Das Landgericht Wiesbaden hat auf Grundlage der DSGVO eine für viele Betroffenen von SCHUFA- oder Creditreform-Eintragungen wichtige Entscheidung getroffen (LG Wiesbaden, Urteil v. 21.2.2019, Az. 2 O 237/18, hier als PDF abrufbar).
Danach verpflichtet nach Ansicht des Landgerichts auch das in der DSGVO explizit normierte Recht auf Vergessen werden, Auskunfteien nicht dazu, Einträge über nicht beglichene Forderungen zu entfernen, auch wenn diese bereits beglichen wurden.
Faktisch bleibt es bei der auch bisher geltenden Zeitspanne von drei Jahren.
Jugendsünden mit Folgen
Mitte 2012 hatten drei verschiedene Gläubiger jeweils Vollstreckungsbescheide gegen den Kläger wegen geringfügiger Forderungen in Höhe von jeweils um die 400 € erwirkt.
Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt 21 bzw. 22 Jahre alt. Die Gläubiger meldeten diese Forderungsbeträge an die SCHUFA, die sie bei sich im Profil des Klägers speicherte. Die drei Forderungen glich der Kläger in den Jahren 2016, 2017 und 2018 vollständig aus.
SCHUFA: Löschung erst 3 Jahre nach Tilgung
Die an die SCHUFA gerichtete Bitte des Klägers, die Einträge nach erfolgter Tilgung der Forderungen nunmehr zu löschen, lehnte diese ab. Sie werde die Vorgänge vielmehr erst in den Jahren 2019, 2020 und 2021 löschen. Dies entspreche dem nach Art. 40 Abs. 2 DSGVO mit der zuständigen Aufsichtsbehörde vereinbarten Verhalten, wonach eine Löschung taggenau drei Jahre nach Ausgleich der Forderung erfolge.
Der Kläger war allerdings der Ansicht, dass die Beklagte die Daten über ihn bezüglich der drei Vorgänge unverzüglich zu löschen und ihn auf der Grundlage seiner aktuellen, damit deutlich besseren wirtschaftlichen Situation und Bonität im „SCHUFA-Basisscore“ neu und damit entsprechend besser zu bewerten habe. Die Eintragungen hinderten ihn daran, eine Wohnung zu mieten oder einen Handyvertrag abzuschließen. Ein Bankkonto konnte er letztendlich nur durch persönliche Kontakte eröffnen.
Der Kläger erhob daher Klage vor dem Landgericht Wiesbaden mit dem Antrag, die entsprechenden Einträge aufgrund des Ausgleichs der Forderungen vor Ablauf dieser Frist zu löschen. Er stützte sein Verlangen auf Art. 17, Abs. 1, lit. d und Art. 17, Abs. 1, lit. d und Art. 18 DSGVO, somit vereinfacht gesagt, auf das in der DSGVO mittlerweile explizit normierte „Recht auf Vergessenwerden“.
Das Landgericht Wiesbaden wies die Klage ab (LG Wiesbaden, Urteil v. 21.2.2019, Az. 2 O 237/18, hier als PDF abrufbar).
Art. 17 DSGVO (Recht auf Vergessenwerden) nicht einschlägig
Ein Anspruch auf Löschung der Daten gemäß Art. 17 Abs. 1, lit. d DSGVO scheide aus, da sie rechtmäßig erhoben worden seien und einem legitimen Interesse dienten.
Die Beklagte stelle ihren Vertragspartnern Informationen zur Verfügung, die geeignet seien, die Vertragspartner vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen. Die Speicherung der Datenfolge auf rechtmäßige und nachvollziehbare Weise. Der genannte Zweck der Datenspeicherung sei eindeutig festgelegt und legitim.
SCHUFA betreibe grundsätzlich nützliches Geschäftsmodell
Die Beklagte speichere Daten zur Wahrung ihrer berechtigten Interessen als Schutzorganisation der Wirtschaft sowie im Interesse ihrer Vertragspartner die Tätigkeit der Beklagte erfolge somit einerseits im Interesse der Allgemeinheit und andererseits auch im Interesse der Vertragspartner der Beklagten. Indem die Beklagte ihren Vertragspartnern Informationen zu einer Kreditentscheidung bereit stelle, schützte sie diese vor Verlusten und Risiken im Kreditgeschäft und ermögliche eine schnelle Prüfung von Chancen und Risiken eines potentiellen Geschäftsabschlusses.
