Der 5. Senat des Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg änderte auf die durch LHR für die Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 05. Januar 2024, Az. 5 W 18/23 einen Beschluss des Landgerichts Hamburg ab und erhöhte damit das bereits gegen die Schuldnerin festgesetzte Ordnungsgeld von 400,00 € auf 2.000,00 €. Der Senat bejahte die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, obwohl die Gläubigerin keinen Mindestbetrag beantragt hat und das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach eigenem Ermessen festgesetzt hat.
Ordnungsmittelantrag wegen Verstoß gegen einstweilige Verfügung
Die von LHR vertretene Gläubigerin hatte beim LG Hamburg einen Antrag auf Verhängung eines „empfindlichen Ordnungsmittels“ gegen die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen eine einstweilige Verfügung gestellt. Dies war bereits der zweite Ordnungsmittelantrag, den die Gläubigerin in dieser Sache beim LG Hamburg gestellt hatte. Bereits auf einen ersten Ordnungsmittelantrag hin hatte das HansOLG Hamburg im November 2023 gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, festgesetzt.
Sofortige Beschwerde gegen Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 400,00 €
Nachdem das LG Hamburg im Juni 2023 auf den zweiten Ordnungsmittelantrag wegen eines erneuten schuldhaften Verstoßes der Schuldnerin gegen die einstweilige Verfügung ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € festgesetzt hatte, legte die Gläubigerin sofortige Beschwerde ein, die sich gegen die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes richtete.
Die Gläubigerin machte geltend, dass das vom LG festgesetzte Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € jede Empfindlichkeit vermissen lasse und eine Festsetzung in dieser Höhe gegen ein Unternehmen von der Größe der Schuldnerin den Zweck des § 890 ZPO (Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen) nicht erreichen könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin bereits zum zweiten Mal gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe.
Das LG Hamburg half der sofortigen Beschwerde nicht ab, da es sie mangels Beschwer der Gläubigerin für unzulässig hielt. Daraufhin befasste sich das HansOLG Hamburg mit der Sache.
HansOLG Hamburg bejaht Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde
Das HansOLG Hamburg hat die sofortige Beschwerde der Gläubigerin für zulässig und begründet erachtet und unter Abänderung des Beschlusses des LG Hamburg gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000,00 € festgesetzt.
Dabei hat sich das Gericht auch mit der Frage der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde, insbesondere der Beschwer, auseinandergesetzt. Im Einzelnen hatte es sich mit der Frage zu befassen, ob der Gläubiger, der ein Ordnungsgeld beantragt und in seinem Antrag keine Mindestgröße angegeben hat, beschwert ist, wenn das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach seinem Ermessen festsetzt.
Nach Darstellung der in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen unterschiedlichen Auffassungen kam das HansOLG Hamburg zu dem Ergebnis, dass im konkreten Fall aufgrund der Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 400,00 € wegen wiederholten Verstoßes gegen eine gerichtliche Unterlassungsverfügung eine Beschwer der Gläubigerin vorliege.
HansOLG bejaht Eingabe einer klaren Vorstellung von der Höhe des Ordnungsgeldes
In der Sache fehlte es zwar an einer Bezifferung oder der Angabe eines bestimmten Mindestbetrages. Das Gericht wertete jedoch die Forderung nach einem „empfindlichen“ und nicht nur einem angemessenen Ordnungsgeld und die diesbezüglichen Ausführungen in der Antragsbegründung als von der Gläubigerin angegebene Mindestgröße.
Zudem habe die Gläubigerin mehrmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem erneuten Verstoß gegen die einstweilige Verfügung um eine identische Zuwiderhandlung in gleicher Weise handele und dieser wiederholte Verstoß mit einem empfindlichen Ordnungsgeld geahndet werden solle. Nach Auffassung des HansOLG Hamburg hat die Gläubigerin damit eine klare Vorstellung von der Höhe des Ordnungsgeldes in das Verfahren eingebracht.
Entscheidung im Widerspruch zum BGH-Beschluss I ZB 29/23?
Der 5. Senat des HansOLG setzte sich in seiner Entscheidung unter anderem mit einer im April 2023 ergangenen Entscheidung des 15. Senats des HansOLG Hamburg auseinander. Der 15. Senat vertrat die Auffassung, dass die besseren Gründe dafür sprächen, dass für eine Beschwer eine Diskrepanz zwischen der beantragten bzw. vorgeschlagenen und der vom Gericht festgesetzten Höhe des Ordnungsmittels bestehen müsse. Dies erfordere eine Bezifferung oder jedenfalls die Angabe eines Mindestbetrages durch den Gläubiger.
Mit der Rechtsbeschwerde, die der Gläubiger gegen den Beschluss des 15. Senats eingelegt hatte, befasste sich der 5. Senat jedoch nicht. Die BGH-Richter kamen im konkreten Rechtsbeschwerdeverfahren zu dem Ergebnis, dass „der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Gläubigers gegen die Entscheidung, mit der gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld verhängt worden ist, […] die fehlende Beschwer [entgegensteht], wenn in seinem Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgeldes angegeben wurde und das Gericht die Höhe des Ordnungsgeldes nach seinem Ermessen festgesetzt hat“.
