Das OLG Frankfurt am Main hat durch Urteil vom 01.07.2008, Az. 11 U 52/07, über die Störerhaftung bei unberechtigter Nutzung einer W-LAN Verbindung entschieden.
Es ging um eine Urheberrechtsverletzung in einer so genannten Internet-Tauschbörse. Die Klägerin hatte festgestellt, dass über die IP-Adresse des Beklagten Dateien urheberrechtswidrig in einer Tauschbörse zum Download angeboten worden waren. Sie war der Ansicht, dass der W-Lan-Internetanschluss des Beklagten eine durch ihn eröffnete Gefahrenquelle darstelle, weshalb er als Störer verpflichtet sei, entsprechende Sicherungsvorkehrungen zu treffen. Aufgezählt wurden diesbezüglich die Sicherung des Routers durch ein individualisiertes Passwort, den Einsatz der besonderen Verschlüsselungsmethode WPA2, anstatt der in der Regel voreingestellten Version WEP, und den Verzicht einer Aufstellung des Routers am Fenster oder an Außenwänden.
Der Beklagte hatte in dem Verfahren angeführt, er sei zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung im Urlaub gewesen und kein Dritter habe in dieser Zeit Zugriff auf seinen Computer gehabt. Das Landgericht in erster Instanz war der Ansicht gewesen, der Anschlussinhaber habe auch für Rechtsverletzungen, die unbekannte Dritte begangen haben, einzustehen. Das Berufungsgericht hat dies nun anders entschieden. Die Störerhaftung könne demnach nicht über Gebühr ausgedehnt werden. Selbst wenn man eine anlassunabhängige Überwachungspflicht des Anschlussinhabers für Familienangehörige annehme, gehe eine uneingeschränkte Haftung des W-Lan-Anschlussinhabers deutlich darüber hinaus, weil er für unbekannte Dritte, die in keiner Beziehung zu ihm stünden, eintreten müsste. Eine Störerhaftung, die konkrete Prüfungspflichten voraussetzt, wäre damit nicht vereinbar. Bei einer lediglich abstrakten Gefahr eines „Missbrauchs von außen“ kommt nach Ansicht des OLG eine Störerhaftung nicht in Betracht. Auch stellte das OLG fest, dass die von der Klägerin geforderten Sicherungsmaßnahmen nicht in diesem Ausmaß gefordert werden können.
Die Entscheidung steht im Gegensatz zu einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg zum Thema. Wir berichteten.
Dass die Entscheidung des OLG falsch sein dürfte, zeigt die Überlegung, dass nach der Logik des Gerichts jeder sich einer Haftung dadurch entledigen kann, indem er sich nur möglichst wenig um den Schutz vor Missbrauch seines Anschlusses kümmert und diesen einem möglichst unbegrenzten Kreis von Dritten zugänglich macht. Umso einfacher wird es nämlich dann nach dem OLG Frankfurt für den Anschlussinhaber sich in Bezug auf gerade denjenigen Dritten zu exkulpieren, der der Versuchung schließlich erliegt und den Anschluss missbraucht. Denn man konnte ja nicht ahnen, dass gerade dieser Dritte die Handlung begehen würde.
Das OLG macht den Fehler und wendet Überlegungen der Rechtssprechung auf den vorliegenden Fall an, obgleich die Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Denn das Gericht zitiert stets Entscheidungen, in denen es um die Frage geht, ob man einen konkreten Dritten, dem man einen Anschluss zur Nutzung überlässt, stets überwachen muss, wenn sich bisher keine Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch gefunden haben.
Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Denn es geht nicht darum, dass der Anschluss einer weiteren Person eröffnet wurde, bzgl. derer es selbstverständlich grundsätzlich keinen Grund gibt, von vorneherein misstrauisch zu sein. Hier wird aber jedem beliebigen Dritten, der sich in Reichweite des W-Lans befindet, noch dazu unter dem Deckmantel der Anonymität bzw. einer anderen Identität, nämlich der des Anschlussinhabers, die Möglichkeit gegeben, unbemerkt alles das zu tun, was der Anschlussinhaber mit seinem Anschluss zu tun in der Lage ist.
Daher passt auch der Vergleich mit der Störerrechtsprechung des BGH in Bezug auf Auktionsplattformen nicht. Denn eBay ermöglicht es nicht zahllosen nicht identifizierbaren Dritten unter seiner Identität Handlungen nach Belieben durchzuführen, sondern stellt im Rahmen eines konkreten Geschäftsmodells Raum für erkennbar fremde Handlungen zur Verfügung.
Die Argumentation des Gerichts ist ein bisschen so, als würde man einerseits eine Reihe Lotto tippen, bei der die Wahrscheinlichkeit, einen Sechser zu erzielen bei ca. 1 zu 14 Millionen liegt und andererseits unzählige Lotto-Reihen ausfüllen, um dann nach einem Lottogewinn mit der zweiten Methode zu behaupten, dass die Wahrscheinlichkeit (Gefahr) eines Lottogewinns (einer Urheberrechtsverletzung) auf jede einzelne getippte Reihe bezogen gleich (1 zu 14 Millionen) und somit auch bezogen auf beide Methoden identisch sei.
Noch ist diese Entscheidung nicht rechtskräftig, aber Internet-Anschlussinhaber, die alleine leben und eine verschlüsselte W-LAN-Verbindung nutzen – und natürlich nicht selbst Täter sind – sind wohl nach diesem Urteil in Frankfurt außer Gefahr. Da in den Filesharingfällen der fliegende Gerichtsstand gelten dürfte, sollte man sich aber nicht in Sicherheit wiegen. Der Gläubiger kann sich den Gerichtsstand nämlich aussuchen. (NH) Zum Urteil