AG Oldenburg sieht Hinweispflicht eines Webdesigners auf möglicherweise entgegenstehende Rechte Dritter an vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Werken

Stadtplan0110bDas AG Oldenburg (Urteil v. 17.04.2015, Az.: 8 C 8028/15) hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem eine Seniorenresidenz von dem beklagten Webdesigner die Erstattung des seitens eines Rechteinhabers wegen der Verletzung seiner Urheberrechte geteert gemachten Schadensersatzes verlangte.

Es ging dabei um sämtliche dem Rechteinhaber in diesem Zusammenhang entstandenen Rechtsanwaltsgebühren sowie die Gerichtskosten eines notwendig gewordenen einstweiligen Verfügungsverfahrens.

Was war geschehen?

Die klagende Seniorenresidenz hatte den Beklagten mit der Erstellung ihrer Homepage beauftragt. Im Jahr 2007 wurde die Homepage entsprechend den Vorgaben der Klägerin erstellt und auch online gestellt. Eine Vorgabe der Klägerin war es insoweit, dass zur Gestaltung der Anfahrtsseite der Seniorenresidenz ein Kartenausschnitt der Umgebung verwendet wird. Die Klägerin übersandte dem Beklagten dementsprechend einen Kartenausschnitt als PDF-Datei und bat darum, diesen wunschgemäß in die zu erstellende Website einzupflegen – so geschah es.

Im November 2012 – mithin 5 Jahre später – erhielt die Klägerin eine Abmahnung wegen des auf der Homepage unter der Rubrik „Anfahrt” verwendeten Kartenausschnitts und wurde zur Abgabe einer den Anforderungen der Rechtsprechung genügenden Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert.

Da die Klägerin die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgab, erwirkte der Rechteinhaber der Urheberrechte des Kartenausschnitts Ende November 2012 eine einstweilige Verfügung gegen die Klägerin, mit welcher es ihr untersagt wurde, den unter ihrer URL befindlichen Kartenausschnitt im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Im Januar 2014 wurde die Klägerin weiterhin aufgefordert, die einstweilige Verfügung als rechtsverbindlich anzuerkennen, Schadensersatz in Höhe von 1.149,54 € zu zahlen sowie die für die Abmahnung und das einstweilige Verfügungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 806,75 € zu erstatten.

Verjährung der vertraglichen Gewährleistungsansprüche

Gegen die klägerseits geltend gemachten vertraglichen Gewährleistungsansprüche wegen des zwischen den Parteien bestehenden (Werk-)Vertrages über die Erstellung einer Website, hatte der Beklagte zu Recht die Einrede der Verjährung geltend gemacht. Er wandte ein, jegliche im Rahmen des Werkvertragsrechts bestehenden Mängelansprüche seien Ende 2009, nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB, verjährt . Auch das das Amtsgericht sah dies so.

Amtsgericht bejaht Gesamtschuldnerregress der Klägerin

Dennoch bejahte das Gericht einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 426 BGB im Rahmen des so genannten Gesamtschuldnerregresses. Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten im Rahmen des Gesamtschuldnerregresses setzt die Annahme voraus, dass Klägerin und Beklagter dem Rechteinhaber an den Urheberrechten des Kartenausschnitts als Gesamtschuldner haften. Die Gesamtschuld umschreibt einen Fall der Schuldnermehrheit, bei dem mehrere Schuldner – hier Klägerin und Beklagter – einem Gläubiger – hier dem Rechteinhaber – eine Leistung so schulden, dass dieser von jedem Gesamtschuldner die volle Leistung fordern kann, diese jedoch insgesamt nur einmal erhält, vgl. § 420 ff BGB. Eine solche Gesamtschuld kann durch Gesetz oder durch vertragliche Vereinbarung entstehen.

Das Gericht bejaht vorliegend einen gesetzlichen Fall der Gesamtschuld gemäß § 840 Abs. 1 i.V.m. §§ 421 ff. BGB, da sowohl die Klägerin als auch der Beklagte dem Rechteinhaber der Urheberrechte an dem streitbefangenen Kartenausschnitt gegenüber gemäß § 97 Abs. 1, 2 UrhG zur Unterlassung und zur Zahlung von Schadensersatz wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Kartenausschnitts auf der Website der Klägerin verpflichtet seien.

Der streitgegenständliche Kartenausschnitt stelle zunächst ein Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG dar. Stadtpläne und Landkarten seien als Darstellungen wissenschaftlicher, technischer Art urheberrechtlich geschützt, wenn es sich dabei um persönliche geistige Schöpfungen i.S.d. § 2 Abs. 2 handele (vgl. hierzu auch BGH GRUR 1998, 916 f.). Die schöpferische Qualität einer Karte könne sich demgemäß bereits daraus ergeben, dass die Karte nach ihrer Konzeption von einer individuellen kartografischen Darstellungsweise geprägt sei, die sie zu einer in sich geschlossenen eigentümlichen Darstellung des betreffenden Gebiets mache. Dies sei vorliegend aufgrund der Gesamtkonzeption der Karte, durch Auswahl des Schriftbilds und der Farbgebung der Fall.

