Gerade auf der Socialmedia-Plattform Facebook verbreiten sich Nachrichten biltzschnell. Es bedarf nur wenige Klicks, um einen Beitrag von einer Freundin oder auch von einer fremden Person in der eigenen Chronik zu veröffentlichen. Möglicherweise manchmal so schnell, dass man den Beitrag des anderen Nutzers noch nicht gelesen hat. Bedarf es hier eines kurzen Hinweises durch Facebook?
Das Landgericht Karlsruhe ist jedenfalls der Ansicht, dass es Facebook erlaubt sein sollte, einen solchen Hinweis zu erteilen.
Faktencheck vor Teilen eines Beitrags?
Die Antragstellerin betreibt einen politischen Blog. Auf ihrem Profil bei Facebook postet sie regelmäßig die auf ihrer Seite veröffentlichte Artikel mit einem kurzen Anreißer. Auch Anfang Januar 2022 postete sie auf diese Weise einen am Vortag auf ihrer Webseite erschienen Artikel. Gegenstand des Artikels war insbesondere eine Auseinandersetzung mit der vor dem Landgericht Karlsruhe kurz zuvor erwirkten Beschlussverfügung gegen die Antragsgegnerin, die die Plattform des sozialen Netzwerks „Facebook“ betreibt.
Allerdings konnten diesen Beitrag „sehr viele“ Nutzer nicht wie sonst üblich durch ein einfaches „teilen“ weiterverbreiten. Sie wurden in diesem Zuge mit folgendem Hinweis konfrontiert:
„Weißt du wirklich, was du da gerade teilst? Damit du umfassend informiert bist, worum es in diesem Artikel geht, nimm dir bitte die Zeit, ihn zu lesen.“ oder „Sieh die genau an, was du teilst, bevor du teilst. Um zu wissen, was du teilst, ist es immer eine gute Idee, Artikel erst selbst zu lesen.“
Dann folgen die Schaltflächen „Artikel öffnen“ und „Weiter teilen“. Durch diesen Hinweis fühlte sich die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Sie war der Auffassung, es handele sich hierbei um bevormundende und paternalistische Anmaßungen, die bei üblichem Sprachgebrauch Vorbehalte gegenüber dem journalistischen Inhalt formulierten. Darin liege eine Herabsetzung und Behinderung im Wettbewerb der Parteien.
LG sieht keine Hinderung, den Beitrag zu teilen
Das Landgericht Karlsruhe (LG Karlsruhe, Urteil v. 20.01.2022, Az. 13 O 3/22) entschied über diesen neuen Hinweis, der bei Teilen eines ungelesenen Beitrags auf Facebook eingeblendet wird und schloss sich der Ansicht der Betreiberin des Blogs nicht an. In erster Linie sei sie zu keinem Zeitpunkt gehindert gewesen, ihren beziehungsweise den Beitrag des Autors auf Facebook zu publizieren. Eine auf den Inhalt des Beitrags bezogene Stellungnahme durch die Antragsgegnerin oder durch von ihr beauftragte „Faktenprüfer“ liege gerade nicht vor. Es erscheine lebensfremd, dass sich Nutzer von solche einem Hinweis davon abschrecken lassen würde, den Inhalt zu teilen. Es bedürfe lediglich eines einzigen Klicks, um den Beitrag tatsächlich – auch ungelesen – zu teilen.
Im Kontext handele sich bei den Hinweisen auch nicht um ein abträgliches Werturteil, sondern eine neutral gefasste Erinnerung an eigentlich Selbstverständliches – schließlich sollte man nur etwas weiterverbreiten, was man selbst inhaltlich zur Kenntnis genommen hat. Außerdem habe die Kammer berücksichtigt, dass sich beide Parteien jeweils auf Grundrechte berufen können, so insbesondere auf die freie Meinungsäußerung und auf die berufliche Ausübung ihres jeweiligen Geschäftsmodells. Allerdings ist die Kammer der Auffassung, dass all diese in Betracht kommenden Grundrechtspositionen nur abstrakt, nicht aber konkret betroffen seine, so dass die Betroffenheit der Blogbetreiberin unterhalb der Eingriffsschwelle verbleibe. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass weder die Antragstellerin noch ihr Autor an ihrer Meinungsäußerung gehindert seien. Auch ihre Leser seien in ihrer Informationsfreiheit nicht betroffen. Aus diesen Gründen stehe den Facebook-Hinweisen im Ergebnis nichts entgegen. Denn nach Auffassung der Richter muss es möglich sein, die Facebook-Nutzer durch derartige Einblendungen zum Nachdenken anzuregen.
Keine Herabsetzung journalistischer Leistung oder unlautere Behinderung des Wettbewerbs
Zudem lehnte das Gericht bereits den Verfügungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ab, denn das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin sei nicht nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig. Aus dem Grund, dass weder eine Herabsetzung der journalistischen Leistung der Antragstellerin noch eine unlautere Behinderung deren Wettbewerbs anzunehmen sei. Zwar habe die Betreiberin von Facebook mit dem Einstellen des angegriffenen Faktencheck-Hinweises und dessen Verknüpfung mit dem Beitrag der Klägerin eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zugunsten des eigenen Unternehmens vorgenommen und auch ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis sei gegeben. Allerdings fehle es eben an der unlauteren geschäftlichen Handlung.
Bevormundet Facebook seine Nutzer?
Das Landgericht sah also in den Hinweisen lediglich eine neutral gefasste Erinnerung. Ob man in der Erinnerung, die mittelbar Facebook an sich betrifft (kurzer Reminder: der veröffentlichte Artikel bezog sich auf eine erwirkte Beschlussverfügung gegen die Antragsgegnerin), einen neutralen Hinweis sehen kann, bleibt zumindest diskussionswürdig.
Noch ist der Beschluss nicht rechtskräftig.