Unter nicht gerade sparsamer Zuhilfenahme von Fußballmetaphern wird heute eine Pressemitteilung des BGH gefeiert.
Danach hat der BGH mit Urteil vom 28. Oktober 2010 – I ZR 60/09 entschieden, dass Besucher des durch Werbeeinnahmen finanzierte Internetportal „www.hartplatzhelden.de“ weiterhin selbst aufgenommene Filme einstellen können, die von anderen Internetnutzern kostenlos aufgerufen und angesehen werden können. Der Kläger, der Württembergische Fußballverband e.V., war der Ansicht, dass ihm als Veranstalter der Spiele in seinem Verbandsgebiet das ausschließliche Recht zu deren gewerblicher Verwertung zusteht.
Der BGH wies die Klage mit dem Hinweis ab, dass der Kläger sich über die ihm angehörigen Vereine eine entsprechende wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern könne, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden.
Der Betreiber der Seite www.hartplatzhelden.de wird vom Fokus mit der Einschätzung zitiert, dass die Entscheidung den
„Sieg der Freiheit im Internet“
bedeute. Auf der Internetseite freut man sich, dass der Amateurfußball „uns allen“ gehöre. Man freue sich auf „viele neue Clips“.
Also ein Finalsieg für den Fußballfan oder sogar für uns alle?
In verschiedenen Blogs wird fernab der rechtlichen Würdigung des Falls, die man für richtig oder falsch halten kann, gejubelt und zum „Sieg“ gratuliert. Nun stehe fest, dass auf der Interseite der Hartplatzhelden auch weiterhin selbst gefilmte Mitschnitte von Amateurspielen veröffentlicht werden können.
Rechtlich mag das zutreffen. Die Frage ist nur, ob es in Zukunft Amateurfußballspiele bzw. (legale) Mitschnitte davon zur Veröffentlichung geben wird. Irgendeiner muss diese ja organisieren.
Die Folge dieses Urteils, und darauf weist der BGH in seiner Presserklärung bereits hin, wird nämlich sein, dass Organisatoren zur Sicherung ihres wirtschaftlichen Auskommens in Zukunft bei Veranstaltungen das Hausrecht, das auch die Bestimmungsgewalt darüber erfasst, ob und in welchem Umfang Foto- und Filmaufnahmen gemacht werden können, strenger ausüben werden. Bevor man als Unbeteiligter (Die Hartplatzhelden haben natürlich erst einmal allen Grund zum Jubeln) daher Sektflaschen köpft, sollte man sich überlegen, ob Entscheidungen wie diese, die vordergründig die „Freiheit“ stärken, zu Lasten von Entfaltungsmöglichkeiten an anderer, ggfls. viel wichtigerer Stelle gehen.
Rechtlich betrachtet mag die Entscheidung begrüßenswert sein. Deren zwangsläufige tatsächliche Folge könnte aber sein, dass die Verbände, um ihr wirtschaftliches Überleben sichern zu können, Einlasskontrollen in Bezug auf Kameras und Handys durchführen und jegliches Filmen verbieten werden, um zu verhindern, dass Internetplattformen von den von ihnen organisierten Verstaltungen wirtschaftlich profitieren. Die zwangsläufige Folge davon wiederum wäre eine weitaus geringe Anzahl von (legalen) Mitschnitten von den so beliebten Fußballspielen. „Viele neue Clips“, wie die Hartplatzhelden sie sich erhoffen, wären dann in Zukunft gerade nicht zu erwarten, sondern würden jedenfalls in kostenloser Form eher die Ausnahme sein.
Die vorliegende Entscheidung mag kein Musterbeispiel für das von mir beobachtete Phänomen sein. Aber in letzter Zeit fällt vermehrt auf, dass Gerichtsentscheidungen im Sinne der „Freiheit“ bejubelt werden, die nur auf den ersten Blick in der Gesamtbetrachtung ein Mehr an Möglichkeiten gewährleistet, in Wirklichkeit daber schnöden wirtschaftlichen Interessen dienen und mit Einschränkungen an anderer nicht so offensichtlicher Stelle einhergehen. Dabei ist hervorzuheben, dass wirtschaftliche Interessen nicht vernachlässigt werden dürfen. Im Gegenteil. Wenn aber Ereignisse als Mehrwert für „das Volk“, hier für den besonders volksnahen Amateurfussballfan, oder sogar ganz pauschal sogar als Sieg für die Freiheit gefeiert werden, der im Gesamtergebnis in Wirklichkeit nicht existiert, wird es bedenklich.
Ein weiteres Beispiel ist das Spickmich.de-Urteil des BGH gegen welches die Verfassungsbescherde nicht zugelassen wurde. Wir berichteten. Danach ist es zulässig, dass Schüler ihre Lehrer öffentlich nach Noten bewerten. Es liegt auf der Hand, dass sich das Verhalten einer Person, die damit rechnen muss, dass sie in Zukunft öffentlich bewertet wird, in der konkreten Situation ändern wird. Oder dass sie, ähnlich wie im vorliegenden Fall, an anderer Stelle Vorkehrungen trifft, die eine Veröffentlichung von persönlichen Verhaltnissen verhindern oder zumindest beeinflussen können. Der Sieg des Grundrechts Meinungsfreiheit hat hier somit nicht vorhersehbare Einschränkungen in Bezug auf das Grundrecht Persönlichkeitsrecht und Entfaltungsfreiheit an anderer Stelle zur Folge, die langfristig wieder alle betreffen, auch wenn zurzeit nur die zu alten, trägen und überbezahlten Lehrer betroffen sind, die sich zudem mal mal nicht so anstellen sollen.
Nochmal: Die zitierten Entscheidungen müssen nicht falsch sein. Mit unreflektiertem Jubel über den „Sieg der Freiheit“ sollte man jedoch vorsichtig sein. Auch und vor allem dann, wenn einen die Entscheidungen nicht unmittelbar selbst betreffen. (la)