Als eine der seit vielen Jahren führenden Kanzleien Deutschlands, wenn es um die außergerichtliche und gerichtliche Vertretung von Amazon-Händlern geht, haben wir einen guten Überblick über die Entwicklungen und leitenden Entscheidungen des Konzernriesens gegenüber seinen wirtschaftlich oft abhängigen Verkaufspartnern.
Aktuelle Entwicklungen bei Amazon-Kontosperrungen
In letzter Zeit ist uns aufgefallen, dass Kontosperrungen häufig bereits in der ersten Mitteilung mit dem Verstoß gegen eine konkrete interne Richtlinie, die in der Mitteilung verlinkt wird, begründet werden. Grund- bzw. begründungslose Sperrungen werden seltener. Das wirkt sich auf die Argumente aus, die einer Kontosperrung entgegensetzt werden können.
Analyse der rechtlichen Grundlagen und Begründungspflichten
Ein Verstoß gegen die Benachrichtigungs- und Begründungspflicht aus den Regelungen der Verordnung (EU) 2019/1150 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, die sog. Platform-to-Business-Verordnung oder kurz „P2B-VO“ lässt sich nicht ohne Weiteres mehr annehmen.
Die Begründungspflicht bezüglich einer Kontosperrung entfällt nämlich gemäß § 4 Abs. 5 P2B-VO, wenn die Plattform nachweisen kann, dass der Händler wiederholt gegen die Richtlinien verstoßen hat. Das ist immer dann der Fall, wenn der Händler wegen des geltend gemachten Verstoßes bereits verwarnt wurde. Auch solche Richtlinien-Verwarnungen im Vorfeld zu einer Kontosperrung nehmen nach unserem Eindruck zu.
Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Vorgehen gegen die Kontosperrung aussichtslos ist. Ein Anspruch auf Reaktivierung des Verkäuferkontos kann z. B. unter wettbewerbs- und kartellrechtlichen Gesichtspunkten bestehen, auch wenn die Verkäuferkontosperrung (mit Richtlinienverstößen) begründet wurde.
Unsere Erfolgsquote im Hinblick auf die außergerichtliche oder gerichtliche Durchsetzung von Kontofreischaltungen ist daher weiterhin hoch.
Erst Maßnahmenplan, dann Anwalt – ein Trugschluss
Leider werden wir jedoch oft erst beauftragt, wenn ein selbst formulierter Maßnahmenplan über Seller Central – teils über Wochen oder Monate – nicht zum Erfolg geführt hat.
Inhalt und Aufbau dieser Maßnahmenplänen ähneln sich häufig:
Fallstricke bei der Erstellung von Maßnahmenplänen durch Händler
Zunächst räumt der Händler den Rechtsverstoß vollständig ein. Oftmals wird eine dritte Person als Schuldiger auserkoren und die Geschäftsführung des Händlers als unschuldig und unwissend dargestellt. Es folgt eine Auseinandersetzung mit den geltenden Amazon-Richtlinien und teilweise auch gesetzlichen Regelungen. Da hier regelmäßig keine Juristen involviert sind, erscheinen die Ausführungen oftmals – gelinde gesagt – wenig fundiert. Schließlich folgt eine Aufstellung von Maßnahmen, die der Händler ergriffen haben will, um zukünftige Richtlinienverstöße zu vermeiden. Dies alles wird in überschwänglich emotionale Formulierungen eingebettet (z. B. „Ich bedauere zutiefst“, „mein Vorgehen war völlig falsch und unverzeihlich“, etc.), vermutlich um der Angelegenheit Nachdruck zu verleihen.
Den Entscheidern bei Amazon werden demnach von vielen Händlern Maßnahmenpläne vorgelegt, die sich in Aufbau, Inhalt und sogar im Sprachstil ähneln. Es liegt auf der Hand, dass solche Maßnahmenpläne wenig überzeugend und verlässlich wirken. Es ist klar, dass die Ausführungen nicht vom sanktionierten Händler stammen. Die Folge ist – trotz Zeit, Mühen und Kosten, die der Maßnahmenplan mitunter verursacht hat – die standardisierte Mitteilung:
Das verantwortliche Team hat entschieden, dass die von Ihnen bereitgestellten Informationen nicht ausreichen und Ihr Verkäuferkonto nicht reaktiviert werden kann.
