Kein Wunder also, dass manche Händler versucht sind, den mühsamen Aufbau eines guten Rufes abzukürzen – etwa durch die Übernahme eines bestehenden Verkäuferkontos samt positiver Bewertungen.
Doch eine aktuelle Gerichtsentscheidung hat diesem Trick nun einen Riegel vorgeschoben: Die Übernahme fremder Verkäuferkonten inklusive Bewertungen ist unzulässig und stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Online-Händler sollten die Hintergründe kennen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Verkäuferkonto-Übernahmen auf Marktplätzen: Ein fragwürdiger Abkürzungsversuch
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Händler ein bestehendes eBay-Konto mit hoher Bewertungsanzahl übernehmen – sei es durch Kauf des Accounts oder durch „Übertragung“ von einem anderen Unternehmen. Das neue Unternehmen tritt dann unter dem alten Verkäufernamen auf und profitiert von den tausenden positiven Bewertungen des Vorgängers. Für Kunden wirkt es, als hätten sie es mit einem seit Jahren bewährten Händler zu tun, obwohl hinter dem Account in Wahrheit ein neuer Betreiber steht.
Plattformregeln verbieten solche Kontoübernahmen strikt: eBay etwa untersagt in seinen Nutzungsbedingungen jede Übertragung oder den Verkauf von Accounts.
Die Begründung ist einleuchtend – Bewertungen sollen die Leistung eines konkreten Verkäufers widerspiegeln, nicht die eines Nachfolgers. Andernfalls würde der eigentlich persönliche Charakter der Bewertungen ad absurdum geführt. Bei Zuwiderhandlung droht eBay Accountsperrungen.
Trotzdem lockte in der Vergangenheit der kurze Weg zum Top-Bewertungsprofil: Ein gut bewerteter eBay-Shop wechselte den Besitzer und ersparte dem neuen Inhaber die Anfangsphase mit null Bewertungen. Ähnliches ist theoretisch auch auf anderen Plattformen denkbar. Amazon ermöglicht inzwischen sogar technisch die Übertragung eines Verkäuferkontos – dort gibt es in Seller Central einen Button „Verkäuferkonto übertragen“, wobei Bewertungen und sogar Lagerbestand beim Inhaberwechsel erhalten bleiben. Doch was bedeutet das rechtlich?
Gerichtliche Entscheidung: Kontenübernahme als irreführende Geschäftspraktik
Erstmals hat nun ein deutsches Gericht diese Konstellation aufgegriffen und klargestellt, dass die Übernahme eines fremden Verkäuferaccounts samt Bewertungsprofil wettbewerbswidrig ist. Im konkreten Fall hatte ein Händler auf eBay ein Verkäuferkonto mit über 7.000 Bewertungen von einem anderen Unternehmen übernommen, um damit identische Produkte anzubieten. Das Gericht wertete dieses Vorgehen als irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 UWG (LG Düsseldorf, Beschluss v. 12.3.2025, Az. 37 O 30/25, einstweilige Verfügung, nicht rechtskräftig).
Die Begründung: Verbraucher werden getäuscht. Sie gehen selbstverständlich davon aus, dass die Bewertungen zu demjenigen Verkäufer gehören, der aktuell hinter dem Account steht. Tatsächlich jedoch stammten die allermeisten Bewertungen im vorliegenden Fall von der vorherigen Inhaberin des Kontos. Die neue Betreiberin schmückte sich also mit fremden Lorbeeren. Dadurch entsteht ein falscher Eindruck über die Leistungsfähigkeit des neuen Händlers – insbesondere weil eBay-Bewertungen nicht nur die Produktqualität betreffen, sondern ausdrücklich auch Serviceaspekte wie Lieferzeit, Verpackung oder Kundenservice bewerten. Diese Leistungen können sich von Händler zu Händler stark unterscheiden.
Das Gericht folgte der Antragstellerin darin, dass eine solche Fehlzuordnung von Kundenbewertungen die Verbraucher in die Irre führt und ihre geschäftliche Entscheidung beeinflussen kann. Ein Kunde, der die vielen positiven Bewertungen sieht, fasst Vertrauen und kauft möglicherweise – während er ohne dieses künstlich übertragene Bewertungsprofil eventuell nicht beim neuen Händler bestellt hätte. Damit liegt eine Irreführung über wesentliche Eigenschaften des Angebots (nämlich die Zuverlässigkeit des Verkäufers) vor. Der neue Account-Inhaber verschafft sich einen unverdienten Wettbewerbsvorteil gegenüber ehrlichen Mitbewerbern, die ihr Profil von Grund auf aufbauen müssen. Folglich ist die Kontenübernahme rechtlich als unlauterer Wettbewerbsverstoß einzustufen.
