Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Der vzbv warf Facebook unter anderem vor, dass Facebook seiner Impressumspflicht nicht ausreichend nachkomme und mit seiner Werbung „Facebook ist kostenlos“ die Nutzer in die Irre führe. Darüber hinaus wurden die Kontovoreinstellungen im Bereich der Privatsphäreneinstellungen der Nutzer von Facebook moniert.
Doch damit nicht genug: Der vzbv ging darüber hinaus gegen mehrere Bestimmungen auf der Startseite von Facebook sowie gegen Nutzungsbedingungen von Facebook vor. Unter den angegriffenen Bestimmungen befand sich auch das Klarnamenprinzip, das dem Nutzer verbietet anstelle seines echten Namens ein Pseudonym zu nutzen.
Das Landgericht Berlin gab dem vzbv zwar nicht in allen Punkten Recht, dennoch dürfte das Urteil einen herbe Niederlage für Facebook darstellen.
Unzureichendes Impressum
Zunächst stellten die Richter fest, dass Facebook seiner Impressumspflicht nach § 5 Abs. 1 TMG nicht entsprechend nachkomme. Nutzer, die zwar registriert aber nicht eingeloggt waren, sowie Nutzer, die nicht registriert waren, konnten das Impressum nur mittels zweier „Klicks“ erreichen. Nachdem diese Nutzer auf der Homepage auf den Link „Impressum/Nutzungsbedingungen“ klickten, mussten sie im zweiten Schritt noch den Link „Erklärung der Rechte und Pflichten“ betätigen, um zu dem Impressum zu gelangen.
Das ist nach Auffassung des Gerichts alles andere als ausreichend. Nach § 5 Abs. 1 TMG, der den Art. 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr in das deutsche Recht umsetzt, müssen die Impressumsangaben
„leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“
sein. Ein verständiger Nutzer erwarte hinter dem Link „Erklärung der Rechte und Pflichten“ jedoch kein Impressum, so die Richter.
Facebook verteidigte sich mit dem Argument, dass nicht das deutsche sondern das irische Recht vorliegend anzuwenden sei, was im Jahr 2013 vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein in einer anderen Fallkonstellation noch zum Erfolg geführt hatte. Dieser Ansicht schlossen sich die Richter aus Berlin allerdings nicht an.
Facebooks Werbung „Facebook ist kostenlos“ ist zulässig
In einem anderen Punkt war das LG Berlin allerdings anderer Ansicht als der vzbv. Der vzbv erblickte in der Werbung „Facebook ist kostenlos“ einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Die Werbung führe den Nutzer in die Irre. Zwar müsse der Nutzer kein Geld für die Nutzung der Plattform zahlen, doch bestehe die Gegenleistung in der Bereitstellung der personenbezogenen Daten. Diese Gegenleistung sei als „Kosten“ zu qualifizieren.
Dieser Argumentation folgten die Richter nicht. Der Begriff „Kosten“ sei dahin auszulegen, dass wirtschaftliche Belastungen im Sinne von echten Vermögensbeeinträchtigungen vorliegen. Die Bereitstellung von personenbezogenen Daten sei keine unmittelbare finanzielle Einbuße. Es seien lediglich immaterielle Interessen in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableitet, betroffen.
Nach Ansicht des Gerichts verstehe der durchschnittlich informierte Nutzer den Begriff im eben genannten Sinne, sodass der Nutzer auch nicht in die Irre geführt werde.
Kontovoreinstellungen verstoßen gegen das Datenschutzrecht
Die Kontovoreinstellungen von Facebook im Bereich der Privatsphäreneinstellungen der Nutzer sind laut Landgericht Berlin allerdings rechtswidrig. In der Facebook-App für Mobiltelefone war ein Ortungsdienst voreingestellt, der es den Chat-Partnern erlaubte, den eigenen Aufenthaltsort einzusehen. In den Privatsphäreneinstellungen war zudem ein Häckchen voreingestellt, das bewirkte, dass Suchmaschinen den Link zu der Chronik des einzelnen Nutzers erhielten. Dadurch waren die Profile der Facebook-Nutzer über Suchmaschinen leicht und schnell auffindbar.
Der Umstand, dass Facebook dem Nutzer während des Registrierungsvorgangs einen virtuellen „Privatsphärenrundgang“ ermöglicht, der dem Nutzer wiederum potentiell die Gelegenheit bietet, von den Voreinstellungen Kenntnis zu nehmen, änderte an der Einschätzung der Richter, dass ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht vorliege, nichts. Nach Auffassung des Gerichts benötige Facebook eine Einwilligung gem. § 4a BDSG in die Datenerhebung und deren Nutzung.
Eine solche Einwilligung könne aber nur dann vorliegen, wenn der Nutzer
„während des Registrierungsvorgangs ausdrücklich – aktiv – auf diese Voreinstellungen hingewiesen wird. Im konkreten Fall kann der Nutzer bei der Registrierung von den Voreinstellungen – und dem damit ohne sein Zutun bereits angelegten Umfang der Datenverarbeitung – […] jedenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit und Gewissheit Kenntnis erlangen.“
Des Weiteren entspreche eine etwaig konkludent erteilte „Einwilligung“ durch Weiternutzung den Anforderungen an eine wirksame Einwilligungserklärung nicht.
