EuGH: Künstlern außerhalb des EWR steht gleiche Vergütung zu

Verwertungsgesellschaften-Benachteiligung

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Verwertungsgesellschaften in der EU dürfen Künstler, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besitzen, der nicht zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehört, nicht benachteiligen.

Regelungen in einem Mitgliedstaat, die solche Künstler von der Ausschüttung von Lizenzgebühren ausschließen, sind nicht mit dem Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil v. 18.09.2020, Az. C-265/19).

Sachverhalt: Streit zwischen Verwertungsgesellschaften

Die Recorded Artists Actors Performers Ltd (RAAP) und die Phonographic Performance (Ireland) Ltd (PPI) sind zwei in Irland ansässige Verwertungsgesellschaften. RAAP nimmt die Rechte von ausübenden Künstlern wahr, PPI die Rechte von Tonträgerherstellern.

Sie schlossen einen Vertrag, in dem geregelt ist, wie die in Irland für die öffentliche Wiedergabe in Kneipen und an anderen öffentlich zugänglichen Orten oder für die Funksendung aufgenommener Musik zu zahlende Vergütung, nachdem sie von den Nutzern an PPI gezahlt worden ist, auf den Tonträgerhersteller und die ausübenden Künstler aufzuteilen und hierzu teilweise von PPI an RAAP weiterzuleiten ist.

Streitig war, inwieweit der Vertrag auf an PPI gezahlte Vergütungen Anwendung findet, wenn der betreffende ausübende Künstler weder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) besitzt noch sich in einem solchen Staat aufhält.

Nach Auffassung der RAAP müsse die Vergütung immer aufgeteilt werden, unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltsort des ausübenden Künstlers. Die PPI meint dagegen – dem irischen Recht folgend – ausübende Künstler aus Drittstaaten hätten in Irland keinen Vergütungsanspruch, da irische ausübende Künstler in Drittstaaten keine angemessene Vergütung erhielten.

RAAP hielt dieses Vorgehen vor dem Hintergrund internationaler Urheberrechtsverträge für europarechtswidrig, insbesondere in Hinblick auf das internationale WIPO Performances and Phonograms Treaty (WPPT), das auf die internationale Gleichberechtigung von Künstlern abzielt.

EuGH: Vergütung auch für Künstler aus Nicht-EWR-Staaten

Der von der PPI vertretene Standpunkt sei laut EuGH nicht mit dem EU-Recht vereinbar. Dem stehe Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG entgegen. Die Richtlinie 2006/115/EG sehe die Verpflichtung vor, eine Vergütung zu gewährleisten, die angemessen sei und auf den Tonträgerhersteller und den ausübenden Künstler aufgeteilt werde. Sie verlange hierbei nicht, dass der ausübende Künstler oder der Tonträgerhersteller die Staatsangehörigkeit eines EWR-Staats besitzt oder dass er auf eine andere Weise einen Bezug zum EWR hat, z.B., weil er dort seinen Wohnsitz oder Aufenthaltsort hat oder die künstlerische Arbeit dort ausgeführt worden ist.

WPPT-konforme Auslegung

Der Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung im Unionsrecht stelle die Umsetzung des Vertrages der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über Darbietungen und Tonträger (WPPT) sicher und könne nicht durch den nationalen Gesetzgeber ausschließlich auf Staatsangehörige der EWR-Mitgliedstaaten beschränkt werden.

Angesichts des Vorrangs der von der Union geschlossenen internationalen Verträgen sei der Art. 8 Abs. 2 Vermiet- und Verleihrecht-Richtlinie daher so weit wie möglich im Einklang mit dem WPPT auszulegen, so der EuGH. Eine Auslegung, die eine Begrenzung der Anspruchsinhaber auf Personen aus dem EWR vorsieht, sei deshalb unzulässig.

WIPO-Vorbehalte von Drittstaaten

Von Drittstaaten notifizierte Vorbehalte als solche schränkten den Anspruch der Künstler der betreffenden Drittstaaten auf eine angemessene Vergütung in der Union nicht ein. Vielmehr bedürfe es für die Annahme einer solchen Einschränkung der eindeutigen Entscheidung des Unionsgesetzgebers.

Aufteilung zwischen Tonträgerherstellern und ausübenden Künstlern

Es sei des Weiteren unzulässig, dass nur der Tonträgerhersteller eine Vergütung erhält, ohne sie mit dem ausübenden Künstler, der einen Beitrag zu dem Tonträger erbracht habe, teilen zu müssen.

Fazit

Die Entscheidung der EuGH-Richter verdeutlicht, wie sehr internationale Übereinkommen in das europäische und nationale Urheberrecht hineinwirken können. Insbesondere gilt der Grundsatz, dass eine Auslegung nach Möglichkeit völkerrechtsfreundlich und damit konform mit internationalen Verpflichtungen erfolgen muss. Dadurch wird eine eine Gleichbehandlung von Künstlern und Tonträgerherstellern innerhalb der EU gewährleistet.  

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