BGH: Anspruch auf Löschung bei Google richtet sich nach Artikel 17 DSGVO

Immer wieder kommt es vor, dass eine Person einen Suchtreffer bei Google entfernt wissen will. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Anspruch auf Auslistung auf der Grundlage von Artikel 17 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bestehen kann (BGH, Urteil v. 03.05.2022, Az. VI ZR 832/20). Am Ende kommt es aber auf die Abwägung an.

Vor dem BGH stritt ein Mann, der zu einer lebenslangen Haft nach einem Überfall und Mord verurteilt und 2014 aus der Haft entlassen wurde, mit Google. Seine zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe wurde erlassen. Der Kläger behauptete, bei der Eingabe seines Namens erscheine ein Link zu einem Artikel, der 1988 in einem Nachrichtenmagazin erschien und dort in einem Online-Archiv abrufbar war. Der Artikel nannte den Kläger beim vollen Namen und behandelte gegen ihn geführte Strafverfahren. Einen Antrag auf Löschung des Link lehnte Google ab.

Kein Anspruch nach § 823 BGB

Der BGH entschied, dass ausschließlich Artikel 17 DSGVO und nicht § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch auf den Fall Anwendung finde. Der Kläger müsse sich nicht darauf verweisen lassen, vorrangig erst das Nachrichtenmagazin wegen des verlinkten Artikels in Anspruch zu nehmen. Die Haftung eines Suchmaschinenbetreibers wie Google sei nicht subsidiär, weil ein wirksamer Schutz von Betroffenen nicht erreicht werden könne, wenn diese sich an zwei Stellen wenden müssten.

BGH zu Suchmaschine: „Akt der Datenverarbeitung“

Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers sei ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung. Deshalb könne eine Abwägung des Anspruchs aus Art. 17 DSGVO mit den Rechten des Suchmaschinenbetreibers auch zu einem anderen Ergebnis führen als gegenüber dem Betreiber der verlinkten Webseite. Nicht nur die berechtigten Interessen, die die Datenverarbeitung rechtfertigen, sondern auch die Folgen, die die Verarbeitungen für Betroffene und ihr Privatleben hätten, seien unterschiedlich.

Drei Anspruchsvarianten ohne binnendifferenzierte Prüfung

Eine betroffene Person habe einen Anspruch auf Löschung, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig seien. Der BGH stützt den Anspruch auf Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO. Ein Anspruch bestehe auch, wenn der Betroffene Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner Daten eingelegt habe und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorlägen (Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien (Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO). Eine binnendifferenzierte Prüfung der verschiedenen Anspruchsgrundlagen sei nicht geboten, so der BGH.

Abwägung zwischen Privatleben und unternehmerischer Freiheit

Auf Seiten des Klägers sei dessen Grundrechte auf Achtung des Privatlebens aus Art. 7 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh zu berücksichtigen. Auf Seiten von Google sei das Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh in die Abwägung mit einzubeziehen. Relevant seien möglicherweise auch die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter. Google selbst könne sich hingegen nicht auf das Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 11 GRCh berufen. Zu berücksichtigen seien darüber hinaus die Informationsinteressen der Nutzer.

Immer wieder beschäftigen sogenannte Archivfälle Gerichte. Lesen Sie auch unseren Beitrag zur Löschung alter Presseartikel aus Online-Archiven im Fall einer sogenannten Verdachtsberichterstattung und zum Spezialfall einer Gegendarstellung in einem Online-Archiv.

Praxistipp

Unserer Erfahrung nach versucht Google meist, die Verantwortlichkeit auf die – wie es der Zufall will – in den USA ansässige Google LLC  abzuwälzen. Das Argument: Der BGH habe – wie in diesem Artikel dargestellt – festgestellt,  dass es sich bei der Auflistung von Suchergebnissen aus einer Suchmaschine um einen speziellen Anspruch aus der DSGVO handele, der den nationalen persönlichkeitsrechtlichen Vorschriften vorgehe.

Das trifft natürlich grundsätzlich zu. Unterschlagen wird hierbei jedoch, dass die einseitige Erklärung von Seiten Googles,  das ein bestimmtes Unternehmen für die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem Betrieb der Suchmaschine allein verantwortlich sei, nichts an den objektiv vorliegenden Tatsachen ändern kann. Tatsächlich wird die Suchmaschine von beiden Unternehmen gemeinsam betrieben.  Zudem ist die Google Ireland Ltd. explizit als Seitenbetreiberin für zum Beispiel google.de  angegeben. Dieses Unternehmen haftet daher zusätzlich und neben der amerikanischen Unternehmung Google LLC.

Es ist daher ratsam, in den Fällen, in denen rechtswidrige Ergebnisse bei Google entfernt werden sollen, explizit beide Gesellschaften in Anspruch zu nehmen.

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