Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung

Verdachtsberichterstattung

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Eine Verdachtsberichterstattung liegt dann vor, wenn die Medien in der Öffentlichkeit über den Verdacht gegenüber einer Person berichten und dabei dessen Namen offenlegen oder die Person anderweitig identifizierbar machen. Solch eine Verdachtsberichterstattung ist nur in Grenzen zulässig. Doch wo liegen diese Grenzen? 

RTL macht es möglich 

Der Kläger wurde durch seine Teilnahme an fünf Staffeln der Sendung „Traumfrau gesucht“ des Fernsehsenders RTL II bekannt, ist PR-Manager und betreut Künstler. Er lässt seine Fans an sämtlichen Einzelheiten seines täglichen Lebens teilhaben, indem er sein Privat- und Berufsleben in den sozialen Medien darstellt. Der Beklagte zu 1 ist Redakteur bei der Beklagten zu 2, die für die Printausgabe der Bild-Zeitung und für die dazugehörige Internetseite verantwortlich ist. 

Im April 2014 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Ein Ehepaar gewährten ihm aufgrund dessen Darlehen von insgesamt mehreren tausend Euro. Das Amtsgericht verurteilte den Kläger daraufhin zur Rückzahlung an die Ehefrau. 2019 stand dann vor dem Amtsgericht eine Hauptverhandlung in einem Strafverfahren gegen ihn wegen des Vorwurfs des gewerbsmäßigen Betrugs im Zusammenhang mit dem Darlehen an. Das Strafverfahren wurde in der Hauptverhandlung nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. 

Wenige Tage zuvor veröffentlichte die Beklagte zu 2 in der Online- und Printausgabe der Bild-Zeitung zwei weitgehend inhaltsgleiche Artikel. Als Verfasser wurde der Beklagte zu 1 genannt. Während der eine Artikel den Kläger mit einem Strauß Rosen zeigte, war er auf dem anderen Artikel mit den Eheleuten zusammen. Die Artikel tragen die Überschrift „Betrugsanklage gegen D…S…“ und „Betrugsanklage gegen den Rosen-Kavalier“. Zusätzlich wies der Beklagte zu 1 nach Veröffentlichung des Online-Artikels auf diesen mit der Bemerkung „es war mir ein Bedürfnis“ auf seiner Facebook-Seite hin. Außerdem sprach er auf der Facebook-Seite „BILD Mallorca“ zwei ehemalige Klienten des Klägers auf das Strafverfahren an. Wegen der Berichterstattung gab er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, die Beklagte zu 2 nach einer einstweiligen Unterlassungsverfügung eine Abschlusserklärung ab. Der Kläger verlangte von den Beklagten Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung. Das Landgericht wies die Klage ab und das Oberlandesgericht wies die Berufung des Klägers zurück. 

Verdachtsberichterstattung nur in Grenzen

Sodann beschäftige sich auch der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 22.02.2022, Az. VI ZR 1175/20) mit den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung und stellte fest, dass dem Kläger in diesem Fall kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehe. 

Zunächst sei festzuhalten, dass ein solcher Anspruch nicht aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO folge. Aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DSGVO seien Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art. 6 und 7 DSGVO durch Regelungen der Länder ausgenommen. Für die Internetberichterstattung habe zur Zeit der Berichterstattung § 57 Abs. 1 Satz 4 Rundfunkstaatsvertrag gegolten. Auch für die Printberichterstattung seien Vorschriften der einzelnen Länder gegeben. Daher liege es auf der Hand, dass ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO nicht auf die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch eine journalistische Tätigkeit gestützt werden können.

Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts? 

Auch eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes durch die Wort- und Bildberichterstattung sei nicht gegeben. Insoweit sei das Oberlandesgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Wortberichterstattung in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers eingreife. Denn durch die Berichterstattung sei sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht wurden. Dies führe dazu, dass eine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert werde. Zusätzlich werden bestimmte Anforderungen an die Wahrheitspflicht gestellt. Demnach sei jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen erforderlich, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen, so die Richter. In der Regel liege das bei schweren Verbrechen vor, könne aber auch bei leichten Straftaten gegeben sein. Das Einleiten eines Ermittlungsverfahrens gegenüber einem Beschuldigten reiche hierfür in aller Regel jedoch nicht aus.

Insoweit waren die Richter der Auffassung, dass Medien, die über einen Verdacht identifizierend berichten wollen, eine ausreichende Recherche anstellen müssten. Der Bundesgerichtshof war der Ansicht, das Oberlandesgericht sei unter Berücksichtigung vorgenannter Grundsätze zu Recht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Online- und Printberichterstattungen grundsätzlich unzulässig waren. 

Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf Geldentschädigung nur dann begründe, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Im Rahmen dieser Abwägung sei insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- und Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen. Daher habe das OLG die Zahlung einer Geldentschädigung zu Recht verneint, so die Richter am BGH. Zwar sei das Strafverfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Jedoch sei dadurch nicht der Vorwurf des gewerbsmäßigen Betrugs ausgeräumt. Entgegen der Ansicht der Revision erfordere auch der Präventionsgedanke keine Geldentschädigung. 

Kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen identifizierender Verdachtsberichterstattung 

Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Handelt es sich nicht um eine ausgewogene Darstellung, der ein gewisses Maß an Beweisen zugrunde liegt, droht dem Berichterstatter eine Vorverurteilung. 

Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit der Medien darf die Presse immer dann über einen Sachverhallt berichten, wenn ein Öffentlichkeitsinteresse besteht. Auch die Bebilderung sowie Namensnennung des Täters kann rechtmäßig sein, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere seines Verhaltens oder der Bedeutung für die Öffentlichkeit steht.  Letztlich gehört es auch zur Aufgabe der Medien Verfehlungen konkreter Personen aufzuzeigen. Das Öffentlichkeitsinteresse stellt mithin auch die Grundlage für die Medien dar, unter Einhaltung gewisser Sorgfaltspflichten über einen Verdacht zu berichten. Wohlgemerkt, ist die Verbreitung von unwahren Tatsachen immer unzulässig. 

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