Gerade in Fällen, in denen Anhaltspunkte für einen Richtlinien- oder Rechtsverstoß vorliegen oder die Problematik vielschichtig ist, werden sich Entscheider bei Amazon eher von einer sachlichen Aufklärung der Angelegenheit und rechtlichen Argumenten überzeugen lassen, als von inhaltslosem Gerede.
Dubiose „Berater“ befeuern die Gerüchteküche
Häufig hören wir von Händlern, die zunächst ohne anwaltliche Unterstützung eine Freischaltung ihres Kontos erzielen wollten, dass von verschiedenen Personen davon abgeraten wurde, in eine rechtliche Auseinandersetzung mit Amazon zu gehen. Man werde danach als Händler auf der Plattform „nicht mehr glücklich werden“ und auf eine Art „Blacklist“ gesetzt.
Das ist Unsinn. Amazon hat Besseres zu tun, als Händler, die ihre Rechte anwaltlich oder auch gerichtlich durchsetzen, zu benachteiligen. Das Gegenteil trifft zu: Ein Vertragspartner, der seine Rechte bestimmt aber vernünftig geltend macht, wird in der Regel mit größerem Respekt behandelt, als jemand, der sich alles gefallen lässt oder versucht, sich mit fadenscheinigem Gerede „durchzulavieren“.
Bedeutung und Vorteile anwaltlicher Unterstützung im Sperrfall
Die umgehende Einschaltung eines Rechtsanwalts im Fall einer Verkäuferkontosperrung empfiehlt sich aus folgenden Gründen:
- Die Möglichkeit eines gerichtlichen Vorgehens im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens setzt Amazon unter Druck, den Fall zügig zu prüfen. Wenn die Dringlichkeitsfrist bereits verstrichen ist, lässt sich Amazon unserer Erfahrung nach mehr Zeit.
- Der Vortrag im Seller Central kann gegen den Händler verwendet werden. Was einmal im Seller Central gesagt wurde, wird im Rahmen der Korrespondenz mit den Rechtsanwälten von Amazon oder vor Gericht wieder aufgerollt. Insbesondere, wenn Dinge eingeräumt oder Vorgänge erfunden wurden, lässt dies den Händler nicht mehr glaubhaft wirken und führt im Rahmen eines Gerichtsprozesses zu Darlegungs- und Beweisdefiziten.
- Die Rechtsanwaltskosten werden – je nach Umsatz des Händlers – durch die zügige Klärung der Angelegenheit fast immer wieder „reingeholt“, wenn dafür keine weiteren Umsatzeinbußen entstehen. Sollte sich die Sperrung als unrechtmäßig erweisen, besteht zudem die Möglichkeit, über den Abschluss eines Vergleichs die Rechtsanwaltskosten (teilweise) von Amazon erstattet zu bekommen.
Sind Sie von einer Verkäuferkontosperre betroffen? Kontaktieren Sie uns sofort und nicht erst selbst ernannte „Berater“.
Durch unsere guten Kontakte zu Amazon und deren Prozessbevollmächtigten können wir viele Reaktivierungen außergerichtlich herbeiführen. Wenn dies nicht gelingt, scheuen wir nicht die gerichtliche Konfrontation, um auf schnellsten Weg eine Reaktivierung Ihres Verkäuferkontos durchzusetzen.
Grundsätzlich gilt allerdings: Amazon möchte – wie der Händler auch – Geschäft machen und hat daher an der Sperrung seiner Händler grundsätzlich keinerlei Interesse. Der Konzern will sich aber anderseits auch keinen unnötigen (Haftungs)risiken aussetzen und muss daher mit fundierten Argumenten von der Fortsetzung einer Zusammenarbeit überzeugt werden. Genau darin liegt unsere Expertise.