rassistische Ansichten vertreten und offenbar meinen, damit auch ganz unverblümt auf Stimmenfang gehen zu können.
Dass man dies widerlich finden darf oder sogar muss, liegt auf der Hand. Auch die Bezeichnung des Äußernden als „Drecksack“ entbehrt nicht eines jeden Sachbezugs, wenn man diesen als „Behälter“ von geistigem „Unrat“ versteht, den dieser wie eine „Dreckschleuder“ auch permanent in der Öffentlichkeit verteilt.
Vor diesem Hintergrund handele es sich bei der Äußerung ihrem Sinn und systematischen Zusammenhang nach nicht um unzulässige Schmähkritik, sondern um den kritisierten Vorgang bewertende Stellungnahme.
Auch die „Nazi-Schlampe“ bezüglich Alice Weidel war zulässig
Bereits die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hatte im Mai 2017 damit leben müssen, in der Satiresendung “Extra 3” als „Nazi-Schlampe“ bezeichnet worden zu sein. Die Bezeichnung galt durch die konkrete Verwendung in ihrem Kontext, nämlich im Zusammenhang mit der Forderung einer Spitzenpolitikerin nach der Abschaffung allzu höflicher Umgangsformen als Steilvorlage für deren umgehenden, überspitzten Umsetzung in Gestalt einer überzeichneten Schmähung, im konkreten Fall als zulässige Satire.
Fazit
Egal, was man manche von Til Schweiger halten, von seinem schauspielerischen Talent, von seinen Tatorten und sonstigen filmischen Werken, ob sie meinen, er nuschele, er spiele sich mit einigen wenigen Gastspielen und Treffen mit Prominenten in den USA und auch ansonsten mit seinen Veröffentlichungen (wie zum Beispiel auf Facebook) nur unnötig auf: Eines muss ihm jeder lassen. Er hält seinen Kurs, wenn es um die Verteidigung von Schwächeren, Minderheiten und Flüchtlingen geht, auch wenn er dabei mitunter Gegenwind erfährt.
Rechtlich ist sein Social-Media-Programm, wie nicht nur die beiden erwähnte Fälle zeigen, ohnehin eine wahre Fundgrube für interessante juristische Problemstellungen, für die man als Medienrechtler nur dankbar sein kann.
Warum wir alle ein bisschen wie Til Schweiger sein sollten, erfährt man übrigens beim Stern.