Beide Parteien – so das Amtsgericht weiter – hätten die Urheberrechte Rechtsinhabers verletzt: Die Klägerin weil sich die streitgegenständliche Karte auf ihrer Homepage befinde und der Beklagte weil er diese Homepage erstellt und online gestellt habe. Die Parteien hätten dabei jeweils unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt und damit fahrlässig gehandelt. Es entspräche der üblichen Sorgfaltspflicht im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken, dass die Berechtigung zur Nutzung des Werks geprüft werde und sich darüber Gewissheit verschafft werde. Demgemäß obliege es nach Ansicht des Gerichts der Klägerin als Gewerbetreibender, vor Veröffentlichung der Website die urheberrechtliche Relevanz der zu veröffentlichten Inhalte zu überprüfen. Sie könne sich nicht damit entlasten, den Beklagten mit der Erstellung der Website beauftragt zu haben. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin die Verwendung der streitgegenständlichen Karte initiiert habe. Ebenso obliege es dem Beklagten, den ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellten Kartenausschnitt auf bestehende Urheberrechte Dritter zu überprüfen.

Dem Rechteinhaber sei ferner der Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden.

Für den Ausgleich im Wege des Gesamtschuldnerregresses nach § 426 BGB im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nahm das Gericht hier jeweils eine hälftige Haftung der Parteien an. Gesamtschuldner seien zueinander zu gleichen Teilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt sei. Eine abweichende Bestimmung im Sinne dieser Regelung ergebe sich nach Ansicht des Gerichts vorliegend nicht: Zunächst treffe die Klägerin ein maßgeblicher Verursachungsanteil. Sie habe die Verwendung der streitgegenständlichen Kartenausschnitts initiiert, indem sie dem Beklagte eine PDF-Datei der später online gestellten Karte zur Verfügung gestellt habe.

Auch den Beklagten treffe ein maßgeblicher Verursachungsanteil, da er die Karte ohne weitere Rückfrage nach etwa bestehenden Urheberrechten Dritter bearbeitet und online gestellt habe. Als Fachunternehmen sei er verpflichtet gewesen, sich über etwaige Urheberrechte Dritter zu informieren, zumal auf den ersten Blick erkennbar gewesen sei, dass die Karte von einem Kartografen stamme und nicht von der Klägerin selbst erstellt worden sei. Insoweit bestehe nach Ansicht des Gerichts eine vertragliche Hinweispflicht des Webdesigners gegenüber seinen Kunden. Es sei Aufgabe des Webdesigners, seinem Kunden ein mangelfreies Werk zu verschaffen und dies umfasse auch dessen Rechtmäßigkeit. Die bestehende Hinweispflicht könne allenfalls dann entfallen, wenn der Kunde aufgrund der Geringfügigkeit der Vergütung nicht mit einer entsprechenden Überprüfung rechnen könne, dies sei vorliegend nicht der Fall.

Insbesondere ergebe sich auch keine Haftungsfreistellung des Beklagten aus den dem Werkvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Selbst wenn entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart worden seien – so das Gericht weiter – führe dies nicht zu einer Haftungsfreistellung des Beklagten. Denn eine etwaige in den AGB enthaltene Regelung, welche die Prüfungspflicht betreffend Urheberrechte Dritter auf den Kunden „abwälze“ und den beklagten Webdesigner insoweit von einer entsprechenden Verpflichtung freistelle, sei jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Wesentliche Vertragspflicht des Webdesigners sei die Beachtung des Rechts bei Konzeption und Umsetzung von Internetauftritten. Eine Klausel, die den Verwender von einer solchen wesentlichen Vertragspflicht freizeichne, sei wegen unangemessener Benachteiligung des Auftraggebers und einer Gefährdung des Vertragszwecks unwirksam. Die Erstellung eines den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Internetauftritts gehöre gerade zu den wesentlichen Vertragspflichten des Webdesigners und lasse sich nicht durch AGB ausschließen.

Bedenken gegen diese Entscheidung

Selbst wenn man mit dem Gericht die – zunächst durchaus praktikable anmutende – gesamtschuldnerische Haftung der Parteien annimmt, bestehen jedenfalls gegen die seitens des Gerichts vorgenommene Quotelung einer jeweils hälftigen Verantwortlichkeit der Klägerin und des Beklagten in diesem Fall Bedenken. Denn die Klägerin hatte immerhin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, woraufhin die einstweilige Verfügung seitens des Rechteinhabers erwirkt wurde. Bereits die dadurch entstandenen – nicht unerheblichen – Kosten wären vermeidbar gewesen und sind in keiner Weise von dem Beklagten zu verantworten. Gleiches gilt auch für die weitergehende kostenpflichtige Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung, welche allein die Klägerin verschuldet hatte – auch auf diesen Umstand und die dadurch entstandenen weiteren Kosten hatte der Beklagte keinerlei Einfluss.

Gleichermaßen erscheint auch die dem Beklagten in dieser Konstellation auferlegte Hinweispflicht fragwürdig. Zwar ist es ohne Zweifel die Pflicht des Webdesigners, ein rechtmäßiges Werk herzustellen – es muss jedoch kritisch hinterfragt werden, ob der Umstand, dass es sich vorliegend bei dem rechtsverletzenden Inhalt um einen seitens der Klägerin eingereichten und nur wunschgemäß vom Beklagten in die Website eingepflegten Inhalte handelte, genügend berücksichtigt worden ist.

Auch unsere geschätzten Kollegen, die Rechtsanwälte Matthias Böse und Christian Heermeyer von der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Rudel, Schäfer & Partner, äußern ihrerseits erhebliche Bedenken gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Oldenburg (vgl. MMR 2015, 541, 543).

Die Berufung gegen dieses Urteil ist bereits beim Landgericht Oldenburg anhängig – es bleibt abzuwarten, ob die Richter zu einem anderen Ergebnis kommen als das Amtsgericht und die geäußerten Bedenken teilen. (he)

(Bild: © Fiedels – Fotolia.com)

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