Es ging nach den Angaben der Zeitung zufolge um die Herausgabe von Daten eines Nutzers des hauseigenen Onlineforums. Dieser hatte offenbar unter einem Pseudonym (die echten Daten der Forennutzer waren der Redaktion bekannt) im Herbst 2012 die Pläne des städtischen Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU) kritisiert, gegen die Straßenprostitution in der Stadt vorzugehen und ihm dabei Rechtsbeugung vorgeworfen.
Beleidigter Ordnungsreferent
Herr Ulrich fühlte sich durch diesen Vorwurf schwer beleidigt. Bereits im Oktober hatte sich der Politiker daher hin im Wege einer Abmahnung an die Redaktion gewandt und neben der Löschung des betreffenden Beitrags – dessen genauen Inhalt die Augsburger Allgemeine nicht mitteilt – auch die Herausgabe der Daten des Äußernden verlangt. Die Augsburger Allgemeine löschte zwar darauf hin den Beitrag, weigerte sich aber unter Berufung auf den Datenschutz und die Meinungs- bzw. Pressefreiheit, die Daten des Nutzers herauszugeben.
Auf eine von Herrn Ulrich erstattete Strafanzeige hin, wandten sich die Strafverfolgungsbehörden einige Zeit später an die Redaktion und forderte die Herausgabe der Daten der Nutzer. Abermals ohne Erfolg. Daraufhin wurde der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erlassen, der die Redaktion dazu verpflichtete, die vorliegenden Daten des betreffenden Nutzers an die Ermittler herauszugeben.
Die Netzgemeinde ist entsetzt – Ullrich reagiert
Der Vorgang beschäftigte den ganzen Abend lang die Medien und die Social-Media-Kanäle. Inzwischen haben die SÜDDEUTSCHE und der SPIEGEL das Thema (zurückhaltend) aufgegriffen. Insbesondere auf Twitter und Facebook wurde das Vorgehen des CSU Politikers aber heftig kritisiert. Von Machtmissbrauch und Missachtung der Meinungsfreiheit war da die Rede. Vor diesem Hintergrund äußerte sich Volker Ullrich noch am späten Abend zu den Vorwürfen und rechtfertigte sein Vorgehen. Er stellte aber auch in Aussicht, die Strafanzeige zurückziehen zu wollen, wenn der Äußernde sich bei ihm entschuldige.
Politiker sollten ein dickes Fell haben
Es steht außer Frage, dass die Aktion einen faden Beigeschmack hat. Dies insbesondere deshalb, da die Äußerung, soweit ersichtlich, im besonderen Zusammenhang des politischen Meinungskampfes gefallen ist, innerhalb dessen die Rechtsprechung der Zulässigkeit von so getätigten Äußerungen nicht so enge Grenzen setzt, wie es für gewöhnlich der Fall ist. Abgesehen von der rechtlichen Beurteilung sollte ein Politiker auch scharfe Kritik einstecken können, wenn sie ihre Grundlage in der sachlichen Auseinandersetzung hat und nicht völlig neben der Sache liegt. Obwohl Rechtsbeugung ein Straftatbestand ist, der gem. § 339 StGB sogar als Verbrechen bestraft wird, beinhaltet ein solcher Vorwurf bei der Kritik an einem Politiker, insbesondere wenn er von einem Laien kommt, weniger den Vorwurf einer Straftat, sondern eher die Äußerung der Auffassung, dass der betreffende Politiker rechtswidrig handele und nicht, dass dieser sich wider besseres Wissen über das Recht hinwegsetze.
Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig?
Thomas Stadler meint aber sogar, dass es darauf, ob die Äußerung rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei, gar nicht ankomme. Der Durchsuchungsbeschluss sei in jedem Fall rechtswidrig, da nicht verhältnismäßig, weil der Forenbeitrag der Zeitung, ähnlich wie anonyme Zuschriften Dritter, die im redaktionellen Teil der Zeitung oder Zeitschrift dokumentiert werden, vom Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 iVm § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO umfasst sei.
Äußerung im Onlineforum beschlagnahmefrei?
Diese Auffassung teilen wir nicht. Uns erschließt sich bereits die Vergleichbarkeit eines durch einen Zeitungsverlag betriebenen öffentlichen Meinungsforums, in dem die Leser sich selbstständig zu verschiedenen Themen äußern können und das von der Redaktion nur moderiert wird mit einem ganz bewusst in den Redaktionsteil (also den redigierten, sprich aufgearbeiteten, korrigierten, überarbeiten Teil) einer Zeitung eingestellten (anonymen) Leserbrief zu einem bestimmten Thema. Uns fehlt hier die schützenswerte Vertraulichkeit der journalistischen Arbeit, deren Gewährleistung das von Herrn Stadler zitierte Bundesverfassungsgericht als Schutzzweck des Beschlagnahmeverbots hervorhebt.
