Keine Tickets für Frankfurter: Wie rechtmäßig?

Menschen aus Frankfurt am Main durften für das Champions-League-Spiel zwischen dem SSC Neapel und Eintracht Frankfurt am Main am 15.03.2023 in Neapel keine Tickets kaufen. Sportrechtler, der Sport und die Politik streiten darum.

 

 

 

 

Die Präfektur Neapel hat den Verkauf von Tickets an Fans aus Frankfurt am Main verboten. Grund waren Sicherheitsbedenken der Behörde. Der Fall hat eine Debatte entfacht, in der sich der UEFA-Präsident Aleksander Ceferin auf die Seite der Frankfurter gestellt hat. Auch die deutsche Sportministerin hat sich eingeschaltet. „Bei Hochrisikospielen sollte jede mögliche Sicherheitsmaßnahme sehr genau geprüft werden, bevor man als allerletzte Option alle Fans einer Mannschaft ausschließt“, erklärte Nancy Faeser (SPD) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Passive Dienstleistungsfreiheit berührt

Der pauschale Ausschluss von Fans aus Frankfurt am Main könnte mit Europarecht kollidieren. Er berührt nicht nur den freien Binnenmarkt, sondern auch die passive Dienstleistungsfreiheit, die durch Artikel 56 AEUV geschützt wird. Danach sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, verboten.

Auch die EG-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123 sieht vor: „Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen. Der Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistung erbracht wird, gewährleistet die freie Aufnahme und freie Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten innerhalb seines Hoheitsgebiets.“

Es gilt der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung. Eine Maßnahme darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen. Da sich das Verbot aber nicht gegen deutsche Fans richtete, sondern Fans aus Frankfurt am Main, ist dieser Fall hier nicht einschlägig.

Art. 52 AEUV sieht allerdings Maßnahmen vor, die „eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind“.

Diskriminierung verboten

Für eine Diskriminierung deutscher Fans müsste es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einen zwingenden Grund des Allgemeinwohls geben, der eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann.

Zwingender Grund des Allgemeinwohls erforderlich

Der EuGH hat einen solchen zwingenden Grund des Allgemeinwohls etwa in einem Fall als gegeben angesehen, in dem eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit vorlag. Allerdings hat der EuGH auch bereits die Notwendigkeit, einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, als zwingenden Grund des Allgemeininteresses zugelassen. Ob mögliche Ausschreitungen von Fans ein pauschales Verbot für Fans aus Frankfurt bereits zu rechtfertigen vermögen, ist strittig.

Verhältnismäßigkeit gegeben?

Sofern ein Rechtfertigungsgrund vorläge, dürfte die Maßnahme nicht über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinausgehen. Das Ticket-Verkaufsverbot richtete sich nicht gegen bestimmte Fans, etwa solche, die in der Vergangenheit durch Gewalttätigkeiten aufgefallen sind, sondern – wenig differenzierend – gegen in Frankfurt wohnende Menschen generell.

Nach der Dienstleistungsrichtlinie müsste das Ticket-Verkaufsverbot zudem verhältnismäßig sein, also zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet sein. Was die Geeignetheit betrifft, ist zu bedenken, dass beispielsweise ein gewaltbereiter Frankfurt-Anhänger auch außerhalb des Stadtgebiets der Stadt Frankfurt am Main seinen Wohnsitz haben könnte, die Maßnahme eine solche Person aber gar nicht adressiert. Hier stellt sich auch die Frage, inwiefern vergleichbare Fälle unterschiedlich behandelt werden, was den Gleichheitsgrundsatz betrifft.

Die Frage ist auch, wie abstrakt oder konkret die Gefahr war, die von Eintracht-Fans vor dem Spiel ausging. Eine lediglich abstrakte Gefahr reicht für eine derartig weitreichende und pauschale Maßnahme möglicherweise nicht aus.

Fan-Ausschlüsse bereits in der Vergangenheit

Ausschlüsse von Fans, die mit Sicherheitsbedenken begründet wurden, gab es bereits in der Vergangenheit: 2007 wurde im Rahmen der Union of European Football Associations (UEFA) der Verein Feyenoord Rotterdam wegen Ausschreitungen unter Beteiligung von Feyenoord-Fans beim UEFA-Cup-Spiel gegen AS Nancy aus dem UEFA-Cup ausgeschlossen. Feyenoord-Fans hatten in der Innenstadt von Nancy randaliert und sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Das UEFA-Cup-Spiel musste unterbrochen werden. Die UEFA verurteilte Feyenoord zu einer Strafe von 200.000 Schweizer Franken und zwei Heimspielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Geldstrafe wurde anschließend halbiert, Feyenoord musste aber für in Nancy entstandene Sachschäden aufkommen. Feyenoord erwog eine Berufung vor dem Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne.

Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam durften aufgrund einer Entscheidung der Bürgermeister von Amsterdam und Rotterdam, zu den jeweiligen Auswärtsspielen fünf Jahre lang keine Fans mehr mitbringen; 2009 war es bei einem Spiel zu Vorfällen gekommen. In diesem Fall waren allerdings nicht die Grundfreiheiten der Europäischen Union mit im Spiel, da es sich um zwei nationale Teams handelte.

2015 wurden in der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 2016 kroatische Anhänger für zwei Spiele aus dem Stadion ausgeschlossen. Kroatien-Anhänger hatten 2015 in einem Stadion in Split ein Hakenkreuz in den Rasen gebrannt. Zuvor hatte Kroatien gegen Italien vor leeren Rängen spielen müssen wegen rassistischer Aussagen durch Kroatien-Fans in einem Spiel gegen Norwegen. Das Italien-Hinspiel unterbrachen Kroatien-Anhänger durch das Werfen von Leuchtraketen auf das Spielfeld.

Ausschreitungen in Neapel

Nach dem Spiel am Mittwochabend gab es in Neapel Ausschreitungen und Verwüstungen. Laut Neapels Polizeichef seien bei Krawallen sechs Polizisten verletzt worden. Acht Fans wurden festgenommen, darunter drei Anhänger von Eintracht Frankfurt am Main. 470 Frankfurt am Main-Anhänger seien in einer Polizeidienststelle identifiziert worden. Berichten italienischer Medien zufolge versuchten Neapel-Hooligans ins Teamhotel Frankfurts vorzudringen.

UEFA-Ceferin hat die Entscheidung der italienischen Behörde als „absolut nicht korrekt“ bezeichnet. Nun sollen die UEFA-Regeln entsprechend geändert werden.

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