Ist im Rubrum einer Beschlussverfügung die Vertretung des Antragsgegners durch einen Rechtsanwalt angegeben, so hat die Zustellung im Rahmen der Vollziehung der einstweiligen Verfügung grundsätzlich an diesen zu erfolgen. (amtlicher Leitsatz)
Vorausgegangen war dem Verfahren offensichtlich eine vorgerichtliche Korrespondenz, in welcher sich – wie so oft – auf eine Abmahnung hin Rechtsanwälte auf der Passivseite bestellten, ohne eine Vollmacht vorzulegen oder explizit anzugeben, auch für eine gerichtliches Verfahren bevollmächtigt zu sein. Streng genommen müsste die im Folgeverfahren ergangene einstweilige Verfügung der Partei selber zugestellt werden, da deren Vertreter sich nicht hinreichend deutlich auch für ein gerichtliches Verfahren bestellt haben.
Vgl. OLG Köln, Beschluß vom 10. 1. 2005 – 6 W 117/04 (Couchtisch):
„Im rechtlichen Ausgangspunkt ist dabei auf der Basis der bisherigen, vor dem In-Kraft-Treten des Zustellungsreformgesetzes vom 25. 8. 2001 (BGBl I, S. 1206) entwickelten Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Hamburg, GRUR 1998, GRUR Jahr 1998 Seite 175L = NJWE-WettbR 1998, NJWE-WETTBR Jahr 1998 Seite 19) und der seinerzeit im juristischen Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung (s. z.B. Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl. [2002], § 25a.F. Rdnr. 62 und Teplitzky, § 55 Rdnr. 43 und insb. Fußn. 145) davon auszugehen, dass die Parteizustellung i.S. des § ZPO § 922 ZPO § 922 Absatz II ZPO in der Regel an den Ag. direkt zu erfolgen hat. Anderes gilt nur dann, wenn der Ag. in diesem Verfahren bereits vertreten war. Dann ist die Zustellung an seinen Verfahrensbevollmächtigten zu bewirken, § ZPO § 172 ZPO § 172 Absatz I 1 ZPO. Hierzu gehört das dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorgeschaltete Abmahnverfahren aber gerade nicht, es sei denn, der in diesem für den Schuldner tätig werdende Anwalt teilt mit, er habe Vollmacht auch für das nachfolgende Verfahren (siehe statt vieler nur Teplitzky und Köhler/Piper). Hiervon kann im Streitfall keine Rede sein, und zwar deshalb, weil sich die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin auf das patentanwaltliche Abmahnschreiben lediglich mit der Anzeige gemeldet haben, dass sie von der abgemahnten Gesellschaft „mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt” worden seien.
An diesem Grundsatz, dass die bloße Bestellung eines Rechtsanwalts im Abmahnverfahren noch nicht zu der Annahme berechtigt, eine Zustellung im nachfolgenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung könne ausschließlich oder doch zumindest auch an den anwaltlichen Vertreter bewirkt werden, haben auch die durch das Zustellungsreformgesetz zum Teil neu gefassten Vorschriften über das Verfahren bei Zustellungen (§§ ZPO § 166ff. ZPO) nichts geändert.“
Im vorliegenden Fall hatte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin wohl die Rechtsanwälte des Antragsgegners als Verfahrensbevollmächtigte angegeben, so das diese ins Rubrum der Verfügung aufgenommen wurden.
Dies hat der Ansicht des OLG Jena nach die Folge, dass die Rechtsanwälte dann auch zustellungsbevollmächtigt sind, so dass die Verfügung, sollte sie ausschließlich der Partei zugestellt werden, nicht wirksam vollzogen ist:
„Die Zustellungspflicht des § 172 ZPO wird immer dann ausgelöst, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei oder die Partei dem Gericht oder im Falle einer Parteizustellung dem Gegner hinreichend sichere Kenntnis von der Person des Prozessbevollmächtigten verschafft. Die Vermittlung dieser Kenntnis ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Deshalb genügt auch eine nur aus den Umständen ersichtliche Unterrichtung und Verlautbarung (BGH NJW-RR 1986, 286, 287; OLG Köln GRUR 2001, 456). Hier hatte die Antragstellerin selbst in der Antragsschrift angegeben, dass die Rechtsanwälte Dr. Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners seien. Sie hatten auch das entsprechende vorgerichtliche Schreiben der Rechtsanwälte Dr. … beigefügt, mit dem diese ihre anwaltliche Vertretung des Antragsgegners angezeigt hatten. Selbst wenn man annimmt, dass diese Anzeige im Abmahnverfahren den Umfang der Bevollmächtigung nicht genau nannte (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2005, 143), so hat dies für den vorliegenden Fall aus den vom Landgericht bereits zutreffend genannten Gründen keine entscheidende Bedeutung.