Beschwer des Gläubigers bedarf im Ordnungsmittelverfahren einer besonderen Begründung
Zur Begründung führt der BGH aus, dass die Ordnungsmittel des § 890 Abs. 1 ZPO einen doppelten Zweck haben. Sie dienen präventiv der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen und stellen repressiv eine strafähnliche Sanktion für die Zuwiderhandlung gegen ein gerichtliches Verbot dar. Bei der Bemessung der Ordnungsmittel ist daher in erster Linie auf den Schuldner und sein Verhalten abzustellen.
Im Hinblick auf diese doppelte Zweckbestimmung und den Umstand, dass das Ordnungsgeld zwar auch der effektiven Durchsetzung der Rechte des Gläubigers dienen solle, aber nicht zu dessen Gunsten, sondern zu Gunsten der Staatskasse verhängt werde, müsse die Beschwer des Gläubigers im Ordnungsmittelverfahren besonders begründet werden, so der BGH.
Eine Beschwer komme daher nur in Betracht, wenn der Gläubiger seinen Ordnungsmittelantrag beziffere oder sich aus der Begründung ein (Mindest-)Betrag oder eine bestimmte Größenordnung des angestrebten Ordnungsmittels ergebe und das festgesetzte Ordnungsmittel hinter dieser Vorstellung zurückbleibe. Denn damit macht der Gläubiger deutlich, dass sein Rechtsschutzziel über die bloße Verhängung (irgendeines) Ordnungsmittels hinausgeht und er eine bestimmte Höhe des zu verhängenden Ordnungsmittels zur effektiven Durchsetzung seines titulierten Anspruchs für erforderlich hält.
Anforderungen an Angabe der Größenordnung – „empfindliches“ Ordnungsgeld nicht ausreichend
Nach Auffassung des BGH kommt es für die Frage, ob die für das Rechtsmittelverfahren erforderliche Beschwer vorliegt, nicht darauf an, ob der Gläubiger seine Vorstellungen über die Höhe des festzusetzenden Ordnungsmittels durch einen bezifferten Antrag deutlich gemacht hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob er in den zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Schriftsätzen einen festzusetzenden Mindestbetrag genannt hat, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass sein angestrebtes Rechtsschutzziel bei einer Unterschreitung nicht erreicht würde.
Entscheidend für die Frage der Beschwer ist allein, ob der Gläubiger erkennbar Wert auf die Höhe des Ordnungsmittels gelegt hat oder ob es ihm genügt, dass überhaupt ein Ordnungsmittel festgesetzt wird.
Anders als der 5. Senat des HansOLG Hamburg führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass der Antrag auf Festsetzung eines „empfindlichen“ Ordnungsgeldes allein nicht ausreiche, um ein solches Rechtsschutzziel erkennen zu lassen. Im konkreten Fall wurde jedoch festgestellt, dass der Gläubiger in einem Schriftsatz zum Verfahren unter Bezugnahme auf zwei zuvor festgesetzte Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 5.000,00 € erklärt hatte, dass diesmal “ natürlich ein deutlich empfindlicheres Ordnungsgeld festzusetzen“ sei. Daraus ergibt sich nach Ansicht des BGH eindeutig, dass der Gläubiger die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von mehr als 5.000,00 € für erforderlich hält.
Erfolgsprognose einer möglichen Rechtsbeschwerde gegen Beschluss des HansOLG
Offenbar war dem HansOLG die Entscheidung des BGH noch nicht bekannt. Denn das Gericht hat die Rechtsbeschwerde mit der Begründung zugelassen, dass eine klärungsbedürftige Frage vorliege, zu der es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gebe. Anscheinend hat das Gericht bei der Auseinandersetzung mit der Entscheidung der Kollegen des 15. Senats verkannt, dass genau dieser Beschluss bereits Gegenstand einer BGH-Entscheidung war.
Darüber hinaus hat das HansOLG entgegen der Auffassung des BGH bereits die Beantragung eines „empfindlichen“ Ordnungsgeldes als Angabe einer Mindestgröße verstanden. Zwar hat das Gericht neben dem konkreten Antrag auch auf dessen Begründung abgestellt, insbesondere auf den mehrfachen Hinweis der Gläubigerin darauf, dass es sich um einen erneuten Verstoß gegen die einstweilige Verfügung handele und dieser wiederholte Verstoß daher mit einem empfindlichen Ordnungsgeld zu ahnden sei. Im Vergleich zu der Passage im Schriftsatz, die der BGH als hinreichende Bestimmung des Rechtsschutzziels angesehen hat, ist das Vorbringen der Gläubigerin im HansOLG-Verfahren mangels Angabe von Zahlen allerdings weniger eindeutig.
Nach Ansicht der Verfasserin lassen sich jedoch unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung gute Argumente dafür anführen, dass die von LHR vertretene Gläubigerin hinreichend dargelegt hat, dass es ihr auf die Höhe des Ordnungsmittels und nicht nur auf die Frage des „Ob“ ankommt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gläubigerin mehrfach betont hat, dass es sich bereits um einen Wiederholungsfall handele und das Ordnungsgeld aus dem ersten Ordnungsmittelantrag offenbar nicht ausgereicht habe, um die Schuldnerin zur Unterlassung anzuhalten.