Der „Topstory“ des Internetmagazins meedia.de zufolge wusste der „bekannte“ Blogger Sascha Pallenberg (WTH?) von „dutzenden Unterlagen“, die angeblich beweisen sollten, dass seit Monaten rund hundert Blogs systematisch Schleichwerbung betreiben.
Der Skandalmeldung zufolge erhielten Blogger 30 bis 70 Euro pro eingebundenem Werbe-Link, der aber nicht als solcher gekennzeichnet werden sollte. Dafür mussten sie einen Knebelvertrag mit Geheimhaltungsverpflichtung und Vertragsstrafenbewehrung von 5.001 Euro Strafe zahlen. Dahinter „stecken“ sollte die Internetfirma Onlinekosten.de GmbH, Betreiberin des berühmten Blogs Basicthinking.de, wie meedia.de in einem Update berichtete.
So weit so skandalös.
Am Donnerstag „packte“ der Herr Schmallenberg dann auf seiner Internetseite netbooknews.de zum von ihm selbst geschaffenen „Bloggergate“ „aus“. Nach völlig uninteressanten und -skandalösen Details zum angeblichen „Skandal“ hatte er – nach eigenen Angaben von Beruf: „Techblogger und Consultant“ – auch rechtliche Hinweise für den gemeinen Blogger parat:
„In den USA muessen Blogger ihre Werbekunden und Sponsoren nennen. Per Gesetz wohlgemerkt, denn ansonsten riskiert man eine entsprechende Abmahnung. Waere dies auch ein Modell fuer Deutschland? Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird, denn was im Land des „Abmahn-Wahn“ dann los sein wuerde, koennen wir uns in unseren kuehnsten Traeumen nicht ausmalen.“
Chip Online griff diese juristische Einschätzung auf und machte daraus:
„Denn während in den USA strenge Vorschriften herrschen, nach denen Blogger sämtliche Kooperationen offenzulegen haben, gibt es in Deutschland keine Gesetze, die Blog-Leser oder Google-Nutzer vor derartigen unheiligen Allianzen schützen.“
Toll, diese Blogger! Es gibt zwar kein Gesetz gegen die begangenen Ruchlosigkeiten, dennoch stellt man sich vereint dagegen?
Diese rechtliche Einschätzung dürfte falsch sein.
Das Verschleiern von Werbung ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG rechtswidrig und stellt gem. § 16 TMG eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden kann. Darüber hinaus ist es nach § 4 Nr. 3 UWG unlauter, den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen zu verschleiern. Schließlich wäre da noch die so genannte Blacklist, der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, wonach gem. Ziff. 11 der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung) verboten ist.
Mittlerweile räumt auch der bekannte Blogger Pallenberg auf seiner Seite in „einigen persönlichen Anmerkungen zu „Bloggergate“ ein (die Eigenkreation mit dem Zusatz „Gate“ gefiel ihm wohl doch zu gut, als dass er diese nun weglassen wollte), dass er mit seinen vollmundigen Ankündigungen ein bisschen übertrieben hatte.
Dass im Netz übertrieben, „gespinned“ und manchmal natürlich auch schlichtweg dreist gelogen wird, um der eigenen virtuellen Präsenz zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, ist nichts neues und daher auch in diesem Zusammenhang nicht sonderlich bemerkenswert. Das eigentlich Interessante ist daher mE an dem (angekündigten) „Skandal“, dass viele Blogger und darunter sogar solche, die rechtlich vorgebildet sein sollten, in ihrer eigenen Welt zu leben scheinen, in der auch eigene Regeln gelten.
Denn Schleichwerbung durch Blogger, so lautete die selbstbewusste Ansage, sei – obwohl rechtlich irrelevant – natürlich trotzdem „unehrenhaft“ und daher zu unterlassen. Blogger, so erfuhr der Leser zahlreicher Publikationen, sind auch und insbesondere dann, wenn der unfähige Gesetzgeber offenbar keine Verhaltensregeln für die konkrete Situation vorgesehen hat, natürlich mit einer Art Blogger-Natur-Recht gesegnet, das ihnen in jeder Lebenslage Richtig und Falsch vorgibt.
Diese Einstellung erklärt, dass so mancher virtueller „Blogger-Shitstorm“ im Internet in einer schnöden Steifbrise im eigenen RSS-Feed verödet, bevor das im eigenen Sud Erdachte das Licht der Realität erblickt.
Das Phänomen als solches ist aber anderseits auch leicht zu erklären. ME liegt die Selbstherrlichkeit mancher Web 2.0-Protagonisten in der Infrastruktur von Blogs, Twitter, Facebook und sonstiger „social media“ begründet. Vor allem Facebook und Twitter zeichnen sich dadurch aus, dass man grundsätzlich nicht von der ungefilterten Öffentlichkeit, sondern nur von einem durch den Verfasser selbst erlesenen Publikum konsumiert wird.
Facebookfreunde muss man erst freischalten. Tweets liest nur der, der sich aktiv als Follower meldet und der bei Nichtgefallen nicht wieder geblockt wird. Das heißt, dass das Publikum der social media und somit auch die herrschende Meinung, anders als in herkömmlichen Medien ganz besonders vom Verfasser der Inhalte bestimmt wird.
Mit anderen Worten: Da nur Gleichgesinnte das lesen, was geschrieben wird und potentieller Widerspruch und Kritik selten sind, bietet vor allem die Bloggerszene einen optimalen Nährboden für merkwürdige Gerüchte und Mythen, die, da sie bis zum Wirklichkeitstest so massenhaften und konzentrierten Zuspruch erhalten haben, später schwer zu entzaubern sind.
Es wird Zeit für die Renaissance! (la)