Bei Lebensmitteln, die vom Marketing gern in den Luxusbereich verortet werden, spielt die Menge ja eigentlich keine Rolle. In der Raffaello-Werbung z.B. geht es nicht um Massen fürs Volk, sondern um ein weißes Stückchen Glück, was auf der Zunge zergeht, während herunterfallende Kokosraspeln sich im Südseesand verkrümeln. Ganz ohne Schokolade! Raffaello genießen und sterben, wer fragt da Ferrero nach dem 2. Stück?
Es ist amtlich: Die Anzahl der Glücksmomente (ohne Schokolade!) ist anzugeben
Das Landgericht Frankfurt ging jetzt einen erheblichen Schritt weiter und fragte: Wie viele solcher Glücksmomente sind denn überhaupt in der Packung? Und eröffnete damit eine aus Verbraucher- und Genießer-Sicht längst überfällige Diskussion um konkrete Mengenangaben. Ein von der Verbraucherzentrale Hessen vertretener Süßkram-Statistiker hatte sich über die Gramm-Angabe geärgert, weil sich daraus nicht konkret die Menge der in einer Packung enthaltenen Genuss-Explosionen ablesen ließe. Weil er dies aber als entscheidend empfand, klagte er und gewann. Ferrero wehrte sich vergebens gegen die Abmahnung der VZ. Die Interessenvertretung fiel leicht, denn mit der EU-Lebensmittelverordnung steht Verbraucherschützern ein mächtiges Werkzeug zur Verfügung. Anhang IV definiert in den Absätzen 2 und 3 nämlich eindeutig, dass bei einzeln in der Verpackung verpackter Ware eine Mengenangabe erforderlich ist. Ist diese nicht vorhanden, handelt es sich dabei um einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.
Der von Ferrero angeführte Gewichtsunterschied einzelner Leckereien tut da nichts zur Sache und ist allein Problem des Herstellers. Das Landgericht Frankfurt schloss auch die letzte Tür der Verteidigung und definierte die Raffaello-Einzelverpackungen nicht als bloße, notwendige Trennhilfe. Solche bedingen unter Umständen einen möglichen Verzicht auf Mengenangaben, z.B. bei Bonbons.
Raffaello-Verpackung ist nicht bloß „Trennhilfe“ für die Kostbarkeiten
Die Raffaello-Verpackung indes bietet nach Ansicht des Gerichts nicht nur Schutz, sondern auch Garantie auf Unversehrtheit einzelner Kostbarkeiten. Arno Lampmann, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei LHR – Kanzlei für Marken, Medien, Reputation: „Und das spielt natürlich bei solchen Kostbarkeiten eine entscheidende Rolle. Wer mag sich schon in der Sonne räkeln und ein Raffaello einwerfen, das schon mal jemand angefasst haben könnte?“ Oder juristisch: Die fehlende Mengenangabe ist aufgrund eines Verstoßes gegen EU-Recht ein Vergehen nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb.
Wichtig bei solchen Entscheidungen: Den kritischen Verbraucher kostet so etwas nichts bis auf ein wenig Mut – vor allem wenn bei wirklich begründeten Klagen offizielle Verbraucherverbände als Kläger und damit „Prozess-Finanzierer“ auftreten.