Maßnahme unverhältnismäßig?
Uns drängt sich aber auch eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht gerade auf. Die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme erfordert deren Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Unverhältnismäßig wäre es nach diesen Vorgaben, eine Redaktion wegen des bloßen Verdachts einer Beleidigung ohne Vorwarnung zu durchsuchen. Wenn aber die getätigte Äußerung und deren rechtswidriger Aussagegehalt feststeht (der genaue Inhalt der Äußerung wird von der Augsburger Allgemeinen leider nicht mitgeteilt) und ebenfalls klar ist, dass diese Äußerung über ein von einem bestimmten Betreiber kontrollierten Forum getätigt wurde und lediglich deren Urheber noch unbekannt ist, ist kein Grund ersichtlich, diese Information nicht mit den dafür vorgesehen Zwangsmitteln des Staates zu beschaffen, wenn derjenige, der über die Information verfügt, sich nach Aufforderung weigert, diese herauszugeben.
Das leuchtet ein, wenn man Sinn und Zweck des § 97 StPO beachtet. Die einfachgesetzlichen Beschlagnahmeverbote der StPO sollen die Funktionalität der Presse, somit die Pressefreiheit als solche schützen und nicht anonyme Beleidigungen, die ihrerseits Grundrechtseingriffe darstellen, ermöglichen.
Von daher ist der Hinweis auf den Streisandeffekt und sicherlich auch etwas Häme angebracht, wenn ausgerechnet ein CSU-Politiker die Staatsmacht zur Rettung seiner Ehre bemüht. Eine Spiegel-Affäre wird (vielleicht zum Leidwesen des einen oder anderen Basispiraten) daraus deswegen aber noch lange nicht. (la)
Update 2.2.2013: Unserer Meinung ist übrigens auch die Kollegin Nina Diercks, die sich hier zu dem Fall äußert.
Update 20.3.2013: Das LG Augsburg entscheidet, dass die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig war.
Das berichtet die Augsbuger Allgemeine hier. Dies allerdings, weil die Äußerungen des Forennutzers „bei einer wertenden Gesamtbetrachtung“ nicht strafbar gewesen seien. Der Auffassung der Augsburger Allgemeinen, dass Forennutzer als Informanten der Redaktion auch in den Schutzbereich der Pressefreiheit fallen, wollte das Landgericht dagegen nicht folgen. Userbeiträge seien zum einen nicht dem redaktionellen Bereich zuzuordnen. Zum anderen sei ein Forumsnutzer nicht als Informant eines Pressemitarbeiters anzusehen. Die Verantwortung für derartige Beiträge liege nach den Nutzungsbestimmungen für das Forum allein beim jeweiligen Nutzer, von deren Inhalt sich die Betreiberin ausdrücklich distanziere.
(Bild: Torbz – Fotolia.com)Polizei beschlagnahmt Daten eines Foren-Nutzers der Augsburger Allgemeinen – zu Recht?
Nach einem Bericht der Augsburger Allgemeinen hat die Polizei am Montag einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Augsburg in den Redaktionsräumen vollziehen wollen.
Es ging nach den Angaben der Zeitung zufolge um die Herausgabe von Daten eines Nutzers des hauseigenen Onlineforums. Dieser hatte offenbar unter einem Pseudonym (die echten Daten der Forennutzer sind der Redaktion bekannt) im Herbst 2012 die Pläne des städtischen Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU) kritisiert, gegen die Straßenprostitution in der Stadt vorzugehen und ihm dabei Rechtsbeugung vorgeworfen.
Herr Ulrich fühlte sich durch diesen Vorwurf schwer beleidigt. Bereits im Oktober hatte sich der Politiker daher hin im Wege einer Abmahnung an die Redaktion gewandt und neben der Löschung des betreffenden Beitrags – dessen genauen Inhalt die Augsburger Allgemeine nicht mitteilt – auch die Herausgabe der Daten des Äußernden verlangt. Die alte Augsburger Allgemeine löschte zwar darauf hin den Beitrag, weigerte sich aber unter Berufung auf den Datenschutz und die Meinungs- bzw. Pressefreiheit, die Daten des Nutzers herauszugeben.
Auf eine von Herrn Ulrich erstattete Strafanzeige hin, wandten sich die Strafverfolgungsbehörden einige Zeit später abermals an die Redaktion und forderte die Herausgabe der Daten der Nutzer. Abermals ohne Erfolg.
Daraufhin wurde der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss erlassen, der die Redaktion dazu verpflichtete, die vorliegenden Daten des betreffenden Nutzers an die Ermittler herauszugeben.