Die Antragstellerin hat die Rechtsanwälte Dr. selbst im Rubrum der Antragsschrift angegeben. Für sie selbst war deshalb die ordnungsgemäße Bevollmächtigung dieser Rechtsanwälte auch für das Verfügungsverfahren ausreichend klar und eindeutig, zumal die Rechtsanwälte Dr. … für den Bestreitensfall die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht angeboten hatten, die Antragstellerin aber keine Vollmacht verlangte. Schließlich wurden die Rechtsanwälte Dr. … auch von Seiten des Landgerichts in das Rubrum der Beschlussverfügung aufgenommen. Auch das Landgericht hatte insoweit an der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der Rechtsanwälte keine Zweifel. Findet sich ein Bevollmächtigter im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung, so ist an diesen zuzustellen (OLG Frankfurt GRUR 19988, 858; Ahrens/Berneke Kap. 57 Rn. 37 m. w. N.). Denn es spielt keine entscheidende Rolle, ob die Aufnahme in das Rubrum wegen einer vorhandenen Schutzschrift oder wegen der eigenen Angabe der Antragstellerin erfolgte. Jedenfalls löste die Aufnahme der Verfahrensbevollmächtigten in das Rubrum der gerichtlichen Entscheidung Erkundigungspflichten der Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin kann sich schließlich nicht darauf berufen, die Aufnahme der Rechtsanwälte Dr. … in das Antragsrubrum sei nur versehentlich erfolgt. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag im Lichte des vorliegenden außergerichtlichen Schriftverkehrs ins Blaue hinein aufgestellt worden ist, hat ein Rubrum in einer Antragsschrift entscheidende Bedeutung und ist mit besonderer Sorgfalt zu erstellen. Die Angabe eines Verfahrensbevollmächtigten hat nämlich auch Auswirkungen auf die Zustellvorgänge, die von Seiten des Gerichts (z. B. im Falle einer Terminsladung) vorzunehmen gewesen wären.“
Da stellt sich doch die Frage, was passiert wäre, wenn den Rechtsanwälten zugestellt worden wäre und diese dann gesagt hätten, sie seien nicht zustellungsbevollmächtigt? Ist dies dann auch aufgrund der Aufnahme in das Rubrum unbeachtlich?
Allein diese Kontrollfrage hätte das Oberlandesgericht dazu veranlassen müssen, seine Auffassung noch einmal zu überdenken. Allerdings steht das OLG Jena mit seiner Auffassung nicht alleine da. Bereits Anfang des Jahres 2010 hatten wir über eine Entscheidung des OLG Hamm berichtet, die sich in Bezug auf die Voraussetzungen der Parteizustellung auf einen ähnlichen Standpunkt gestellt hatten.
Auch wenn nun offenbar bereits zwei Oberlandesgerichte der Meinung zu sein scheinen, eine Prozessbevollmächtigung auf der Antragsgegnerseite gewissermaßen fingieren zu können, bleiben wir dabei, dass eine solche Auffassung falsch sein dürfte. Denn genau wie das OLG Hamm, begeht das OLG Jena den Fehler und übergeht eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame Parteizustellung an den Prozessbevollmächtigten, nämlich, dass ein solcher überhaupt existiert.
Bereits hier hatten wir zu dem Urteil des OLG Hamm die folgenden Ausführungen gemacht:
„Sieht man sich die vom Gericht zur Stütze dieser These angeführten Urteile an, so wird deutlich, dass die Entscheidung an dieser Stelle nicht nur merkwürdig erscheint, sondern schlicht falsch ist.
Für eine wirksame Bestellung eines Prozessbevollmächtigten und dafür, dass der Antragssteller gem. §§ 191, 172 ZPO dem Prozessbevollmächtigten und nicht der Partei zustellen muss, ist naturgemäß Voraussetzung, dass ein solcher Prozessbevollmächtigter überhaupt existiert. Dies wiederum setzt eine entsprechende Bevollmächtigung des Mandanten voraus. Liegt eine solche nicht vor, gibt es auch keinen Prozessbevollmächtigten, an den zugestellt werden müsste. Dies unabhängig von anderslautenden Behauptungen des Antragstellers.
