Das Landgericht Berlin hat in einem Urteil vom 02. Mai 2023 festgestellt, dass eine Werbung für Armbanduhren, die ein mechanisches Uhrwerk zeigt, obwohl die beworbenen Uhren tatsächlich ein Quarzwerk enthalten, irreführend ist. Auch die neben der Abbildung in der Anzeige enthaltene Beschreibung und Bezeichnung der Uhren, in der von einem Quarzwerk die Rede war, konnte die Irreführung nicht beseitigen (vgl. LG Berlin, Urteil vom 02. Mai 2023, Az. 15 O 50/23).
Unterlassungsanspruch wegen irreführender Werbung für Armbanduhren?
Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, nahm die Beklagte, einen Verlag und Herausgeber einer Tageszeitung, auf Unterlassung einer Werbung für Armbanduhren in Anspruch. Die Beklagte hatte in einer Anzeige in der von ihr herausgegebenen Tageszeitung für die Armbanduhr „Max Bill ‚Quarz Damen’“ zum Preis von 515,00 € bzw. 565,00 € geworben.
Nach Ansicht der Klägerin war diese Werbung irreführend und täuschend, weil im oberen Teil der Anzeige als Blickfang das mechanische Uhrwerk einer Automatikuhr abgebildet war, während das beworbene Modell tatsächlich ein Quarzuhrwerk enthielt. Daher erwarte der Leser, dass auch die angebotenen Uhren ein solch hochwertiges Uhrwerk enthielten, welche zwischen 945,00 € und 2.245,00 € gehandelt werden. Im Vergleich dazu seien Uhren mit Quarzwerk deutlich günstiger.
Beklagte verweigert Abgabe einer Unterlassungserklärung
Auf eine Abmahnung der Klägerin hin zahlte die Beklagte die Abmahnkosten, lehnte aber die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.
Sie ist der Ansicht, der angesprochene Verbraucher erkenne anhand der Abbildung in der Anzeige nicht, dass es sich auf dem Bild um ein Automatiklaufwerk und nicht um ein Quarzlaufwerk handele. Daher liege keine Irreführung vor.
Würde die Anzeige hingegen von einem „fachkundigen Uhrenliebhaber“ wahrgenommen, würde dieser auch nicht irregeführt, da er erkennen könnte, dass es sich trotz der Abbildung nicht um eine teure Uhr mit Automatikwerk handeln könne.
Zudem ergebe sich aus dem Anzeigentext und der Modellbezeichnung, dass es sich bei der angebotenen Armbanduhr um eine Uhr mit Quarzwerk handele. Außerdem sei die Automatikuhr kein Blickfang. Selbst wenn man dies unterstelle, werde die Ungenauigkeit durch die Beschreibung und Bezeichnung der Armbanduhr hinreichend korrigiert.
Streitgegenständliche Werbung ist irreführend
Nach Ansicht des LG Berlin ist der Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1, 2 und 4 S. 1, 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG begründet, da die streitgegenständliche Werbung irreführend sei.
Irreführend und damit unlauter ist eine geschäftliche Handlung u.a. dann, wenn sie Angaben über wesentliche Merkmale der Ware enthält, die geeignet sind, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu täuschen und ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er unter normalen Umständen nicht getroffen hätte (vgl. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG). Unter einer Angabe in diesem Sinne fallen Erklärungen, gleich welcher Ausdrucksform, insbesondere auch bildliche Darstellungen.
Gesamteindruck bei den maßgeblichen Verkehrskreisen entscheidend
Im vorliegenden Fall hat die Kammer die Werbung aus der Sicht der gesamten Leserschaft der Tageszeitung beurteilt und nicht nur auf den „kundigen Uhrenliebhaber“ als maßgeblichen Verkehrskreis abgestellt. Es stellte sich daher die Frage, wie die gesamte Leserschaft der Tageszeitung die beanstandete Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht.
Grundsätze der Blickfangwerbung
Bei der Beantwortung dieser Frage waren neben den Abbildungen auch die Erläuterungen zu berücksichtigen, zumal es sich nach Ansicht der Kammer bei der beanstandeten Werbung um eine sog. Blickfangwerbung handelte.
Blickfangwerbung liegt vor, wenn bestimmte Informationen in der Werbung gegenüber anderen Angaben besonders hervorgehoben werden und dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen. Dabei gilt: Nachträgliche Korrekturen oder klarstellende Ergänzungen im weiteren Verlauf des Werbetextes ändern an der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung eines irreführenden Blickfangs nichts, wenn der Blickfang objektiv unrichtig ist, es für die objektive Unrichtigkeit keinen vernünftigen Grund gibt und sich der Blickfang vielmehr als offensichtliche Falschangabe erweist.