Sinn und Zweck eines solchen Kreditinformationssystems, wie es die Beklagte unterhält, sei der Schutz der Wirtschaftsteilnehmer vor zahlungsunfähigen und zahlungsunwilligen Schuldnern. Kreditevaluationssysteme erfüllten wirtschaftsschützende Funktionen und würden als wichtige Voraussetzung für das Wirtschaftsleben angesehen.
Selbst, wenn man davon ausgehe, dass der Kläger aufgrund seines relativ jungen Alters die Folgen einer Nichterfüllung seiner Verpflichtung unterschätzt habe, rechtfertige dies bei einer Abwägung der Belange seiner Geschäftspartner nicht die Annahme eines überwiegenden Interesses des Klägers an der Löschung der Daten.
Zwischenzeitliche Tilgung egal
Auch die zwischenzeitliche Tilgung der Forderungen ändere daran nichts. Auch der Umstand, dass der Kläger derartig geringe Forderung erst nach vier Jahren und einer Titulierung ausgeglichen hat, sei für den Rechtsverkehr von erheblichem Gewicht. Auch eine Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO scheide daher aus.
Der Kläger habe schließlich auch keinen Anspruch auf Löschung nach Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO. Eine besondere Situation des Klägers im Sinne der genannten Vorschrift liege nicht vor. Die Auswirkung der Datenspeicherung bei der Beklagten sei vielmehr die wirtschaftliche Konsequenz aus dem Zahlungsverhalten des Klägers und entspreche der Situation anderer Schuldner oder ehemaliger Schuldner vergleichbarer Forderungen.
Kritik
Das Landgericht Wiesbaden prüft die Voraussetzungen der DSGVO schulmäßig durch. Das Ergebnis ist daher sicherlich vertretbar. Die Besonderheit bei der vorliegenden Entscheidung – und damit weicht der Fall von vielen Konstellationen ab, die uns in der anwaltlichen Praxis täglich begegnen – liegt darin, dass der Sachverhalt weitgehend unstreitig und die Eintragungen vollumfänglich zutreffend waren. Der Kläger hatte nun einmal unstreitige Forderungen nicht bezahlt und es sogar auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lassen.
Die einzige Chance auf Löschung der Einträge bestand daher in dem Argument, dass die Daten nicht mehr gespeichert werden durften, weil deren Speicherung nicht mehr notwendig war bzw., – um es vereinfacht zu sagen – der Kläger ab einem gewissen Zeitpunkt das Recht haben muss, mit seinen „Jugendsünden“ in Ruhe gelassen zu werden.
Die Entscheidung ist an dieser Stelle kritikwürdig, weil sie zur Begründung der Notwendigkeit der Speicherung lediglich pauschale Ausführungen zur angeblichen Nützlichkeit von Auskunfteien macht, die auch aus einer Werbebroschüre der SCHUFA stammen könnten. Bezeichnenderweise zitiert das Landgericht zudem BGH-Entscheidungen aus den Jahren 1978 und 1983, somit aus einer Zeit, in der einerseits Bürger zur Teilnahme am sozialen Leben nicht auf derart zahlreiche kontrahierungswillige Vertragspartner angewiesen waren und andererseits nicht jeder dieser Vertragspartner eine Bonitätsprüfung vornahm, die im digitalen Zeitalter ohne großen Aufwand möglich ist und von vielen Unternehmen auch durchgeführt wird.
Wie der vorliegende Fall zeigt, führen Einträge von sogar verhältnismäßig geringen Forderungsbeträgen heutzutage dazu, dass Betroffene Gefahr laufen, für die Daseinsvorsorge notwendige Verträge nicht mehr schließen zu können.
Offenlegung: Unsere Kanzlei hat den Kläger vertreten.
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