Praktische Folgen für Händler auf eBay, Amazon & Co.
Die Entscheidung schafft Klarheit: Die Reputation eines Händlerkontos ist nicht frei handelbar. Jeder Versuch, ein Verkäuferkonto mit Bewertungen zu „erben“, kann nun gerichtlich untersagt werden. Online-Händler auf allen Marktplätzen sollten daraus Lehren ziehen – egal ob sie selbst mit dem Gedanken spielen, ein fremdes Konto zu übernehmen, oder ob ein Konkurrent diesen fragwürdigen Weg eingeschlagen hat.
Aus Sicht aktiver Händler bedeuten die neuen Klarstellungen vor allem:
- Finger weg vom Account-Kauf! Wer ein fremdes eBay-Konto (oder Amazon-Seller-Account) übernimmt, verstößt gegen die Plattform-AGB und handelt nun auch rechtlich auf dünnem Eis. Neben der Gefahr einer Accountsperrung drohen Abmahnungen und gerichtliche Unterlassungsverfügungen von Mitbewerbern. Die vermeintliche Abkürzung kann so in teurem Streit enden.
- Ehrlicher Aufbau statt schneller Tricks: Setzen Sie lieber auf den organischen Aufbau Ihres eigenen Verkäuferprofils. Zufriedene Kunden und echte Bewertungen sind langfristig wertvoller. Gekaufte oder übernommene Bewertungen dagegen sind nicht nur unzulässig, sondern oft auch offenbar unverdient, was Ihren Ruf bei Aufdeckung nachhaltig schädigen kann.
- Geschäftsübernahme richtig durchführen: Möchten Sie tatsächlich ein bestehendes Online-Geschäft übernehmen, dann achten Sie auf eine ordnungsgemäße Rechtsnachfolge. Im Idealfall wird das gesamte Unternehmen mit allen Rechten und Pflichten übernommen (z.B. durch Kauf der Firma), damit Kontinuität besteht. Binden Sie die Plattform frühzeitig ein – Amazon bietet z.B. offizielle Wege für die Kontenübertragung im Falle einer Unternehmensübernahme. Bei eBay ist eine Übertragung zwar grundsätzlich untersagt, doch im Fall einer vollständigen Firmenübernahme könnten Sie zumindest die Firmenänderung im Account-Impressum vornehmen. Wichtig ist, keinesfalls bloß ein Konto „weiterzureichen“, ohne dass die zugrundeliegende Firma übergeht – genau das wurde nun als wettbewerbswidrig erkannt.
- Wettbewerbsverstöße nicht hinnehmen: Stellen Sie als Händler fest, dass ein Mitbewerber sich durch die Übernahme eines fremden Accounts unfaire Vorteile verschafft, können Sie rechtliche Schritte erwägen. Durch die aktuelle Entscheidung haben Sie eine Handhabe, solche Praktiken abzumahnen. Gerade für etablierte Händler, die viel Zeit und Mühe in ihren Bewertungsaufbau investiert haben, ist es ärgerlich, wenn Konkurrenten durch unlautere Methoden plötzlich mit tausenden Bewertungen auftauchen. Die Wettbewerbsordnung bietet Schutz vor solchen Machenschaften – zögern Sie im Ernstfall nicht, diesen Schutz in Anspruch zu nehmen (ggf. in Absprache mit einem spezialisierten Anwalt).
Fazit: Vertrauen will verdient sein
Die Übernahme von Verkäuferkonten nebst Bewertungen mag auf den ersten Blick wie eine attraktive Abkürzung wirken – sie ist jedoch rechtlich unzulässig und hochriskant.
Bewertungsprofile sind persönlich und nicht übertragbar, weil sie die Leistung eines bestimmten Händlers wiedergeben. Sowohl die
Plattformbetreiber als auch die Gerichte stellen klar: Vertrauen der Kunden will ehrlich verdient sein. Online-Händler sollten daher auf transparente und regelkonforme Geschäftspraktiken setzen. Wer sich an die Spielregeln hält, erspart sich nicht nur Konflikte mit Marktplatzbetreibern und Wettbewerbern, sondern gewinnt langfristig auch das wichtigste Kapital im Online-Handel – das Vertrauen der Kundschaft.
(Offenlegung: LHR hat die Antragstellerin vertreten.)