Wer als Kläger wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat Produktmerkmale, die eine sogenannte wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die eine wettbewerbliche Eigenart verhindern, trägt danach der Beklagte (BGH, Urteil v. 01.07.2021, Az. I ZR 137/20).
Die Klägerin in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Herstellerin eines Kaffeebereiters, der jährlich über 20.000 Mal verkauft wurde. Die Beklagte bot ebenfalls einen Kaffeebereiter an, den sie im Internet zum Kauf anbot. Die Klägerin hielt den von der Beklagten angebotenen Kaffeebereiter für eine wettbewerbswidrige Nachahmung ihres eigenen Kaffeebereiters und mahnte die Beklagte erfolglos ab.
Unterlassungsklage stattgegeben
Daraufhin beantragte die Klägerin die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren Kaffeebereiter anzubieten, zu bewerben und in den Verkehr zu bringen. Außerdem nahm sie die Beklagten auf Auskunftserteilung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Landgericht gab der Klage statt, die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurück. Es hielt die Klage für unbegründet, weil der Kaffeebereiter der Beklagten keine unlautere Nachahmung des über wettbewerbliche Eigenart verfügenden Kaffeebereiters der Klägerin darstelle. Mit ihrer Revision verfolgte die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Beklagte trägt Beweislast, wenn Kläger vorgetragen hat
Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen hat. Der Kläger trage nach allgemeinen Grundsätzen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Hat der Kläger diesen Anforderungen jedoch genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die das Entstehen einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, Tatsachen zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.
Das Vorliegen vorbekannter Gestaltungen auf dem Markt sei ein Umstand, der das Entstehen einer an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern könne. Es sei deshalb „nicht Sache des Klägers, sondern der Beklagten“, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen sie die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen wolle.
Zeitpunkt der Markteinführung entscheidend
Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, sei auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen, so der BGH weiter. Daraus ergebe sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich sei, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart müsse grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.
BGH und OLG: Wettbewerbliche Eigenart vorhanden
Der BGH hob das Urteil des OLG Frankfurt am Main auf. Dessen Annahme, es liege keine unlautere Nachahmung vor, halte der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, heißt es in dem BGH-Urteil. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es liege eine Herkunftstäuschung im weiteren Sinne vor, werde ferner nicht von entsprechenden Feststellungen getragen. Zudem sei „das Berufungsurteil insoweit nicht mit Gründen versehen“.
Zwar ging auch der BGH davon aus, dass der Kaffeebereiter der Klägerin über wettbewerbliche Eigenart verfüge, die unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs des Vertriebs als wenigstens durchschnittlich einzustufen sei. Anders als vom Berufungsgericht geurteilt, habe die Klägerin keine Ansprüche aus lauterkeitsrechtlichem Nachahmungsschutz nach § 4 Nr. 3 lit. a UWG.
BGH bemängelt fehlende Berufungsbegründung
Die Revision der Beklagten richtete sich auch dagegen, dass das das Berufungsurteil nicht mit Gründen versehen war, was die Verurteilung der Beklagten betrifft. Nach § 547 Nr. 6 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie entgegen den Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht mit Gründen versehen ist. Nach § 313 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 ZPO enthält ein erstinstanzliches Urteil Entscheidungsgründe, ein Berufungsurteil enthält nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO eine kurze Begründung.
Wenn Entscheidungsgründe völlig fehlten oder diese unverständlich, verworren oder nichtssagend sind oder Ausführungen enthalten, die wegen ihrer Dürftigkeit und Unvollständigkeit den Urteilsausspruch nicht tragen und deshalb in Wirklichkeit nicht erkennen lassen, welche Überlegungen maßgebend waren, liege ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO vor. Seien Entscheidungsgründe lediglich fehlerhaft oder knapp, so fehlt es nicht an einer Begründung im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO an der Begründung. Die angegriffene OLG-Entscheidung wahre das Begründungserfordernis nicht mehr, urteilte der BGH.
Mit seinem Urteil hat der BGH die Rechte und Pflichten von Klägern und Beklagten in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten klargestellt. Wer sich im Prozess gegen das Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart bei einem Konkurrenzprodukt wendet, für den ist Abwarten und Kaffeetrinken nicht länger eine Option.