Dass auch Schuhe und Sandalen Werke sein können, die urheberrechtlich zu schützen sind, hat das Landgericht Köln entschieden (LG Köln, Urteil v. 3.3.2022, Az.: 14 O 366/21). Die dabei beantwortete Kernfrage lautet: Was macht einen Alltagsgegenstand zu einem Kunstwerk?
Unionsrechtliche Regelung
Dazu gibt es eine Bestimmung, die europaweit gilt und in der Richtlinie 2001/29/EG festgeschrieben ist. Demnach ist ein Objekt dann als schützenswertes Werk anzusehen, wenn es sich um einen mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Originalgegenstand handelt, der Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung seines Urhebers ist.
LG Köln: Schuhe und Sandalen als angewandte Kunst
Das ist der Grundsatz, der von Skandinavien bis Sizilien gilt. Allerdings behalten die nationalen Gerichte die Beurteilungskompetenz hinsichtlich der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit eines Werks – ausgehend vom unionsweiten Werkbegriff haben sie im Einzelfall Entscheidungsspielraum. Diesen nutzend hat das LG Köln festgestellt, dass Schuhe bzw. Sandalen als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt sein können.
Kunst: Jenseits der Notwendigkeiten
Damit urheberrechtlich ein Schuh draus werden konnte, hat sich das Gericht die Artefakte ganz genau angesehen und in der Machart Besonderheiten erkannt, die nicht allein durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt sind; dann wären Schuhe bzw. Sandalen nämlich keine Werke. Die streitgegenständlichen Objekte jedoch zeigten, so die Kölner Richter, kreative Elemente, die auch die nötige Eigenheit gegenüber historischen Vorbildern wie etwa altägyptische Sandalen aufwiesen. Damit seien sie als urheberrechtlich schützenswert zu qualifizieren.
Höchstrichterliches Grundsatzurteil steht noch aus
Das Urteil des LG Köln ist eines, das den vorliegenden Einzelfall würdigt und dabei zu dem Ergebnis kommt, die betreffenden Schuhe bzw. Sandalen seien unter die Bestimmung des europäischen Werkbegriffs zu fassen. Allerdings ist die urheberrechtliche Schutzfähigkeit eines Werkes aus dem Bereich der angewandten Kunst noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Ein solches Grundsatzurteil gäbe allen Beteiligten Orientierung und trüge zur Rechtssicherheit bei.
Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.