Petitionsausschüsse der Landtage müssen Auskunft über personenbezogene Daten erteilen

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Art. 17 des Grundgesetzes regelt das so genannte Petitionsrecht. Danach hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.

Auch die einzelnen Landesverfassungen enthalten ein Petitionsrecht. Bürgerinnen und Bürger können sich unmittelbar an die Petitionsausschüsse der Landtage wenden. Beispielsweise um Kritik zu äußern oder um eigene Ideen und Anregungen einzubringen.

Die Petenten geben in ihrer Petition ihre Namen und Adressen an. Die Landtage speichern ihre personenbezogenen Daten.

Aus einem aktuellen Vorabentscheidungsverfahren des Europäischen Gerichtshofs folgt, dass die Landtage der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unterliegen (EuGH, Urteil v. 09.07.2020, Az. C-272/19). Petenten können daher Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten verlangen.

Das vorlegende Verwaltungsgericht Wiesbaden zweifelte überraschend an seiner Unabhängigkeit. Damit stellte es zugleich seine Vorlageberechtigung in Frage (VG Wiesbaden, Beschluss v. 28.03. 2019, Az. 6 K 1016/15). Die Richter aus Luxemburg hielten die Zweifel für unbegründet.

Petent bat Hessischen Landtag um Auskunft über personenbezogene Daten

Ein Bürger reichte beim Petitionsausschuss des Hessischen Landtags eine Petition ein. Anschließend bat er um Auskunft über die ihn betreffenden gespeicherten personenbezogenen Daten. Dabei berief er sich auf die DSGVO. Der Präsident des Hessischen Landtags gab dem Auskunftsersuchen nicht statt. Seine Begründung: Das Petitionsverfahren sei Aufgabe des Parlaments. Dieses unterliege nicht der DSGVO.

VG Wiesbaden bat EuGH um Auslegung der DSGVO

Der Bürger erhob daraufhin Klage vor dem VG Wiesbaden. Dieses bat den EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren um Auslegung europäischen Rechts. Das deutsche Recht sehe im Rahmen von Petitionen kein Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten vor. Der EuGH sollte klären, ob sich ein solches Auskunftsrecht aus der DSGVO ergeben könne.

VG Wiesbaden zweifelte an eigener Unabhängigkeit

Nur ein Gericht kann dem EuGH eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen. Dies folgt aus Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein „Gericht“ in Sinne dieser Vorschrift unabhängig sein. Das VG Wiesbaden zweifelte überraschend an seiner eigenen Unabhängigkeit. Damit stellte es seine Vorlageberechtigung in Frage. Daher befragten die Richter den EuGH auch um diesen Aspekt.

Als Begründung führten die Verwaltungsrichter unter anderem an, dass die Justizministerien der Länder die Richter ernennen, befördern und beurteilen. Sie hätten Zugriff auf die personenbezogenen Daten und dienstlichen Kontaktdaten der Richter. Zudem gebe das Justizministerium die externe und interne Organisation der Gerichte vor.

EuGH bejaht Auskunftsanspruch aus DSGVO

Der EuGH urteilte, dass ein Petitionsausschuss eines EU-Mitgliedstaats bei der Verarbeitung personenbezogener Daten an die DSGVO gebunden ist. Der Ausschuss sei insoweit, als er allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung entscheide, als „Verantwortlicher“ im Sinn der DSGVO einzustufen. Die DSGVO verleihe daher betroffenen Personen ein Recht auf Auskunft über die sie betreffenden Daten.

Die Tätigkeiten des Petitionsausschusses des Hessischen Landtags fallen nach Ansicht des Gerichtshofs nicht unter eine in der Verordnung vorgesehene Ausnahme. Sie seien zwar behördlicher Art und landesspezifisch. Dies folge daraus, dass der Ausschuss mittelbar zur parlamentarischen Tätigkeit beitrage. Seine Tätigkeiten seien aber auch politischer und administrativer Natur. Dass eine Ausnahme aus der DSGVO greife, ergibt sich für den EuGH auch nicht aus den ihm vorliegenden Akten.

Zweifel an Unabhängigkeit nach EuGH unberechtigt

Die geäußerten Bedenken an der fehlenden Unabhängigkeit der deutschen Justiz teilte der Gerichtshof nicht. Der bloße Umstand, dass die Legislative und die Exekutive im Verfahren der Ernennung eines Richters tätig würden, sei nicht geeignet, eine Abhängigkeit dieses Richters ihnen gegenüber zu schaffen oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der Betroffene nach seiner Ernennung keinerlei Druck ausgesetzt sei und bei der Ausübung seines Amtes keinen Weisungen unterliege.

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