Bei Verstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) müssen Unternehmen nicht nur mit Konsequenzen seitens der Aufsichtsbehörden und der Betroffenen rechnen. Eine aktuelle Entscheidung des LG Hamburgs zeigt einmal mehr, dass auch Mitbewerber gegen einen datenschutzrechtlichen Verstoß vorgehen können.
Nach Auffassung der Hamburger Richter begründet die Verarbeitung von Patientendaten ohne Einwilligung einen Wettbewerbsverstoß. Unternehmen, die gegen das BDSG verstoßen, müssen so zusätzlich mit Abmahnungen ihrer Konkurrenten rechnen.
Die Klägerin sowie die Beklagte sind Hersteller von Immuntherapeutika für die Hyposensibilisierung von Menschen, die unter Allergien leiden. Die Bestellung bei den Herstellern nimmt der behandelnde Arzt vor. Hierfür werden seitens der Hersteller Bestellbögen zur Verfügung gestellt, die der Patient sodann an die Apotheke weiterreicht.
Darüber hinaus gibt die Klägerin den Bestellenden ein Formular über eine Einwilligung zur Datenübermittlung und -verarbeitung an die Hand. Der Patient kann hierüber ankreuzen, dass er eine Pseudonymisierung seines Klarnamens wünscht. Der Klarname wird in diesem Fall durch eine Nummer aus dem Patientenverwaltungssystem (PVS-Nummer) ersetzt.
Die Klägerin mahnte die Beklagte, die ein solches Einwilligungsformular nicht zur Verfügung stellt, ab. Die Beklagte wiederum wollte dies nicht auf sich sitzen lassen, führte Testbestellungen bei der Klägerin durch und stellte fest, dass die Klägerin ihrerseits Bestellungen bearbeitete, auch wenn ihr kein Therapiebestellbogen mit Einwilligungserklärung vorliegt.
Die Beklagte drehte sodann den Spieß um und mahnte die Klägerin ihrerseits ab. Es entstand somit die kuriose Situation, dass im Rahmen einer Klage und einer Widerklage beide Parteien für den gleichen Wettbewerbsverstoß – die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung – abgeurteilt wurden: Die Abmahnung der Klägerin wurde für sie zum Bumerang.
Verarbeitung von Patientendaten: Einwilligung erforderlich
Der Auffassung der Beklagten, eine Datenverarbeitung der Patientendaten sei ohne Einwilligung möglich, da die Verarbeitung der Patientendaten gem. § 28 Abs. 7 BDSG zulässig sei, schlossen sich die Hamburger Richter nicht an. Eine nach § 28 Abs. 7 BDSG zulässige Datenverarbeitung muss zum einem der Gesundheitsversorgung oder Behandlung dienen und zum anderen müssen die Personen, welche die Daten verarbeiten, einer ärztlichen Geheimhaltungspflicht unterliegen.
Die Mitarbeiter der Beklagten unterlagen allerdings keiner ärztlichen Geheimhaltungspflicht, sodass eine Einwilligung der Patienten in die Datenverarbeitung erforderlich war.
Das Einwilligungserfordernis des BDSG ist eine Markverhaltensregel
Das Interessante an der Entscheidung ist die Feststellung des Gerichts, dass die §§ 4, 4a, 28 Abs. 7 BDSG Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3a UWG darstellen, denn diese Feststellung öffnet dem Wettbewerbsrecht Tür und Tor. Das Argument der Beklagten, eine unzulässige Datenerhebung betreffe die Patienten allein in ihrer Individualrechtsposition als Inhaber der Daten und nicht in ihrer Rolle als Marktteilnehmer, überzeugte die Richter nicht.
Zum besseren Verständnis lohnt sich ein Blick auf die Erwägungsgründe der Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union, da diese Richtlinie unter anderem durch das BDSG umgesetzt wird. Ausweislich des Erwägungsgrunds 1 gewährleistet die Datenschutzrichtlinie nicht allein den Schutz datenbezogener Grundrechte des Einzelnen. Die Richtlinie soll des Weiteren den Schutz personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben (Erwägungsgrund 6 und 7), denn ein unterschiedliches Schutzniveau im europäischen Wirtschaftsraum führe zu einem Hemmnis der Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene und könne den Wettbewerb verfälschen (Erwägungsgrund 7 Satz 2).
Aus diesen Erwägungsgründen zog das LG Hamburg den Schluss, dass die einschlägigen Normen des BDSG
„auch die wettbewerbsrechtliche Entfaltung des Mitbewerbers schützen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden (LG Hamburg, Urteil v. 02.03.2017, Az. 327 O 148/16).“
Der Schluss des LG Hamburg ist folgerichtig, schließlich erlangt derjenige, der keine Einwilligungserklärung verlangt und hierdurch Ressourcen spart, einen Wettbewerbsvorteil.
Was bedeutet das für die Praxis?
Nachdem das LG Berlin im Jahre 2015 bereits entschieden hatte, dass das Fehlen einer Datenschutzerklärung einen Wettbewerbsverstoß darstellt, erkennt das LG Hamburg nun die nächste datenschutzrechtliche Vorschrift – das Einwilligungserfordernis – als Marktverhaltensregel an. Marktteilnehmer werden dadurch in die Lage versetzt, gegen ihre Konkurrenz mittels Abmahnungen und Gerichtsverfahren vorzugehen.
Selbst wenn ab Mai 2018 aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) andere datenschutzrechtliche Formalitäten zu beachten sind, wird sich an dieser Rechtsprechung nichts ändern. Denn auch die DSGVO formuliert in Erwägungsgrund 10 das Ziel, ein gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und die Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten in der Union zu beseitigen.