Einem aktuellen Beschluss des Frankfurter Landgerichts nach ist beim Antrag auf Unterlassung der Löschung von Meinungsäußerungen auf sozialen Medien das Gericht am Wohnsitz des Antragsstellers örtlich zuständig.
Dies folge aus Art. 74 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), wonach Personen unter bestimmten Voraussetzungen auch abseits ihres Wohnorts innerhalb der EU verklagt werden können.
Im Allgemeinen gilt der allgemeine Gerichtsstand
Grundsätzlich gilt in Deutschland gemäß den §§ 12 und 13 ZPO, dass für Klagen stets das Gericht am Wohnsitz des Beklagten zuständig ist. Hiervon gibt es freilich eine Fülle von Ausnahmen, die durch die besonderen (so zum Beispiel der des Erfüllungsortes) und die ausschließlichen Gerichtsstände (unter anderem im Falle von Streitigkeiten über Ansprüche aus Miet- oder Pachtverhältnissen über Räume) verkörpert werden.
Bei Streitigkeiten auf internationaler Ebene kommt – unter anderem – die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zur Anwendung. In Art. 7 heisst es:
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung
– für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
– für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
Sämtliche Personen innerhalb der EU können also auch abseits ihres Wohnorts verklagt werden, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Berliner in Frankfurt contra Irland
Im Falle des Frankfurter Beschlusses hatte ein Nutzer diverser sozialer Medien einen Antrag auf Unterlassung der Löschung einiger seiner Beiträge auf den Plattformen am hiesigen Landgericht gestellt. Der Wohnsitz (im Falle von juristischen Personen ist dies der Firmensitz) des beklagten Internetunternehmens lag in Irland. Das Landgericht wies den Antrag letztlich mit Verweis auf Art. 7 EuGVVO und der damit verbundenen örtlichen Unzuständigkeit der Kammer zurück (LG Frankfurt, Beschluss v. 30.6.2020, Az. 2-03 O 238/20).
In der Begründung zum Beschluss hieß es dazu folgendermaßen:
Das Landgericht Frankfurt a.M. ist örtlich unzuständig. Die Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach Art. 7 Nr. 1 EuGVVO. Der Antragsteller macht hier einen nebenvertraglichen Anspruch auf Unterlassung der Löschung und Sperre wegen eines seiner Posts geltend. Die Erfüllung dieses Anspruchs kann der Antragsteller jedoch nicht im hiesigen Gerichtsbezirk verlangen, sondern nur an seinem Wohnsitz.
Benannter Wohnsitz des Antragstellers lag freilich nicht im Zuständigkeitsbereich des Frankfurter Landgerichts, sondern in Berlin. Darüber hinaus gab die Kammer auch zu Protokoll, dass sich die örtliche Zuständigkeit auch nicht aus einem deliktischen Gerichtsstand gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ergebe. Hier heißt es:
Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
1. (…)
2. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;
Der Handlungsort wäre, da sich hier der Firmensitz der Plattform befindet, in Irland. Erfolgsort der Löschung und Sperre der Beiträge des Antragstellers wäre Berlin, da hier dessen Wohnsitz liegt, und sich die Maßnahmen dort auswirkten. Indes komme es auf die Abrufbarkeit der Beiträge, die das Internetunternehmen als Anlass zur Entfernung genommen haben soll, nicht an, da anders als in üblichen äußerungsrechtlichen Konstellationen nicht die Unterlassung der Verbreitung der Beiträge erreicht werden sollte. Vielmehr sei das Ziel lediglich die Unterlassung der Löschung und Sperrung gewesen, die allerdings nur beim Nutzer selbst einen Effekt hervorrufe. Dass dessen Äußerungen an anderen Orten nicht mehr verfügbar sind, sei lediglich eine mittelbare Folge der Entfernung durch das Unternehmen. Jedenfalls könne hieraus kein Bezug zum Gerichtsbezirk des Landgericht Frankfurt hergeleitet werden.
Fazit
Entscheidende Frage im Rahmen des Beschlusses aus Frankfurt war, wo sich die Unterlassung der Sperre und Löschung der Beiträge am stärksten auswirkt. Richtigerweise ist dies beim Antragsteller selbst, und demnach ist dessen Wohnsitz auch Ort des Gerichtsstands im Sinne der EuGVVO.
Auf nationaler Ebene gelten die bereits erwähnten allgemeinen, besonderen und ausschließlichen Gerichtsstände. Kommen mehrere in Betracht, hat der Kläger gemäß § 35 ZPO ein Wahlrecht. Selbstredend besteht ein solches nicht, wenn ein ausschließlicher Gerichtsstand gegeben ist. Schließlich steht es den Parteien auch frei, Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen, sich also auf einen solchen zu einigen. In sachlicher Hinsicht sind für Streitigkeiten im Zivilrecht gemäß § 23,71 GVG mit einem Streitwert über 5.000 Euro die Landgerichte zuständig. Unterhalb dieser Grenze müssen die Amtsgerichte angerufen werden.