In diesem Zusammenhang stellte das Landgericht Berlin, wie bereits das Landgericht Hamburg im Jahr 2017, klar, dass das Einwilligungserfordernis des § 4a BDSG eine Markverhaltensregel im Sinne des Wettbewerbsrechts sei.
Klarnamenprinzip ist rechtswidrig
Die von dem vzbv angegriffene Klausel, die das sog. Klarnamenprinzip enthält, erklärte das Gericht für unwirksam. Das Klarnamenprinzip verpflichtet die Nutzer, bei der Anmeldung bei Facebook ihre richtigen Namen anstelle eines Pseudonyms anzugeben. Bereits im Jahr 2015 haben wir uns mit dieser Problematik auseinandergesetzt.
Der vzbv sah in diesem Prinzip einen Verstoß gegen § 13 Abs. 6 TMG, der vorsieht, dass der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Mit der Frage, ob das Klarnamenprinzip tatsächlich gegen § 13 Abs. 6 TMG verstößt, setzte sich das Gericht jedoch nicht auseinander.
Die Richter stellten lediglich fest, dass die Datenverarbeitung durch Facebook grundsätzlich einer Rechtfertigung bedarf und die ausschließliche Verwendung „korrekter“ persönlicher Daten gem. § 13 Abs. 6 TMG nicht dem gesetzlichen „Regelfall“ entspreche. Der Nutzer müsse daher auch in die Verwendung seiner „korrekten“ Daten wirksam eingewilligt haben.
Als Einwilligungserklärung komme aber nur die gegenständliche „Klarnamen-Klausel“ in Form einer Selbstverpflichtung in Betracht. Diese wiederum sei nicht als Einwilligungserklärung in eine bestimmte Form der Datennutzung formuliert. Durch den vorangestellten Passus „Facebook Nutzer geben ihren wahren Namen und Daten an…“ werde dem Nutzer vonseiten Facebook suggeriert,
„dass dies üblich und alternativlos sei, die „Verpflichtung“ des Nutzers zu „korrekten“ Informationen daher eine Selbstverständlichkeit sei.
Die Formulierung der Klausel als Verpflichtung führe dem Nutzer nicht ausreichend vor Augen, dass es sich um eine Einwilligungserklärung handele. Das Klarnamenprinzip wurde so mangels einer wirksamen Einwilligung in die Nutzung und Verarbeitung des Klarnamens des Nutzers für unwirksam erklärt.
Weitere Klauseln unwirksam
Das Gericht erachtete weitere sieben Klauseln für unwirksam. Hierunter befand sich eine Klausel, die eine Einwilligung in die Nutzung des Namens und des Profilbilds „für kommerzielle, gesponsorte oder verwandte Inhalte“ enthielt. Die Richter stellten fest, dass keine „informierte Entscheidung“ des Nutzers vorliege, da der Nutzer die Tragweite seiner Erklärung nicht erkennen könne.
Weitere Regelungen der Datenrichtlinie Facebooks wurden als zulässig anerkannt. Die Datenrichtlinie enthalte größtenteils Hinweise und Informationen der Beklagten zur eigenen Verfahrensweise mit Daten der Nutzer. Die Datenrichtlinie stelle daher keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar. Somit sei die Datenrichtlinie nicht anhand der AGB-Regeln überprüfbar (LG Berlin, Urteil v. 16.01.2018, Az. 16 O 341/15).
Fazit und Ausblick
Interessant an der Entscheidung ist einmal, dass das Landgericht Berlin mit seiner Entscheidung die seit langem und heftig umstrittene Klarnamenpflicht auf Facebook quasi im vorbeigehen als unzulässig eingestuft und mit Ordnungsmittelandrohung verboten hat. Versuche, Facebook die Verpflichtung zur Nutzung von Pseudonymen auf dem Verwaltungsrechtswege aufzuerlegen, waren bisher bereits an der Frage des anwendbaren Rechts gescheitert.
Ebenfalls interessant ist, dass sich die Unzulässigkeit der Kontovoreinstellungen im Bereich der Privatsphäreneinstellungen der Nutzer, wie sie Facebook vorgenommen hat, ab Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25.05.2018 nicht mehr erst aus dem Einwilligungserfordernis ergeben wird. Mit der DSGVO müssen Unternehmen wie Facebook bereits grundsätzlich ein bestimmtes Datenschutzniveau gewährleisten, das gem. Art. 25 Abs. 2 DSGVO unter anderem explizit datenschutzfreundliche Voreinstellungen vorschreibt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Hinsichtlich der Punkte, in denen sich Facebook durchsetzen konnte, will der vzbv Berufung einlegen. Es ist davon auszugehen, dass auch Facebook, wie üblich, den Instanzenzug so weit wie möglich ausschöpfen wird. Sowohl das Kammergericht Berlin, als auch vielleicht der Bundesgerichtshof werden sich daher voraussichtlich noch mit dem Fall befassen müssen.