Indirekte Aussagen des Blickfangs
Anders verhält es sich bei mittelbaren Aussagen des Blickfangs, die für sich genommen nicht objektiv unrichtig sind und bei denen der Blickfang selbst durch einen Sternchenhinweis oder auf andere Weise deutlich auf nicht zu übersehende Einschränkungen hinweist. In solchen Fällen geht der verständige Durchschnittsverbraucher davon aus, dass die weiteren Angaben, auf die Bezug genommen wird, Bestandteil des Blickfangs sind und ein richtiges Verständnis der Werbung ohne sie nicht möglich ist.
Aufmerksamkeitsgrad des Durchschnittsverbrauchers der Leserschaft
Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden könne, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise nicht besonders hoch sei.
Zwar handele es sich angesichts der Preise der angebotenen Armbanduhren nicht mehr um geringwertige Gebrauchsgegenstände. Daher könne davon ausgegangen werden, dass der Verbraucher die Werbung grundsätzlich mit erhöhter Aufmerksamkeit wahrnehme. Andererseits handele es sich um eine Anzeige in einer Tageszeitung, die eher beiläufig wahrgenommen werde.
Günstige Quarzuhr oder teure mechanische Automatikuhr?
In der Sache war entscheidend, ob die angesprochenen Verkehrskreise in der Abbildung überhaupt ein mechanisches Uhrwerk erkennen.
Während dies bei einem „kundigen Uhrenliebhaber“ zweifellos zu erwarten sei, könne dies bei der allgemeinen Leserschaft der Tageszeitung nicht zwingend angenommen werden, so die Kammer.
Insgesamt kam das Gericht jedoch zu der Überzeugung, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der streitgegenständlichen Abbildung ein mechanisches Uhrwerk oder zumindest ein Uhrwerk erkennen werde, das im Vergleich zu einer herkömmlichen Armbanduhr eine besondere Qualität und Wertigkeit aufweise, ohne konkret zwischen den Begriffen „Quarzwerk“ und „mechanisches Uhrwerk“ unterscheiden zu können.
Relevanz der Abbildung, Beschreibung und Benennung der Uhren
Nach Auffassung der Kammer wird die Abbildung des Uhrwerks vom Verkehr als Information über die Technik, insbesondere die Mechanik, der angebotenen Armbanduhr verstanden. Es handele sich daher um eine Angabe im Sinne von § 5 Abs. 2 UWG. Da die betroffenen Uhren jedoch nicht mit einem solchen Uhrwerk ausgestattet sind, liege eine objektiv falsche Angabe vor.
Begleitende Beschreibung und Bezeichnung lösen Irreführung nicht auf
Die Irreführung des Verkehrs wurde nach Ansicht des Landgerichts auch nicht durch die begleitende Beschreibung, dass die Uhr ein Quarzwerk enthalte, sowie die Bezeichnung der Armbanduhr ausgeräumt.
Zur Richtigstellung einer unzutreffenden Angabe, wie hier der Abbildung, seien hohe Anforderungen an die begleitenden Erläuterungen zu stellen. Diesen Anforderungen sei die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Verkehr beim Durchblättern der Zeitung nicht die erforderliche Aufmerksamkeit aufbringen könne, um sich mit dem gesamten Anzeigentext eingehend zu befassen.
Zudem könne nicht erwartet werden, dass der Verkehr bei der Bezeichnung „Quarz“ oder „Quarzwerk“ sofort erkenne, dass es sich bei dem abgebildeten Uhrwerk nicht zwangsläufig um ein Quarzwerk handele. Vielmehr gehe der durchschnittlich verständige Verbraucher davon aus, dass das abgebildete Uhrwerk auch tatsächlich in der beworbenen Armbanduhr verbaut sei.
Wichtige Vorabüberlegungen für Werbende
Das Urteil zeigt einmal mehr, wie sehr es im Recht auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Gerade bei Werbeaussagen kommt es besonders auf die Details und deren Zusammenspiel an. Werbende sollten sich daher immer fragen: Wer sind die angesprochenen Verkehrskreise aus objektiver Sicht? Wie versteht der Durchschnittsverbraucher dieser Verkehrskreise die Werbung? Entspricht dieses Verständnis der Realität?