Wenn es um Ansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen in einstweiligen Verfügungsverfahren geht, ergibt sich nicht automatisch eine Dringlichkeit. Wer Eilbedürftigkeit geltend macht, muss deshalb seine Ansprüche auf andere Weise begründen können (OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 06.07.2023, Az. 3 U 889/23).
In dem Verfügungsverfahren stritten die Parteien um Unterlassungsansprüche aufgrund einer behaupteten Verletzung von Geschäftsgeheimnissen. Das Landgericht wies den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Die Klägerin ging dagegen in Berufung. Sie beantragte die Verlängerung der Frist, innerhalb derer Sie die Berufungsbegründung beibringen musste, um einen Monat. Ihren Antrag begründete die Klägerin mit „zahlreichen auswärtigen Terminen“ und damit, dass es nur einen „alleinigen Sachbearbeiter der Angelegenheit“ gebe. Es habe sich eine „Arbeitsüberlastung des Unterzeichners“ ergeben. Deshalb habe eine Besprechung mit der Mandantschaft innerhalb der Frist nicht stattfinden können.
Das Landgericht wies den Verfügungsantrag zurück, da der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht mehr gegeben gewesen sei.
Verfügungsgrund: Eilbedürftigkeit ergibt sich aus der Natur der Sache
Zwar bestehe für Unterlassungsansprüche nach § 6 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) eine Dringlichkeitsvermutung. § 12 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei jedoch nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergebe sich der nach den §§ 935, 940 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Verfügungsgrund regelmäßig „aus der Natur der Sache“.
Nach § 12 Abs. 1 UWG (‚Einstweiliger Rechtsschutz; Veröffentlichungsbefugnis; Streitwertminderung‘) können zur Sicherung der im UWG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung einstweilige Verfügungen „auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 [‚Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand‘) und 940 [‚Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes‘] der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden“.
§ 12 Abs. 1 UWG nicht analog anwendbar
Eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG scheide aus, entschied das OLG Nürnberg. Es bestehe nämlich – auch nach Auffassung des Senats – keine planwidrige Regelungslücke, die Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre. Der Gesetzgeber habe die Dringlichkeitsvermutung bewusst nicht auf das GeschGehG ausgeweitet. Die Gesetzesbegründung verweise auf die allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelungen.
Selbstwiderlegung des Eilbedürfnisses
Bei einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses sei regelmäßig der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund zu bejahen. Dieser liegt nach § 935 ZPO darin, dass „eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte“ bzw. nach § 940 ZPO darin, dass eine einstweilige Verfügung „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint“. Im konkreten Fall verneinte das OLG Nürnberg das Vorliegen einer Dringlichkeit. Der Verfügungsgrund sei zwar grundsätzlich zu bejahen, fehle jedoch wegen „Selbstwiderlegung“. Die Klägerin habe nämlich „durch ihr Verhalten selbst“ zu erkennen gegeben, „dass es ihr nicht eilig ist“.
Die erforderliche Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen ergebe, dass die Verfügungsklägerin das Berufungsverfahren „nicht in der erforderlichen Zügigkeit betrieben hat und deswegen die Dringlichkeit entfallen ist“.
Dringlichkeit verneint wegen Fristverlängerungsantrag
Es bestehe in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit, dass es am Verfügungsgrund fehlt, wenn der Verfügungskläger nach Eintritt der Gefährdung mit einem Antrag „eine längere Zeit“ wartet. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Verfügungskläger die gesetzliche Zwei-Monats-Frist verlängere und diese voll ausschöpfe. Mit einem Antrag auf Fristverlängerung bringe der Verfügungskläger nämlich zum Ausdruck, dass er eine Verfahrensverlängerung in Kauf nimmt und ihm die Sache nicht so eilig ist, dass sie eine Eilentscheidung rechtfertigen würde.
Zurechnung von Verzögerungen durch Prozessvertreter
Verzögerungen, die durch einen Prozessbevollmächtigten entstehen, seien dem Verfügungskläger zuzurechnen. Ein Rechtsanwalt könne sich – grundsätzlich – weder auf starke berufliche Beanspruchung noch auf Urlaub berufen und habe eine Verfügungssache vorrangig zu erledigen. Notfalls müsse ein Anwalt für Vertretung zu sorgen.
Das OLG Nürnberg erteilte damit einer Eilbedürftigkeit im konkreten Fall eine Absage. Es empfahl der Berufungsklägerin, ihre Klage zurückzunehmen.