Davon, dass der gegnerische Anwalt von seinem Mandanten zur Prozessführung ermächtigt worden wäre, erwähnt die Entscheidung jedoch nichts. Eine andere Frage ist, ob die Kenntnis des Zustellenden einer bestehenden Bevollmächtigung dadurch dokumentiert werden kann, dass der Zustellende die Prozessbevollmächtigung der zuständigen Stelle zum Beispiel durch Aufnahme des gegnerischen Anwalts in das Rubrum, mitteilt. Dies betrifft Fälle, in denen eine Bevollmächtigung objektiv vorliegt, der Zustellende jedoch die “Bestellung” mit der Behauptung bestreitet, keine Kenntnis von der Bevollmächtigung zu haben. Diese Konstellation behandelt die erste vom Senat in Bezug genommene Entscheidung des BGH. Dort wird unter anderem das Folgende ausgeführt:
“Zwar kann auch durch eine Anzeige des Prozessgegners ein Bevollmächtigter „bestellt” werden, wenn die vertretene Partei oder ihr Vertreter dem Gegner von dem Bestehen einer Prozessvollmacht Kenntnis gegeben hat (BayVerfGH, NJW 1994, 2280 unter IV)”
Grundvoraussetzung für eine “Bestellung” ist aber selbstverständlich eine bestehende Vollmacht.
Auch die Entscheidung des OLG Hamburg geht von dem Bestehen einer wirksamen Prozessvollmacht aus und problematisiert lediglich die Frage der Kenntnis dieser Vollmacht:
“Richtig ist die Erwägung der Ast., daß eine Pflicht, an den Prozeßbevollmächtigten zuzustellen, nicht bestehen kann, wenn die zustellende Partei keine Kenntnis von der Bevollmächtigung hat. Deshalb ist unter Bestellung i.S. des § 176 ZPO der Umstand zu verstehen, daß bei einer Parteizustellung der zustellenden Partei hiervon Kenntnis gegeben worden ist (BGHZ 61, 308 (310f.) = NJW 1974, 240; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 176 Rdnr. 17). Diese Voraussetzung ist hier aber erfüllt, denn in der Beschlußverfügung war Rechtsanwalt S ausdrücklich als Prozeßbevollmächtigter benannt.”
Darüber, ob die Gegenanwälte bereits zum Zeitpunkt der Zustellungsversuche Prozessvollmacht hatten, teilt die Entscheidung des OLG Hamm indes nichts mit. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Ausführungen des Senats und der Tatsache, dass die vorgerichtlichen Schreiben die Mitteilung über eine Prozessbevollmächtigung nicht enthielten, ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche auch nicht bestand und daher die Zustellung an die Gegenpartei wirksam war.
Man kann demnach vor dem Hintergrund dieser Fehlentscheidung des ansonsten eigentlich immer gesetzesfesten OLG Hamm nur von Glück reden, dass für den Antragsteller nicht viel auf dem Spiel stand und der Streitwert und somit die nun zu bezahlenden Kosten nicht all zu hoch waren, ging es doch offenbar nur um Formulierungsdetails innerhalb der gegnerischen Widerrufsbelehrung. Die Entscheidung zeigt aber, dass ein Verfügungsgläubiger ungeachtet der noch so klaren Rechtslage eine Verfügung möglichst beiden, dem Gegner persönlich und dessen Anwalt zustellen lassen und auch beiden Zustellungen größte Sorgfalt widmen sollte. In der Sache bleibt einem zwar immer noch das Hauptsacheverfahren. Die bis dahin entstandenen Kosten können dem Mandanten die Lust am Prozessieren jedoch leicht verderben.“
Wir möchten diese zweite Fehlentscheidung eines Oberlandesgerichts zum Anlass nehmen, die Gerichte noch einmal inständig darum zu bitten, die für die Parteien meist wichtigen Angelegenheiten genauer zu prüfen. Für die Mandanten geht es nicht selten um viel Geld und dem beratenden Anwalt erleichtert es die Arbeit erheblich, wenn Gerichte sich bei der Entscheidungsfindung am Gesetz orientieren.