Die Online-Plattform YouTube genießt weltweite Beliebtheit. User nutzen das Portal vor allem dazu, um sich der Welt zu präsentieren. „Broadcast yourself“ lautet die Devise.
Dies ist allerdings nicht die einzige Funktion des Mediums. Zuweilen kommt es vor, dass Nutzer illegal Filme auf YouTube hochladen. Wer die Urheberrechte eines Rechteinhabers verletzt, riskiert Abmahnungen und Schadensersatzforderungen.
Wer eine Abmahnung aussprechen möchte, benötigt dafür Informationen über den Nutzer. Doch welche Informationen müssen Online-Portale überhaupt preisgeben?
Der EuGH entschied nun in einem Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urteil vom 09.07.2020, Az. C-264/19), dass dem Begriff der „Adresse“ der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG nur die Postanschrift unterfällt. Dies bedeutet, dass Online-Portale nur die Postanschrift herausgeben müssen. Ein Urteil, das Rechteinhaber verärgern wird.
Parker und Scary Movie 5 illegal auf YouTube hochgeladen
Geklagt hatte die Constantin Film Verleih GmbH. Diese ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Filmen Parker und Scary Movie 5. Ohne Zustimmung des Unternehmens wurden diese Filme kostenlos in voller Länge in den Jahren 2013 und 2014 auf YouTube hochgeladen. Zu dieser Zeit liefen die Filme noch im Kino. Zehntausende Nutzer sahen sich die Filme im Netz an.
Contantin Film verlangte Auskunft über die dafür verantwortlichen Nutzer
Der Constantin Film Verleih verlangte daraufhin von YouTube und Google, der Muttergesellschaft von YouTube, Auskunft über die Nutzer, die die Filme illegal hochgeladen haben. Beide Unternehmen gaben die E-Mail-Adressen, IP-Adressen und Telefonnummern der Nutzer nicht preis.
BGH rief EuGH zur Auslegung des Begriffs „Adresse“ der Enforcement-Richtlinie an
Inwieweit YouTube und Google zur Herausgabe von Informationen verpflichtet sind, hing von der Auslegung des Begriffs „Adresse“ des Art. 8 Abs. 2 Buchst. a) der EU-Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG) ab. Das LG Frankfurt wies in erster Instanz die Klage auf Auskunft ab (LG Frankfurt am Main, Urteil v. 03.05.2016, Az. 2-3 O 476/13). Das zuständige Berufungsgericht war das OLG Frankfurt am Main. Dieses verurteilte Google und YouTube zur Übermittlung der E-Mail-Adressen (OLG Frankfurt, 22.08.2017, Az. 11 U 71/16). In der Revision verlangte Constantin Film vom BGH, dass dieser YouTube und Google auch zur Erteilung von Telefonnummer und IP-Adresse verurteilt. Die Klagegegner beantragten hingegen die vollständige Abweisung der Klage. Der BGH bat den EuGH um Auslegung des Begriffs „Adresse“ in einem Vorabentscheidungsverfahren (BGH, Beschluss vom 21.02.2019, Az. I ZR 153/17).
EuGH: „Adresse“ meint nur Postanschrift
Der EuGH entschied, dass Rechteinhaber vom Betreiber nur die Postanschrift des betreffenden Nutzers verlangen können, nicht aber dessen E-Mail-Adresse, IP-Adresse oder Telefonnummer. Damit schloss er sich den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 02.04.2020 an. Der gewöhnliche Wortsinn des Begriffs „Adresse“ erfasse nur die Postadresse. Auch den Vorarbeiten zum Erlass der EU-Richtlinie seien keine Anhaltspunkte für ein erweitertes Verständnis des Begriffs „Adresse“ zu entnehmen. Darüber hinaus werde der Begriff „Adresse“ auch in anderen Unionsrechtsakten, die die E-Mail-Adresse oder die IP-Adresse beträfen, nicht zur Bezeichnung der Telefonnummer, der IP-Adresse oder der E-Mail-Adresse verwendet.
Mitgliedstaaten können weitergehenden Auskunftsanspruch vorsehen
Der EuGH wies darauf hin, dass die Mitgliedstaaten den Rechteinhabern einen weiter gehenden Auskunftsanspruch einräumen können. Dieser müsse jedoch ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Grundrechten gewährleisten und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, etwa den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten.
Auswirkung des Urteils auf die Praxis
Das Urteil der Richter in Luxemburg ist bemerkenswert. Rechtlich ist die Entscheidung überzeugend. Für Rechteinhaber könnte sie allerdings verheerende Folgen haben. Dies hängt damit zusammen, dass für eine Anmeldung auf YouTube die Eingabe der Postanschrift nicht erforderlich ist. Sollte der Gesetzgeber keinen weitergehenden Auskunftsanspruch schaffen, könnte die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in der Zukunft schwierig bis unmöglich werden. Nutzern wird dennoch dringend geraten die Urheberrechte anderer zu respektieren.
Haftet YouTube bald selbst für Urheberrechtsverletzungen?
Aus Sicht von YouTube bleibt spannend, ob das Unternehmen zukünftig selbst für Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform haftet. Bisher sperrt YouTube derartige Inhalte lediglich. Der BGH hat diese Frage bereits dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 13.09.2018, Az. I ZR 140/15). Über das zugrunde liegende Verfahren berichteten wir bereits.