Der Vorgang beschäftigte den ganzen Abend lang die Social-Media-Kanäle. Insbesondere auf Twitter und Facebook wurde das Vorgehen des CSU Politikers heftig kritisiert. Von Machtmissbrauch und Missachtung der Meinungsfreiheit war da die Rede. Vor diesem Hintergrund äußerte sich Volker Ullrich nach am späten Abend zu den Vorwürfen und rechtfertigte sein Vorgehen. Er stellte aber auch in Aussicht, die Strafanzeige zurückziehen zu wollen, wenn der Äußernde sich bei ihm entschuldigt.
Es steht außer Frage, dass die Aktion einen faden Beigeschmack hat. Dies insbesondere deshalb, da die Äußerung, soweit ersichtlich, im besonderen Zusammenhang des politischen Meinungskampfes gefallen ist, innerhalb dessen die Rechtsprechung der Zulässigkeit von so getätigten Äußerungen nicht zu enge Grenzen setzt, wie es für gewöhnlich der Fall ist. Abgesehen von der rechtlichen Beurteilung sollte ein Politiker, auch scharfe Kritik einstecken können, wenn sie ihre Grundlage in der sachlichen Auseinandersetzung hat und nicht völlig neben der Sache liegt. Obwohl Rechtsbeugung ein Straftatbestand ist, der gem. § 339 StGB sogar als Verbrechen bestraft wird, beinhaltet ein solcher Vorwurf bei der Kritik an einem Politiker, insbesondere wenn er von einem Laien kommt, weniger den Vorwurf einer Straftat, sondern eher die Äußerung der Auffassung, dass der betreffende Politiker rechtswidrig handele.
Thomas Stadler meint aber sogar, dass es darauf, ob die Äußerung rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei, nicht ankomme. Der Durchsuchungsbeschluss sei in jedem Fall rechtswidrig, da nicht verhältnismäßig, weil der Forenbeitrag der Zeitung, ähnlich wie anonyme Zuschriften Dritter, die im redaktionellen Teil der Zeitung oder Zeitschrift dokumentiert werden, vom Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 StPO umfasst seien.
Diese Auffassung teilen wir nicht. Uns erschließt sich bereits die Vergleichbarkeit eines durch einen Zeitungsverlag betriebenen öffentlichen Meinungsforums, indem die Leser sich selbstständig zu verschiedenen Themen äußern können und das von der Redaktion nur moderiert wird mit einem ganz bewusst in den Redaktionsteil einer Zeitung eingestellten (anonymen Leserbrief) zu einem bestimmten Thema. Uns fehlt hier die schützenswerte Vertraulichkeit der journalistischen Arbeit, deren Gewährleistung das von Herrn Stadler zitierte Bundesverfassungsgericht als Schutzzweck des Beschlagnahmeverbot hervorhebt.
Unseres Erachtens drängt sich aber auch eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht gerade auf, wie starker dies offenbar meint.
Ungeachtet dessen, wird man eine derartige Durchsuchung zum Zwecke der Ermittlung eines Kommentarautors schwerlich als verhältnismäßig einstufen können.
Man kann nur hoffen, dass die Zeitung gegen den rechtswidrigen amtsrichterlichen Beschluss vorgehen wird.
Die Polizei-Aktion in unserer Redaktion hat bundesweit für Empörung gesorgt. Bei Twitter und Facebook war die Beschlagnahme der Nutzerdaten das Thema des Abends, Auch Rechtsanwälte und andere Medien griffen den Fall auf. Die Piratenpartei in Augsburg sprach von einem „überzogenen Vorgehen“ des Ordnungsreferenten. “Ullrich missbraucht Polizei und das Amtsgericht um Kritiker mundtot zu machen und die Presse einzuschüchtern.” erklärte David Krcek, Landtagskandidat im Augsburger Osten.
Kurz vor 23 Uhr meldete sich dann Volker Ullrich selbst zu Wort. Er lege Wert auf die Feststellung, „dass nicht der Ordnungsreferent, sondern ein unabhängiges Gericht die Beschlagnahme von Userdaten angeordnet hat“, so Ullrich in einer Mitteilung an die Redaktion der Augsburger Allgemeinen. „Dem lag eine Beleidigung meiner Person durch einen Nutzer im AZ-Forum zugrunde, welcher mich der Rechtsbeugung bezichtigte. Das ist und bleibt ehrverletzend“, betonte er. Er werde seinen Strafantrag jedoch zurückziehen, „wenn der User sich bei mir entschuldigt“.
Was war passiert? Im Herbst 2012 diskutierten viele Augsburger über die Pläne des Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU), gegen die Straßenprostitution in der Stadt vorzugehen. Auch im Leser-Forum der Augsburger Allgemeinen wurde heftig und zum Teil sehr emotional diskutiert.